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Strategie der Hisbollah: Islamische Politik, Terror und Wohltätigkeit

Angesichts der bevorstehenden Machtübernahme der schiitischen Hisbollah im Libanon befürchtet der Islamwissenschaftler Carsten Polanz vom Institut für Islamfragen eine weitere Destabilisierung der multikonfessionellen libanesischen Gesellschaft und eine Verschärfung des Nahostkonflikts. Laut Polanz stellt die Hisbollah schon lange eine Art "Staat im Staate" dar - mit eigenem Fernsehsender (Al-Manar-TV) und eigenem Banken- und Sozialsystem.

Auf der politischen Ebene setzt sich die Hisbollah für eine schrittweise Islamisierung der libanesischen Gesellschaft und eine Reform des konfessionellen Systems ein. Dabei pflegt sie seit ihrer Entstehung Anfang der 1980er Jahre engste Beziehungen zur islamischen Revolutionsbewegung im Iran. Im Zuge der anstehenden Machtübernahme der Hisbollah befürchten der bisherige Premierminister Sa´ad Hariri und seine Verbündeten daher die Schaffung einer „iranischen Basis“ im Libanon. Auf einer halb-geheimen Ebene operiert die schiitische Miliz, die durch ihre terroristischen Operationen 2000 den Abzug Israels aus dem Südlibanon erreichen konnte. Schließlich verübt die geheime Dschihad-Organisation der Hisbollah Anschläge auf westliche Ziele inner- und außerhalb des Libanon. So kamen beispielsweise bei Anschlägen auf amerikanische und französische Einrichtungen in Beirut 1982 und 1983 mehrere hundert Menschen um. Versuche einer Entwaffnung der Hisbollah sind in den vergangenen Jahren immer wieder gescheitert.

Trotz ihres militanten Charakters genießt die Hisbollah und ihr derzeitiger Führer Hassan Nasrallah heute innerhalb der libanesischen Bevölkerung, aber auch in anderen islamischen Ländern der Region Popularität wie nie zuvor – sogar über die Konfessionsgrenzen hinaus. Vor allem durch ihr soziales Engagement demonstriert sie Verbundenheit mit dem Volk. Sie unterhält ein umfangreiches Netzwerk karitativer Einrichtungen wie Kindergärten, Waisenhäuser und Krankenhäuser. An eigens gegründeten Schulen, Lehrwerkstätten und anderen Bildungseinrichtungen rekrutiert sie ihre zukünftige Wähler- und Anhängerschaft. Bis heute bekommt sie dazu jede Menge staatliche Unterstützung aus dem Iran und vom syrischen Baath-Regime.

Aufrichtung einer islamischen Herrschaft und Vernichtung aller Gegner

Vor allem in den frühen Verlautbarungen der Hisbollah manifestiert sich eine antiwestliche und antizionistische Einstellung. Ihr 2010 verstorbener geistlicher Führer, Muhammad Hussein Fadlallah, griff vor allem die Vorstellungen des iranischen Revolutionsführers Ajatollah Chomeini auf, wenn er seine Pläne zur Errichtung einer „Islamischen Republik Libanon“ skizzierte. In einer Art Parteiprogramm wird 1985 sogar der bedingungslose Gehorsam gegenüber dem „rechtgeleiteten Imam“ (Chomeini) und die Vernichtung aller inneren wie äußeren Gegner dieses Ziels gefordert. Man sieht sich angegriffen „durch die Tyrannen und die Hochmütigen des Ostens und des Westens“ und ruft zum „radikalen Kampf gegen alle Verderbtheit“ auf. Schließlich heißt es: „Amerika ist der Ursprung der Verderbnis.“ Diese Ideologie wird durch den Namen unterstrichen. Der Begriff Hisbollah kommt vom arabischen Hisb Allah und bedeutet „die Partei Allahs“. In Sure 5,56 des Korans wird der „Partei Allahs“ der Sieg über ihre Widersacher versprochen. Daran knüpft die Hisbollah bewusst an.

Wie viele andere islamistische und dschihadistische Gruppierungen sieht die Hisbollah Israel als „Vorhut der Vereinigten Staaten“. In ihrem Programm von 1985 wird das „zionistische Gebilde“ als „von Anfang an aggressiv“ beschrieben. Weiter heißt es, dass „unser Kampf erst dann enden wird, wenn diese Entität ausgelöscht ist. Wir erkennen keinen Vertrag mit ihr an, keinen Waffenstillstand und keine Friedensverhandlungen, ob separat oder gemeinsam.“ An dieser Position hat sich bis heute nichts geändert. Die Hisbollah sieht ähnlich wie die Hamas oder der Islamische Dschihad in der Taktik der Selbstmordanschläge das wirkungsvollste Mittel, um die Moral des israelischen „Feindes“ zu zerstören und die israelische Gesellschaft „in Angst und Schrecken“ zu versetzen. Von ihren eigenen Rekruten verlangt die Partei entsprechend der iranisch-schiitischen Märtyrertradition Opferbereitschaft bis zum Äußersten. Denn darin liegt für die Strategen der Hisbollah der größte Vorteil gegenüber den Israelis, die aus ihrer Sicht das Leben lieben und den Tod fürchten. Zur besseren Vernetzung ihrer Anhänger weltweit und zur Stärkung der „Moral der Widerstandskämpfer“ unterhält die Hisbollah zudem zahlreiche Internetseiten in verschiedenen Sprachen.

Gewalt als notwendiges Mittel zur Aufrichtung von Gerechtigkeit und Freiheit

Zugleich ist auch die Hisbollah bemüht, ihren Terror ethisch zu rechtfertigen und ihren Dschihad als einen rein defensiven Widerstandskampf gegen die verschiedenen feindlichen Aggressoren darzustellen. In ihrem Programm von 1985 beschreibt sie es als ihr Ziel, allen „Söhnen unseres Volkes zu ermöglichen ihre Zukunft zu bestimmen und in aller Freiheit die Form von Regierung zu wählen, die sie haben wollen“. Anschließend folgt der Aufruf, die „Option der islamischen Regierung zu wählen, die allein Gerechtigkeit und Freiheit für alle garantieren kann. Nur ein islamisches Regime kann jegliche weiteren Versuche einer imperialistischen Infiltration stoppen“. Aus dieser Perspektive gibt es keine Alternative zum Islam als alles umfassender Ordnung für die menschliche Gemeinschaft. Daher ist auch überall dort die Anwendung von Gewalt legitim, wo sie der Beseitigung von Hindernissen auf dem Weg der Islamisierung dient.

Seit dem Ende des Bürgerkrieges legt die Partei mehr Pragmatismus an den Tag und drückt sich in ihren offiziellen Verlautbarungen zurückhaltender aus. Angesichts der weiterhin engen Beziehungen zum schiitischen Gottesstaat der iranischen Mullahs muss dies allerdings noch lange kein Abschied von den ursprünglichen ideologischen Grundlagen bedeuten. Laut Polanz wird die zunehmende Macht der Hisbollah vielmehr die religiöse und politische Polarisierung der libanesischen Gesellschaft verstärken und die antiisraelische Stimmung in der Region weiter anheizen.

Die libanesische Regierungskrise war ausgelöst worden, nachdem zwölf Minister der Hisbollah und ihrer Verbündeten am 12. Januar ihren Rückzug aus dem Kabinett erklärt hatten und damit die Regierung des bisherigen Premierministers Sa´ad Hariri zum Scheitern gebracht hatten. Hariri hatte sich zuvor geweigert, seine Unterstützung für das UN-Tribunal aufzukündigen, das die Ermordung seines Vaters Rafik Hariri untersucht und voraussichtlich Anklage gegen Hisbollah-Mitglieder erheben wird.

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