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Soldaten: „Keine Rücksicht auf Zivilisten bei Krieg im Gazastreifen“

GAZA (inn) - Gegen das Vorgehen der israelischen Armee während der Operation "Gegossenes Blei" im Gazastreifen wurden erneut schwere Vorwürfe aus den eigenen Reihen laut: Unter anderem sollen Soldaten Palästinenser als menschliche Schutzschilde missbraucht haben. Entsprechende Augenzeugenberichte veröffentlichte die israelische Organisation "Breaking The Silence" am Mittwoch.

Wie die Tageszeitung „Jediot Aharonot“ berichtet, äußerten sich mehr als 30 Soldaten anonym schriftlich und in Videoaufnahmen zu den Vorfällen im Gazastreifen. Ihre Aussagen widersprechen den Angaben der Armeeführung nach denen alles Mögliche zum Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung getan wurde. Wie die Soldaten aussagten, wurden sie von ihren Vorgesetzten dazu aufgefordert, das eigene Leben nicht zu riskieren. Das Motto lautete: „Wenn du dir nicht sicher bist, töte“, erzählte einer der Soldaten. „Die Feuerkraft war irre. Wir sind rein und die Explosionen waren einfach verrückt. In der Minute in der wir an unserer Ziellinie eintrafen, begannen wir, auf verdächtige Ziele zu schießen. Im Häuserkampf ist jeder dein Feind. Es gibt keine Unschuldigen“, so der Armeeangehörige. Ziel sei es gewesen, so wenig eigene Verluste wie möglich zu haben, um sich die Unterstützung der israelischen Zivilbevölkerung zu sichern.

„Sie haben uns nicht angewiesen, auf alles zu schießen, was sich bewegt. Aber wir wurden allgemein angewiesen: ‚Wenn du dich bedroht fühlst, schieße‘. Sie haben uns immer wieder gesagt, dass das Krieg ist und im Krieg ist das Eröffnen des Feuers nicht verboten“, erzählt ein anderer Augenzeuge. Die Armee habe die Zivilbevölkerung vor Angriffen zwar durch Flugblätter gewarnt, wer jedoch nicht rechtzeitig fliehen konnte, musste um sein Leben bangen.

Laut dem Bericht ist dieses Verhalten offenbar die Folge der Lehre, die aus dem Zweiten Libanonkrieg gezogen wurde. Damals hatte die Armee hohe Verluste zu verzeichnen. Während der dreiwöchigen Offensive gegen die Hamas im Gazastreifen kamen zehn Soldaten ums Leben – einige von ihnen wurden durch Feuer aus den eigenen Reihen getötet.

Benutzte die Armee menschliche Schutzschilde?

Ein weiterer schwerer Vorwurf lautet auf den Missbrauch von palästinensischen Zivilisten als menschliche Schutzschilde. Einige Soldaten gaben an, dass Palästinenser als Vorhut in Häuser geschickt wurden, in denen Hamas-Kämpfer vermutet wurden. Diese in Israel verbotene Methode sei „Johnny“ genannt worden. Mit „Johnnys“ waren die Einwohner von Gaza gemeint. Teilweise hätten die Soldaten sich hinter den Palästinensern versteckt und diesen ihren Gewehrlauf auf die Schulter gelegt. In einigen Fällen seien Zivilisten gezwungen worden, Löcher in Hauswände zu schlagen. Auf diese Weise sollte überprüft werden, ob die Häuser vermint waren. Das meldet die Tageszeitung „Ha´aretz“.

Einsatz von weißem Phosphor

Laut den Zeugenberichten, habe die Armee entgegen ihren eigenen Angaben, Phosphorbomben auf die Straßen von Gaza-Stadt abgefeuert. Diese hätten „massive Zerstörung“ ausgelöst, die in keiner Relation zu einer direkten Bedrohung der israelischen Einheiten gestanden habe.

Armee will Beschwerden prüfen

Die Armee veröffentlichte nach bekanntwerden der Augenzeugenberichte eine Stellungnahme. Darin hieß es: „Die Armee bedauert die Tatsache, dass eine Menschenrechtsorganisation Israel und der Welt einmal mehr einen Bericht präsentiert, der allgemeine und anonyme Zeugnisse enthält, ohne die Details oder die Vertrauenswürdigkeit zu ermitteln, und ohne der Armee eine Chance zu geben – eine minimale Fairness – die Angelegenheiten zu prüfen und vor ihrer Veröffentlichung darauf zu reagieren.“ Die Armee habe sich dazu verpflichtet, jede Beschwerde zu prüfen.

Die Mehrheit der Soldaten, die gegenüber „Breaking The Silince“ aussagten, dienten noch immer in der Armee und hätten sich in „großer Verzweiflung“ an die Organisation gewandt, heißt es laut „Jediot Aharonot“. „Breaking The Silence“ („Die Stille brechen“) wurde von Armee-Veteranen gegründet, die nicht darüber Schweigen wollen, was sie in ihrer Militärzeit erlebten. Sie sammelt Zeugnisse von Soldaten, die in den Palästinensischen Autonomiegebieten gedient haben. Zeugnisse zu den Vorfällen im Gazastreifen finden Sie auf der Internetseite der Organisation unter www.shovrimshtika.org.

Die Vorwürfe aus den eigenen Reihen zur Offensive im Gazastreifen sind nicht die einzigen. Bereits im März hatten israelische Soldaten ähnliche Beschuldigungen erhoben.

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