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Streik der Oberschullehrer

Seit mehr als einem Monat streiken in Israel alle Lehrer ab der 7. Klasse, soweit sie zur Lehrerorganisation "Irgun HaMorim" gehören. 600.000 Schüler haben deshalb gar keinen oder nur sehr begrenzt Unterricht. Die Streikenden sehen Israels Bildungswesen in einer tiefen Krise und verlangen, dass die Regierung der Schulbildung eine höhere Priorität einräumt.

Die Schulklassen in Israel sind überfüllt. Ein Lehrer hat bis zu 40 Schüler pro Klasse zu betreuen. Die Zahl der Stunden wurde mehrfach gekürzt, so dass die Schüler den Unterrichtsstoff selbstständig erarbeiten müssen. Vor allem die Lernschwächeren bekommen das zu spüren. Auch die Ausstattung der Schulen lässt zu wünschen übrig.

Ein junger Lehrer bekommt am Anfang seines Berufslebens umgerechnet etwa 680 Euro pro Monat. Dadurch sind Lehranfänger in der Regel gezwungen, einem zweiten Job nachzugehen – was sich spürbar auf die Qualität des Unterrichts auswirkt. Für begabte junge Leute ist der Lehrerberuf schon deshalb wenig attraktiv. Nur eine kleine Zahl Studenten meldet sich zum Pädagogikstudium an – und wird dafür in der Gesellschaft als „dumm“ angesehen. Der Trend geht dahin, dass immer mehr Privatschulen entstehen. Eine gute Ausbildung ist so nur noch für Privilegierte erschwinglich.

In Israel arbeiten meist beide Elternteile. So sitzen die Kinder während der Streiktage allein zu Hause. Manch ein Abiturient nutzt die freie Zeit, um seinen Führerschein zu machen. Andere nehmen zusätzlichen Musikunterricht oder erarbeiten sich den Unterrichtsstoff selbständig. Für viele hat der Mangel an Beschäftigung allerdings negative Auswirkungen. Sie schlagen die Zeit vor dem Fernseher und mit Computerspielen tot, oder schlafen tagsüber, weil sie sich nachts auf den Straßen mit ihren Freunden herumtreiben. Vor allem für die Abiturienten ist der lang andauernde Streik problematisch, denn die Armee, die nach dem Abitur ruft, duldet keinen Aufschub.

Deshalb sind manche Eltern gegen diesen Streik, der eine Reform des Bildungswesens durchsetzen soll. Andere zeigen Verständnis und unterstützen den Kampf der Lehrer. Die Mutter eines Jerusalemer Gymnasiasten meint während eines außerordentlichen Elternabends: „Das klingt wie ein Traum: Zahlenmäßig kleinere und gut ausgestattete Klassen. Dazu fähige Lehrer, die den Kindern nicht nur fachgerecht Unterrichtsstoff, sondern auch Werte fürs Leben vermitteln. Aber unser Staat selbst ist das Ergebnis eines zweitausendjährigen Traumes und viel harter Arbeit!“ Teilweise organisieren sich auch die Schüler und laden gemeinsam mit Eltern und Lehrern zu einer Großdemonstration auf den Rabinplatz nach Tel Aviv ein.

Der Vorsitzende der Lehrerorganisation, Ran Eres, bleibt unerschütterlich: „Solange das Finanzministerium die Verhandlungen mit uns nicht ernst nimmt, haben wir keine andere Wahl, als den Schülern Schaden zuzufügen. Der Streik schadet den Vorbereitungen und den Prüfungen selbst. Aber das ist der einzige Weg, Premierminister Olmert zu zwingen, sich aufzuraffen und Einsatz zu zeigen. Auch wenn diese Auseinandersetzung die Schüler jetzt trifft, wird sie langfristig unserer Jugend doch zugute kommen.“ Vor dem Obersten Gericht in Jerusalem meint eine Lehrerin frustriert: „Aber letztendlich bedeutet das alles doch, dass wir uns in den Ferien mit unseren Schülern zusammensetzen und das Versäumte nachholen.“

Israelische Lehrer und Erzieher setzen immer wieder Streiks als Mittel ein, um ihre Ziele zu erreichen. Der letzte „Megastreik“ zur Stärkung der Position der Pädagogen in der israelischen Gesellschaft hat vor fast 30 Jahren im Jahre 1978 stattgefunden. Oded Schachar, der diesen Streik selbst miterlebt hat und heute als Fernsehjournalist die aktuelle Diskussionssendung „Politika“ leitet, kommentierte die sehr visionär-optimistischen Äußerungen eines seiner Gesprächspartner: „Ich hoffe, dass du Recht hast – befürchte aber, dass du dich täuschst.“

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