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Texanischer Zauber: Ein Rückblick auf den ersten Tag des Bush-Besuchs in Israel

Operation "Texanischer Zauber" nannten die israelischen Sicherheitskräfte die Aktion, für die es bislang in der Geschichte des Staates Israel keine Parallele gibt. Der amerikanische Präsident George W. Bush junior hat bis zum letzten Regierungsjahr gewartet, um seinen engsten Verbündeten im Nahen Osten zu besuchen. Und der Staat Israel zeigt, was er bieten kann, wenn er einen Gast wirklich ehren will. Keinem anderen christlichen Pilger wurde je soviel offizielle Zuneigung und Bewunderung zuteil, wie dem 43. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.

Noch bevor die „Air Force One“ der amerikanischen Luftwaffe über dem Mittelmehr zu erkennen war, übertrug das israelische Fernsehen bereits live den Funkverkehr zwischen dem Tower des Ben Gurion-Flughafens und dem herannahenden Präsidentenflugzeug. Während TV-Kanal 10 boshaft erklärte, dass die Popularität Bushs auch in der israelischen Bevölkerung von 90 Prozent nach dem 11. September 2001 auf heute 30 Prozent gefallen ist, wurde der amerikanische Präsident gleich nach seiner Landung von einer beispiellosen Delegation begrüßt. Alles, was Rang und Namen im Staate Israel hat, drückte ihm die Hand. Nur Rafi Eitan, Israels Rentenminister von der Greisenpartei, hatte „Wichtigeres zu tun“. Vor fast drei Jahrzehnten hatte er als Mossad-Agent den israelischen Spion Jonathan Pollard betreut, der bis heute in einem amerikanischen Gefängnis sitzt und einer der schmerzhaften Pfähle im Fleisch der israelisch-amerikanischen Beziehungen ist.

Als Premierminister Ehud Olmert seinem hohen Gast das Kabinettsmitglied Eli Jischai von der sephardisch-orthodoxen Schas-Partei vorstellte, bemerkte der Präsident: „Ah, Sie soll ich morgen Abend beim Abendessen also davon überzeugen, die Regierung nicht zu verlassen.“ Der Schas-Chef und sein Kabinettskollege von der Partei „Israel Beiteinu“ (Israel unsere Heimat), Avigdor Lieberman, hatten Olmert im Vorfeld des Bush-Besuchs die politische „gelbe Karte“ gezeigt und mit einem Ende der Koalition gedroht. Der israelische Regierungschef hatte sich – gewissermaßen als Willkommensgruß für den mächtigen Freund aus Amerika – mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geeinigt, direkt in Verhandlungen über die Kernproblempunkte einzusteigen, nämlich die künftigen Grenzen, die palästinensische Flüchtlingsfrage und die Aufteilung Jerusalems. Jetzt muss Bush offensichtlich die Nebenwirkungen des Gastgeschenks für die Regierungskoalition in Jerusalem begrenzen helfen.

Schon bei den Begrüßungsreden auf dem roten Teppich vor dem Flugzeug sprachen Präsident George Bush und die Gastgeber Premierminister Ehud Olmert und Staatspräsident Schimon Peres die kritischen Gesprächspunkte des Besuchs an. Peres ließ eine selten offene Drohung in Richtung Iran laut werden und meinte, man solle in Teheran Israels „Entschlossenheit zur Selbstverteidigung nicht unterschätzen“. Im Blick auf die Zwei-Staaten-Lösung des Nahostkonflikts meinte er, die kommenden zwölf Monate würden den „Moment der Wahrheit“ enthalten.

George Bush erwähnte zur Freude seiner Gastgeber Israel als „jüdischen Staat“ – was zweifellos als Absage an das von den Palästinensern geforderte Recht auf Rückkehr der Flüchtlinge in das Staatsgebiet Israels gewertet werden darf. Keiner der drei Politiker versäumte es, die „berechtigten Sicherheitsbedürfnisse“ des jüdischen Staates zu betonen. Israels Hauptanliegen im Blick auf die Verhandlungen mit den Palästinensern ist, dass bei einem weiteren israelischen Rückzug kein Machtvakuum in den Palästinensergebieten entsteht, das islamische Extremisten füllen werden – wie das im Gazastreifen geschehen ist.

Demonstrationen gegen Bush

Auf den Straßen der Palästinensischen Autonomie war derweil eine seltene Einheit zu erkennen. In Gaza demonstrierten die Menschen unter den grünen Hamas-Flaggen, während im Westjordanland die palästinensische Trikolore und die gelben Fahnen der Fatah dominierten. Die Massen, die sich vor wenigen Tagen noch gegenseitig zerfleischt hatten, waren sich einig im Protest gegen den „Mörder“ und „Kriegsverbrecher“ George Bush. In Bethlehem verbrannten Fatah-Demonstranten amerikanische Fahnen, in Gaza Hamas-Sympathisanten Bush- und Olmert-Puppen. Keine einzige amerikanische Flagge war in Ramallah zu sehen, wo ein Bürger die israelische Euphorie für den „Weltbürger Nummer Eins“ noch steigerte: „Bush ist der Weltbürger Nummer Null!“

Auch in Israel gab es im Vorfeld des Bush-Besuchs Demonstrationen. Auf Plakaten wurden Bush, Olmert und Abbas mit dem Arafat-Kopftuch, der palästinensischen Kefije, dargestellt. Rechtsgerichtete Israelis befürchten amerikanischen Druck, der letztendlich zu weiteren Siedlungsräumungen führen könnte. Den Amerikanern ist Israels fortgesetzte Bauaktivitäten in den Siedlungen in der Westbank ein Dorn im Auge.

In Gesprächen unter vier Augen, die vor laufender Fernsehkamera gehalten wurden, überhäufte Präsident Schimon Peres seinen amerikanischen Gast mit Komplimenten. Bush erwiderte darauf: „Herr Präsident, ich folge nur Ihrem Beispiel.“ Worauf Peres meinte: „Seien Sie vorsichtig, Herr Präsident.“ Präsident Bush bemühte sich dann, über den höflichen Small Talk hinaus zu kommen, und meinte: „Der beste Weg, eine Ideologie des Hasses zu besiegen, ist eine Ideologie der Hoffnung.“

Dieser hochkarätige Staatsbesuch weckt vor allem die Frage, ob überhaupt noch jemand in Washington zurückgeblieben ist – außer Laura Bush, die ihren Mann nicht begleitet hat. Inwiefern er inhaltlich im Nahen Osten etwas bewegt, bleibt abzuwarten. Zwei Katjuscha-Raketen auf Nordisrael am Tag vor der Ankunft des US-Präsidenten und ein Hagel von Kassam-Raketen und Mörsergranaten auf Südisrael am ersten Besuchstag machten die Komplikationen der Situation unübersehbar. Trotzdem warf der Knesset-Abgeordnete Benni Elon dem Gast aus Washington vor, jeglichen Bezug zur Realität verloren zu haben, wenn er von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ein Ende des Raketenbeschusses auf Israel fordern wolle. „Und überhaupt“, meinten Fernsehkommentatoren am Ende des langen Tages, „wurde gar nichts Neues gesagt. Peres spricht seit zwanzig Jahren davon, dass sich ‚in diesem Jahr neue Möglichkeiten eröffnen’ werden.“

Logistische Leistung der Superlative

Der Besuch Bushs in Israel ist vor allem eine logistische Leistung der Superlative. Hunderte Berater, Sicherheitsleute und sogar Köche begleiteten den Präsidenten, damit selbst die Speisenzubereitung im Jerusalemer Nobelhotel King David überwacht werden konnte. Eintausend Hotelzimmer in drei Hotels wurden angemietet. Die Kolonne des Präsidenten umfasste 77 gepanzerte Fahrzeuge. Zehntausend israelische Polizisten sorgten für die Sicherheit und die Jerusalemer Stadtverwaltung schaltete die nächtliche Beleuchtung der Altstadtmauern ab, um dem Gast aus Washington zu ermöglichen, die Stadt im Mondschein zu betrachten.

Doch der wolkenverhangene Jerusalemer Himmel ließ den präsidialen Mondscheinzauber nicht zu. Auch das prophezeite Verkehrschaos blieb am ersten Tag des hohen Besuchs aus. Die Straßen Jerusalems waren wie leergefegt. Die Jerusalemer blieben zuhause. Und die Händler in der israelischen Hauptstadt klagten schon vor Tagesende über einen wirtschaftlichen Schaden von umgerechnet fast fünf Millionen Euro, weil die Käufer ausblieben. Überhaupt stand der Bush-Besuch unter einem schlechten wirtschaftlichen Omen: Am Vortag fiel der Kurs des US-Dollars auf ein Neunjahrestief gegenüber der israelischen Währung auf 3,799 Schekel. Die Israelis äußerten sich auch enttäuscht darüber, dass mit Bush weit weniger Journalisten als erwartet erschienen waren. Und schließlich stahl der unerwartete Wahlsieg Hillary Clintons in New Hampshire dem Präsidenten selbst in seinem Heimatland die Show.

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