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Solidarität mit Sderot

"Die Leute hier werden im Stich gelassen, sowohl von Israel wie auch von der Weltgemeinschaft". Dies erklärt der Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft, Dr. Johannes Gerster, den Solidaritätsbesuch der Präsidien der deutsch-israelischen Gesellschaft und der Gesellschaft Schweiz-Israel in Sderot am 16. November 2008.

Gleich der erste von fünf Besuchstagen führte die Delegation in die bedrängte Stadt im nördlichen Negev. Von einem Hügel kann die Gruppe von etwa 40 Deutschen und Schweizern nicht nur die israelischen Wohnhäuser von Sderot überblicken, sondern auch den auf Sichtweite gelegenen Gazastreifen, die Stadt Beit Hanun und dahinter Gaza-Stadt. Gerster weiter: „Die Leute hier leben unter einem gewaltigen Druck und kein Mensch in der Welt interessiert sich dafür. Da wollen wir ein kleines Signal setzen“.

Im Sapir-College am östlichen Rand von Sderot studieren Drusen, Araber, Christen und Juden miteinander – und leiden gemeinsam unter dem post-traumatischen Syndrom eines jahrelangen Raketenbeschusses. Die 1976 gegründete Hochschule wird heute von 7.000 Studenten besucht, hat 13 Fakultäten und ist damit das größte staatliche College in Israel. Bis zum Jahr 2000 haben am Sapir-College nicht nur Palästinenser aus Gaza studiert, sondern auch palästinensische Professoren unterrichtet. Die Dozentin Dr. Ruthie Eitan erzählt, wie sie jetzt nicht nur mit der eigenen Angst fertig zu werden sucht, sondern auch ihren Studenten eher „Mutter als Professorin“ sein will: „Wenn der Alarm kommt, haben wir fünfzehn Sekunden Zeit, um Deckung zu suchen. Weil das viel zu kurz ist, bleiben die meisten nur sitzen und hoffen, dass die Raketen woanders einschlagen.“

Ständiger psychischer Druck

Seit April 2001 fielen mehr als 10.000 Raketen und Mörsergranaten vom Gazastreifen auf die Stadt, die 1956 von Neueinwanderern aus Nordafrika, dem Iran und Kurdistan gegründet worden war. Mit der Einwanderungswelle aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion hatte sich die Zahl der Einwohner von Sderot Anfang der 1990er Jahre dann schlagartig auf heute 24.000 Menschen verdoppelt. Zwölf Menschen wurden bislang durch den palästinensischen Beschuss getötet. Doch es ist weniger die unmittelbare Lebensgefahr, die den Menschen zu schaffen macht, als vielmehr der ständige psychische Druck und die unmittelbaren Folgen für das tägliche Leben.

Der Besuch der Schweizer und deutschen Freundschaftsdelegationen fällt praktisch mit dem Ende eines fünfmonatigen Waffenstillstands zwischen der radikal-islamischen Hamas, die den Gazastreifen beherrscht, und dem jüdischen Staat Israel zusammen. Vier Mitglieder der bewaffneten Salah a-Din-Brigaden der palästinensischen Volkswiderstandskomitees im Gazastreifen fielen bei dem Versuch, Raketen auf Sderot zu schießen, am Morgen des Besuchstages einem israelischen Luftangriff zum Opfer. Nachdem am frühen Morgen des Tages zwei Kassamraketen auf offenem Feld eingeschlagen hatten, ohne größeren Schaden anzurichten, wurde kurz nach Abfahrt der deutsch-schweizerischen Delegation ein Einwohner bei einem Raketeneinschlag von Granatsplittern verletzt. Weitere Israelis mussten wegen Schockverletzungen behandelt werden.

Olmert fordert Aktionsplan

Am Abend äußert sich das israelische Kabinett zum Wiederaufflammen der Gewalt um den Gazastreifen und machte dafür ausschließlich „die Hamas und andere Terror-Organisationen im Gazastreifen“ verantwortlich. Regierungschef Ehud Olmert gibt bekannt, dass er Sicherheitsexperten angewiesen habe, ihm einen Aktionsplan vorzulegen, der die vollkommene Ruhe im Süden des Landes wieder herstellen werde. Vor laufender Fernsehkamera fordern die aufgebrachten Bewohner von Sderot ein Ende der Gewalt – mit allen Mitteln. Der neu gewählte Bürgermeister David Buskila bemüht sich, seine Ratlosigkeit in Worte zu fassen. Ein Einmarsch der israelischen Armee in den hochgerüsteten Gazastreifen scheint nur eine Frage der Zeit.

„Die Bundesregierung kann hier keine Vermittlerrolle übernehmen“, ist Johannes Gerster überzeugt. „Sie muss aber jetzt auf dem Hintergrund einer neuen US-Regierung eine neue Initiative in Europa in Gang setzen. Mit Hilfe einer Reihe von arabischen Staaten sollte eine neue Friedensinitiative in Gang kommen. Durch Gewalt ist dieser Konflikt nicht zu lösen, nur am Verhandlungstisch!“ Dabei will Gerster, der jahrelang die Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel geleitet hat und gute persönliche Verbindungen auf israelischer wie palästinensischer Seite pflegt, auch einen Dialog mit gemäßigten Hamas-Leuten nicht ausschließen, um diese zu einer realistischeren Politik zu bewegen.

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