Acht palästinensische Terroristen hatten 1972 bei den Olympischen Spielen in München das Quartier der israelischen Sportler überfallen. Sie nahmen die elf Israelis zunächst als Geisel und töteten sie bei einem Befreiungsversuch der deutschen Polizei. Dabei kamen auch ein deutscher Beamter sowie fünf der Täter ums Leben. Der Sporthistoriker Krüger sagte in seinem Vortrag, die israelische Mannschaft habe den Überfall der Terroristen erwartet und sei absichtlich in den Tod gegangen, um dem Staat Israel zu dienen.
Krüger hatte bereits zuvor im Hochschulsport-Magazin der Universität Göttingen, das in einer Auflage von 12.500 Exemplaren erscheint, seine Thesen verbreitet. Dort schrieb er: „Als die Attentäter in das olympische Dorf eindrangen, flüchtete einer der Geher als letzter aus dem israelischen Quartier über den Balkon. Er hatte zentimeterdicke Brillengläser, er war praktisch blind ohne Brille, und wenn einer wie er flüchten konnte, hätte jeder flüchten können. Aber die anderen wollten nicht. Sie hatten sich freiwillig gemeldet und wussten, dass die Palästinenser kommen würden.“
Krüger ist der Meinung, Israelis hätten „eine andere Vorstellung vom Körper“. In seinem Vortrag sprach der Historiker von einer Opferung der jüdischen Sportler durch den jüdischen Staat und stellte einen Zusammenhang her zu einer angeblichen Geringachtung ungeborenen Lebens und behinderter Menschen in der israelischen Gesellschaft. Israel versuche „Leben mit Behinderungen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern“. Zudem sei die Abtreibungsrate in Israel höher als in anderen westlichen Ländern.
„Verhöhnung der Opfer“ und ein „Skandal“
Der Historiker Norbert Gissel von der Universität Gießen, der ebenfalls an der Tagung teilgenommen hatte, zeigte sich gegenüber dem Deutschlandfunk empört: „Diese These ist durch keinerlei Quellen zu belegen und ist schlichtweg absurd. Letztendlich ist das für mich eine Verhöhnung der Opfer. Dieser Beitrag war ein Skandal und hat mit Wissenschaft nichts zu tun. Ohne seriöse Quellen wurde hier eine antijüdische Räubergeschichte, eine Verschwörungstheorie konstruiert.“
Auch der Sektionsleiter Geschichte der deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, Michael Krüger, von der Universität Münster, kritisierte gegenüber dem Deutschlandfunk, dass der Historiker für seine These keine Belege bringen konnte.
Wie das Magazin „Der Spiegel“ berichtet, hat der stellvertretende Botschafter Israels in Berlin, Ilan Mor, ein scharfes Vorgehen der deutschen Politik und der Universität Göttingen gegen den Sportwissenschaftler gefordert. Er sieht in dem Vortrag Krügers den Versuch, Israel zu beleidigen. „Das ist eine der schlimmsten Formen der Dehumanisierung des Staates Israel“, sagt Mor, „und eine Form des neu aufflackernden Antisemitismus in Deutschland, verpackt als Israelkritik.“
Der Präsident der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (DVS), Bernd Strauß, hält Krügers Vortrag laut „Spiegel“ für einen „sehr ernsthaften Vorgang“. Der DVS-Vorstand werde sich in der kommenden Woche mit dem Fall befassen. Krüger bestätigte seine Thesen indes in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Universität Göttingen. In dem Schreiben besteht er zudem darauf, kein Antisemit zu sein.