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Skepsis zu arabischen Revolten

JERUSALEM (inn) - Zwei israelische Forscher und ein ehemaliger Botschafter in Kairo haben eine sehr skeptische Prognose zu den Umstürzen und Revolutionen in der arabischen Welt abgegeben. Sie sprachen in Jerusalem vor einem Publikum von Akademikern und Diplomaten.

Der Politologe und ehemalige Generaldirektor des Außenministeriums, Professor Schlomo Avineri erinnerte daran, dass selbst die französische Revolution hundert Jahre lang Terror und Diktatur hervorgebracht habe. Er erwähnte Robespierre, die Guillotine und Napoleon – erst danach sei in Frankreich tatsächlich die Demokratie eingeführt worden. "Dazu benötigt man eine stabile Mittelklasse und eine funktionierende Zivilgesellschaft. Beides gibt es weder in Ägypten noch in Syrien, dem Jemen oder gar in Libyen."

Die vielfach in Europa geführte Diskussion, ob der Islam demokratiefähig sei, beruhe auf einer falschen Voraussetzung. "Keine Religion, weder Judentum, Christentum, noch Islam, ist demokratisch. Wer an die Souveränität Gottes glaubt, kann als gläubiger Mensch nicht menschliche Vernunft über Gott stellen." Als Beispiel erwähnte Avineri die katholische Kirche. Bis vor hundert Jahren habe die Kirche die Demokratie als den größten Feind für ihren Bestand gesehen. Doch dann sei die Kirche zur Ansicht gelangt, römische Kaiser, Diktaturen und den Kommunismus überlebt zu haben. Deshalb werde die Kirche am Ende auch die Demokratie überleben.

David Sultan, ehemaliger israelischer Botschafter in Kairo, erklärte bei der von Ex-Botschafter Avi Primor moderierten Konferenz unter dem Titel "Perspektiven zum derzeitigen Maestrom im Mittleren Osten", dass die Revolution in Ägypten weder Demokratie noch Freiheit gebracht habe. Seit dem Sturz des Königs 1952 hielten die Militärs die Macht in der Hand. Die gesamte ägyptische Industrie werde von hohen Offizieren kontrolliert und gelenkt, sogar die Tourismusindustrie, der Suezkanal und die Ölfelder auf dem Sinai, die drei wichtigsten Einnahmequellen Ägyptens.

Sultan sagte, dass in Ägypten vor 30 Jahren nur 40 Millionen Menschen gelebt hätten, heute seien es schon 80 Millionen. Jedes Jahr müssten Zehntausende neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Allein angesichts dieser Bevölkerungsexplosion könne sich Ägypten heute keinen Krieg gegen Israel mehr leisten. "Deshalb bin ich zuversichtlich, dass der Frieden halten wird. Denn er ist ein ureigenes Interesse der Herrschaftsklasse, auch wenn dieser Frieden in den Herzen der Bevölkerung noch nicht angekommen ist."

Um ihren Einfluss und die Machtpositionen nicht zu verlieren, hätten die Militärs Präsident Hosni Mubarak geopfert. Ob sie im September dann nach Wahlen die Macht abgeben wollen, bezweifelt Sultan, da es in Ägypten eigentlich keine politischen Parteien gebe. Weiter sagte er, dass sich das Regime unter Mubarak nicht in die religiösen Angelegenheiten und die Moscheen eingemischt habe. Trotz Facebook und Twitter bildeten die Moscheen immer noch einen zentralen Sammelpunkt für die Masse der Menschen. Dort und nicht mit den modernen Kommunikationsmitteln würden politische Ansichten geprägt und Informationen weitergegeben.

Künstliche Grenzen stehen Demokratie im Wege

Eine sehr pessimistische Sicht bestimmte der Vortrag von Dr. Schmuel Bar vpm Institut für Politik und Strategie in Herzlija. Bar erwähnte die von den Kolonialmächten gezogenen Linealgrenzen der künstlich geschaffenen arabischen Staaten von Marokko bis zum Irak. "Diese Staaten, in denen teilweise feindselig gesinnte Stämme willkürlich zusammengewürfelt worden sind, befinden sich heute in einem Auflösungszustand." Am deutlichsten sei das in Libyen zu sehen, doch auch in Syrien lebten Kurden und Sunniten unter einer Diktatur der Alawiten. Bekannt sei auch der Irak mit seinen drei verfeindeten Volksgruppe: Kurden, Schiiten und Sunniten.

Bar meinte, dass die Aufstände in den arabischen Staaten unterschiedlich ausgehen würden. Im Jemen handle es sich am ehesten um einen klassischen Militärputsch. In Bahrein mische der Iran mit, um das sunnitische Königshaus zu stürzen und die Bevölkerungsmehrheit von 80 Prozent Schiiten an die Macht zu bringen. Das könnte fatale Folgen für andere Länder der Region haben, darunter die Ölemirate am Persischen Golf. Deshalb sei das saudische Militär in Bahrein einmarschiert, letztlich, um das eigene Königshaus zu schützen.

Besonders gefährlich sei die Entwicklung in Pakistan. Den Staat gebe es eigentlich gar nicht mehr, während sich auch dort die Stämme gegenseitig bekämpften. Pakistan sei jedoch eine Atommacht. Um sich zu behaupten, um dem Einfluss des Iran auf die Schiiten in den eigenen Grenzen zu kontern, könnten künftige Herrscher nach den Revolutionen sich jeweils auch Atombomben zulegen, um der Welt zu zeigen: "Hier bin ich, Ihr müsst mich ernst nehmen." Bar schloss mit den Worten: "Im Mittleren Osten werden dann keine Blumen mehr wachsen, bestenfalls Pilze…"

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