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Streben nach Vorherrschaft: Der Iran und die arabische Welt

„Denke nicht Arabisch, wenn du über den Iran redest“, ermahnt ein Diplomat, der zu Zeiten des Schah jahrelang den Staat Israel im Iran vertreten hat. Der Iran ist kein arabisches Land. Araber wie Perser wehren sich vehement dagegen, in einen Topf geworfen zu werden.

Die Perser sind Teppichknüpfer. Das muss wissen, wer den Charakter dieser Menschen verstehen will. Wer einen echten persischen Teppich knüpfen will, muss viel Geduld, Durchhaltevermögen und Selbstdisziplin mitbringen. Und er muss lange warten, bis das Ergebnis schließlich sichtbar wird.

Das Schachspiel ist von Indien über den Iran in die westliche Welt gelangt. Auch diese Tatsache ist im Blick auf die iranische Mentalität zu bedenken. Iraner sind in der Lage, drei oder vier Schritte vorauszudenken. Sie wissen um ihre Optionen und wägen ihre Möglichkeiten ab und handeln nicht aus dem Bauch heraus. Ihre „Schachzüge“ sind gut durchdacht.

„Wir werden viel Geduld brauchen“, meint der ältere Herr, der seine Regierung nicht nur im Iran, sondern auch in manch anderer heikler Mission beraten und vertreten hat. „Die Iranfrage wird die Präsidentschaft von George Bush junior überdauern und uns noch lange beschäftigen. Wir müssen lernen, in historischen Prozessen zu denken.“

Der Hass zwischen Persern und Arabern sitzt tief und hat vor zwei Jahrzehnten im Krieg zwischen der Mullahkratie und der Diktatur Saddam Husseins Millionen von Menschen das Leben gekostet. Jedes iranische Kind weiß, dass die Araber „Eidechsenfresser“ sind und manch frommer iranischer Muslim wundert sich, wie Allah dazu kam, sich ausgerecht einem „Kamelmilchsäufer“ zu offenbaren.

Die Iraner wissen um ihre Überlegenheit. Schon in Schulbüchern ist nachzulesen, dass der Name „Iran“ mit den Worten „Arisch, Arier“ verwandt ist – und die „Arier“ die „reine Rasse“ sind. Dieses Bewusstsein prägt die Beziehung der Iraner zu den arabischen und anderen Völkern.

„Unsere iranischen Bediensteten an der israelischen Botschaft hätten niemals aus einem Wasserglas getrunken, das zuvor einer von uns benutzt hat“, erinnert sich der Ex-Diplomat an seine Zeit in den 1980er Jahren in Teheran. Was ein Jude berührt hat, ist aus iranischer Sicht unrein.

Er berichtet weiter: „Wir kauften unsere Coca-Cola-Flaschen unweit unseres Hauses. Aber wir konnten die leeren Flaschen nicht dorthin zurückschicken, wo wir sie gekauft hatten. Dort hätte man sie niemals zurückgenommen. Wir schickten unseren Fahrer in einen anderen Stadtteil und er gab das Leergut in einem Geschäft zurück, wo man nicht wusste, woher sie kamen.“

Der Israeli fährt fort: „So denkt ein Großteil der Iraner.“ Um dann eine Erklärung zu bemühen, deren Absurdität nicht erst deutlich wird, wenn man die „Iraner“ durch „Deutsche“ ersetzt: „Aber die Iraner sind keine Antisemiten. Das haben sie einfach im Blut.“ Immerhin spürt man ihm die große Sympathie ab, die er dem Land entgegenbringt, das 1979 mit der islamischen Revolution über Nacht vom Freund zum Feind wurde.

Ajatollah Ruhollah Chomeini hatte sich von Anfang an den Export seiner islamischen Revolution auf die Fahnen geschrieben. Den bei weitem fruchtbarsten Nährboden dafür bot der Libanon. Dort lebte eine große, zurückgebliebene und vernachlässigte schiitische Bevölkerung, die sich nach mehr Einfluss sehnte, als ihr die Quotenregelung der Verfassung zugestand.

Die Hisbollah ist der lange Arm der iranischen Außenpolitik. Mit Finanzen aus Teheran reich ausgestattet eröffnete die „Partei Allahs“, was „Hisb-Allah“ übersetzt heißt, Apotheken, Polikliniken, Krankenhäuser und engagierte sich im Bildungswesen. Innerhalb von zwei Jahrzehnten wurde sie zur zentralen Macht im Libanon und ist heute vorderste Front des iranischen Einflusses im Nahen Osten. In Israel beobachtet man eine schleichende Destabilisierung des Libanon aufgrund des zunehmenden Einflusses von Hisbollah und Syrien mit großer Sorge.

Neben der Hisbollah an Israels Nordgrenze kann der Iran mittlerweile auch auf den palästinensischen Widerstand hoffen, sollte er sich gegen einen israelischen oder amerikanischen Angriff wehren müssen. Anfangs war vor allem der Palästinensische Islamische Dschihad Teheran hörig, doch in den vergangenen fünf Jahren sind auch andere militante Palästinensergruppen in iranische Abhängigkeit geraten.

Mit Saddam Hussein ist der letzte große arabische Sponsor palästinensischen Widerstands gegen Israel gefallen. Heute werden nicht nur die Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden, sondern auch die sunnitische Hamas vollständig vom Iran finanziert. Der palästinensische Premierminister Ismail Hanije selbst bezeichnete den Iran als „strategisches Rückgrat der Hamas“. Und eine Führungspersönlichkeit aus dem politischen Flügel der Hamas meinte auf einer Pressekonferenz in Teheran: „Die Islamische Republik Iran und wir befinden uns im selben Schützengraben.“

Die Amerikaner haben mit ihrer Invasion die Demokratie in den Irak gebracht. Mit demokratischen Mitteln wurden die Schiiten zur bestimmenden politischen Macht im Zweistromland. Und diese Mehrheit koordiniert ihr Vorgehen mit dem Iran. „Die Iraner übernehmen den Irak“, warnen israelische Iran-Experten und stellen fest: „Wer heute in Basra bauen möchte, muss sich die Genehmigung dafür in Teheran holen.“

Dabei sind die Perser sehr vorsichtig. Sie wollen nicht als Besatzer empfunden werden, sondern einfach nur das Sagen in den entscheidenden Bereichen haben. Trotzdem ist für Insider unübersehbar: Der Iran ist heute die bestimmende Macht im Irak. So beschuldigte der irakische Vizepremier Barham Saleh, ein Kurde, der enge Verbindungen zu Washington und Teheran unterhält, die USA und den Iran, ihren Konflikt auf irakischem Boden auszutragen.

Die weltweite Isolierung des säkularen Alawiten-Regimes in Damaskus als zentrales Verbindungsglied in der „Achse des Bösen“ hat Syrien in die Arme des Iran getrieben, der seinen Einfluss auf den Libanon und die Palästinensergebiete ohne Bischar el-Assad und sein Land nur schwer ausweiten könnte.

Dem Iran gelingt es, seinen Einfluss im Nahen Osten immer weiter auszudehnen, aller traditionellen Feindschaft zwischen Arabern und Persern zum Trotz. Vor allem Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist es gelungen, die Vorstellungs- und Gefühlswelt vieler Araber gefangen zu nehmen, indem er sich als Verteidiger der islamischen Welt gegen den aggressiven Westen profiliert hat. Dabei ist seine Unterstützung der national-religiösen Bestrebungen von Hamas und Islamischem Dschihad ein entscheidender Faktor.

Dabei ist er nicht von Wut oder blindem Fanatismus geleitet, sondern von eiskalter Berechnung. Mit großer Geduld und unbeirrbarer Zielstrebigkeit knüpft Ahmadinedschad an seinem „persischen Teppich“. Das zeigen auch seine diplomatischen Bemühungen um Südamerika und der Schulterschluss mit dem Präsidenten Venezuelas, Hugo Chavez.

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