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Spannungen in Sderot: Der Waffenstillstand geht zu Ende

"Die Spannung liegt in der Luft. Der Waffenstillstand wird bald vorbei sein", sagt Ruti vom "Israel Project" während einer spontanen Führung durch Sderot. Auf einem Hügel am westlichen Rand der israelischen Grenzstadt Sderot zeigt sie auf die Lichter von Beth Hanun. "Von dort schießen die Palästinenser ihre Raketen. Vor drei Tagen landete wieder eine in einem Feld, ohne Schaden anzurichten." Über ihr zirpt eine Hochspannungsleitung. "Ich habe Angst. Noch nie habe ich den Strom so laut fließen gehört", sagt die junge Israelin aus Netiv Ha´Assarah, hart an der Grenze nördlich des Gazastreifens. "Jedes ungewohnte Geräusch versetzt uns in Schrecken."

Seit sieben Jahren ist die Kleinstadt Sderot fast täglichem Raketenhagel ausgesetzt. In ihrem Dorf ist Rutis Nachbarin Dana Galgakowitsch bei einem Raketenangriff getötet worden. In ihrem Büro hat Ruti neben Fotos der neun Toten von Sderot durch Kassam-Raketen auch ein Foto von Dana aufgehängt.

„Die Menschen sind psychologisch zermürbt.“ Experten reden von „post-traumatischen Symptomen“ bei etwa 90 Prozent der Bewohner. „Aber wie kann man von Post-Trauma reden, wenn sich das Trauma täglich wiederholt?“ fragt Ruti.

Die Idylle trügt

Offiziell leben in Sderot 24.000 Menschen. „Etwa 5.000 haben die Stadt verlassen, aus Angst, weil ihre Kinder den Stress nicht mehr durchhalten oder weil ihre Geschäfte pleite gegangen sind.“ Niemand könne eine genaue Zahl nennen. Einige wagen aus Patriotismus nicht, ihre Adresse im Personalausweis zu ändern. Andere leben in Sderot, gaben aber eine Adresse außerhalb von Sderot an, damit ihre Kinder jenseits der Reichweite der Kassam-Raketen die Schule besuchen können.

Vom Hügel aus wirkt Sderot wie eine Idylle. Der Vollmond beleuchtet die kleinen Einfamilienhäuser mit den roten Ziegeldächern. Hier leben vor allem Neueinwanderer. „Übrigens gibt es in Sderot auch Araber. Wie viele arabische Familien es sind, weiß ich nicht. Es ist auch einmal ein arabisches Haus von einer Rakete getroffen worden.“ Ruti tut sich schwer, die „Spannung in der Luft“ zu erklären und warum sie glaubt, dass der Mitte Juni von Ägypten zwischen Israel und der Hamas vermittelte Waffenstillstand bald nicht mehr halten werde. „Meine Freunde in Kerem Schalom, einem Kibbutz im Länderdreieck Ägypten, Gaza, Israel, werden heute viel öfter wegen Sicherheitsalarm gestört als vor dem Waffenstillstand“, erzählt Ruti.

Der Sicherheitsbeauftragte in Kerem Schalom, Jay, wird konkret: „Mit dem Fernglas sehen wir, wie die Hamas sich aufrüstet. Häufiger schicken sie Kinder und Unbewaffnete, teilweise um 3 Uhr Morgens, zum Grenzzaun. Sie prüfen unsere Aufmerksamkeit und proben die Fähigkeit, nach Israel einzudringen. Wenn wir sie schnappen, behaupten sie, Arbeit in Israel zu suchen oder zu einem Verwandten nach Hebron zu wollen.“ Für Jay ist klar, dass die Tahdija, die „zeitweilige Beruhigung“, mit einem „großen Bum“ enden wird, und dass der Krieg dann noch intensiver weitergeht.

Sprengstoff aus Zucker und Kunstdünger

Über fieberhafte Vorbereitungen „für die nächste Runde“ im Gazastreifen berichtet auch Paula Hancocks von CNN. Mit verbundenen Augen wurde sie zu einer Raketenfabrik gefahren. Trotz Kopftuch und „züchtiger Kleidung“ musste sie sich einen sackartigen Dschalabija überziehen. In einem winzigen Raum kochten Kämpfer der „Volkswiderstandskomitees“ mit einem defekten Gaskocher Sprengstoff aus Zucker und Kunstdünger. Die neuesten Raketenmodelle könnten sogar Aschdod und Kirijat Gat treffen, wo Intel Chips für Computer herstellt. Die Widerstandskomitees reklamieren für sich die Entführung des israelischen Soldaten Gilad Schalit vor zwei Jahren.

Mit Ruti geht es zurück ins Stadtzentrum. An jeder Ecke stehen Betonklötze. „Wenn der Alarm ‚Rote Farbe‘ kommt, sollte man sich innerhalb von 15 Sekunden in so einen Betonklotz retten oder flach auf den Boden werfen.“ Der Student im Sapir College sei auf dem Parkplatz durch Splitter getötet worden, weil er sich nicht auf den Boden geworfen habe.

Zum Pflichtbesuch in Sderot gehört ein Abstecher ins Kassam-Museum im Hof der Polizeistation. Vor zwei Monaten waren da noch über zweitausend verbogene Raketenreste auf Blechregalen gestapelt. „Die Polizei hat aufgeräumt. Jetzt liegen hier nur noch ein paar Hundert. Die Polizei rechnet fest damit, dass sich dieses Lager bald wieder füllt.“ Wann das passiert, kann niemand vorhersehen.

Aber Ruti hat eine böse Ahnung: „Vielleicht schon in zwei Wochen, wenn die Schulzeit wieder beginnt.“ Bis zum Waffenstillstand explodierten Raketen fast täglich gegen 7 Uhr morgens in der Stadt, wenn sich die Kinder schutzlos auf der Straße befinden, auf dem Weg zur Schule. Es gab auch Volltreffer auf Schulgebäude und Kindergärten. Nur durch ein Wunder gab es keine Toten. „Über der Haroeh-Schule wurde ein halbrundes Schutzdach errichtet. Es nützt heute nichts mehr. Denn das Dach wurde gegen Raketen mit maximal drei Kilo Sprengstoff konzipiert. Heute befördern die Raketen mindestens sechs Kilo Sprengstoff und noch dazu M-16-Gewehrkugeln. Nach dem Aufschlag und der Explosion gehen die Gewehrkugeln los. Die Raketen sind wie Streubomben.“

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