Als die Israelis jedoch den Bau eines Tunnels der Hamas in Richtung Grenze bemerkten, drang die Armee etwa 200 Meter tief in palästinensisches Gebiet vor, um den Tunnel zu sprengen. Es kam zu einem Feuergefecht mit vier getöteten Hamas-Kämpfern und einem verletzten israelischen Soldaten. Seitdem eskaliert die Lage mit zunehmender Heftigkeit. Wenn es der Hamas gelungen wäre, den Tunnel fertig zustellen, Soldaten zu entführen oder einen großen Terroranschlag zu verüben, wäre es vorbei gewesen mit der Waffenruhe, hieß es in Israel. Die Hamas beantwortete die israelische „Provokation“ mit einem massiven Raketenbeschuss, während die israelische Luftwaffe wieder ihre Attacken auf Abschussrampen der Raketen im nördlichen Gazastreifen aufnahm.
Grenzübergänge geschlossen
Israels Verteidigungsminister Barak verfügte eine Schließung der Grenzübergänge, über die Lastwagen internationaler Organisationen Nahrungsmittel, Medikamente und Tierfutter nach Gaza bringen. Als sich die Lage weiter verschärfte, drosselte Israel die Lieferung von Schweröl für das einzige Kraftwerk in Gaza. Es produziert etwa 20 Prozent des benötigten Stroms. Aus Ägypten und Israel fließt weiter der Strom. Am Donnerstag wurde das palästinensische Kraftwerk abgeschaltet. Kinder in Gaza-Stadt posierten mal wieder mit brennenden Kerzen und Protestplakaten, obgleich in den Läden im Hintergrund weiter das Licht brannte, wie man auf den Bildern von AP und Reuters sehen kann. Ein Redakteur von AP erklärte auf Anfrage: „Viele Geschäfte in Gaza haben Generatoren für die Stromerzeugung.“ Da Israel auch die Benzinzufuhr stark reduziert hat, ist unklar, womit die Generatoren betrieben werden.
Am Donnerstag schloss Israel den Übergang in Keren Schalom, weil angeblich ein „großer Anschlag“ der Hamas bevorstehe, woraufhin am Freitagmorgen weitere Raketensalven auf Sderot und Aschkelon prasselten und mehrere Menschen, darunter eine 80 Jahre alte Frau, durch Splitter leicht verletzten. Der Grenzübergang Eres ist seit einer Woche für Journalisten gesperrt, wegen der „zugespitzten Gefahr“. Die Israelis verwehrten sogar europäischen Diplomaten die Einreise nach Gaza, nicht, um ihr Leben zu schützen, sondern weil die Diplomaten angeblich ihre Beziehungen mit der Hamas pflegen wollten. Dem könne Israel nicht zustimmen. Die Diplomaten veranstalteten vor dem Übergang eine Protestdemonstration.
Vorbereitung auf Ende der Feuerpause?
„Noch ist der Punkt nicht erreicht, an dem es keine Rückkehr gibt“, hieß es in israelischen Regierungskreisen am Freitag, und auch Sprecher der Hamas erklärten, an einer Fortsetzung der Waffenruhe interessiert zu sein. Gleichwohl bereiten sich beide Seiten offenbar auf eine neue Waffenrunde vor. Die Bürger in den grenznahen Ortschaften nahe dem Gazastreifen wurden aufgefordert, sich „bis auf weiteres“ in den Schutzräumen aufhalten. „Ich habe so was nicht, weil die Regierung kein Geld locker gemacht hat, während der Waffenruhe Schutzräume zu errichten“, empört sich ein Israeli in Aschkelon, während seine Frau von der „großen Explosion“ einer Rakete gleich neben ihrem Haus erzählt. „Alle Fenster zersplitterten und die Tür des Kühlschranks flog auf.“ Generalstabschef Gabi Aschkenasi beschloss wegen der explosiven Lage, den seit langem geplanten Wechsel der Oberkommandieren an der Südfront zu verschieben, während Hamas-Sprecher Fawsi Barhum erklärt: „Die zionistische Eskalation und Aggression gegen palästinensische Widerstandsgruppen und Hamas beabsichtigt, deren Willen zu brechen. Es ist notwendig, die Waffenruhe neu zu überdenken.“
Im Gazastreifen stoppte die UNO-Flüchtlingshilfeorganisation UNWRA ihre Nahrungsmittelhilfe an 750.000 Menschen, etwa die Hälfte der Einwohner des Gebietes, weil ihre Lagerhäuser leergeräumt seien und Israel keinen Nachschub durchlasse. „Der Zustand ist katastrophal“, klagt UNWRA-Sprecher Christophen Gunness. Das politisch neutrale IKRK (Rotes Kreuz) bezichtigt Israel einer „Kollektivbestrafung“ der palästinensischen Bevölkerung infolge der Blockade seit dem 5. November. IKRK-Sprecherin Katharina Ritz in Tel Aviv erklärte: „Gleichgültig welche politischen oder militärischen Erwägungen dahinter stecken, muss die unschuldige Zivilbevölkerung davor bewahrt werden, kollektiv den Preis zu zahlen.“ Zu den Folgen des Raketenbeschusses für die „unschuldige Zivilbevölkerung“ auf der israelischen Seite hat das IKRK keine vergleichbare Erklärung veröffentlicht.