Sie bedaure nichts, sagt die 30-jährige, die vor kurzem aus der Haft entlassen wurde, aber die Zeiten hätten sich geändert. „Ich möchte einer Friedensgruppe beitreten“, sagt sie und ergänzt: „Ich bin jetzt bereit, mit Israelis zu sprechen, näher ranzukommen.“
Wie die Nachrichtenagentur AP am Montag berichtete, sei ein solcher Sinneswandel unter Palästinensern im Westjordanland immer häufiger zu beobachten. Der Begeisterung für den Kampf gegen Israel sei einer Kriegsmüdigkeit und der Frage nach dem Sinn der Gewalt gewichen.
Rache und Frust
Der Fall lässt einen Blick auf die Motive von Selbstmordattentätern werfen, schreibt AP. Die gelernte Frisörin selbst gab an, sie habe die Palästinenser rächen wollen, die unter israelischen Truppen litten. Ihre ehemalige Arbeitgeberin vermutete jedoch, dass sie auch unter ihrer Scheidung und an Depressionen gelitten habe. Somit scheinen persönliche und politische Beweggründe zusammengekommen zu sein.
Al-Kudsi ist eins von zehn Kindern, heiratete mit 16 einen Cousin und bekam eine Tochter. Aber die Ehe wurde bereits zwei Jahre später geschieden, die junge Mutter kehrte mit Kind zu den Eltern nach Tulkarm im Westjordanland zurück und verdiente selbst ihren Lebensunterhalt.
Als im Jahr 2000 die sogenannte „Al-Aksa-Intifada“ ausbrach und Israelis das Westjordanland wiederbesetzten, habe sie sich rächen wollen, erklärt die Frau. Besonders die Demütigung des damaligen Palästinenserführers Jasser Arafat, dem der Ausgang aus seinem Hauptquartier untersagt wurde, habe sie damals wütend gemacht.
Sprengstoff unterm Umstandskleid
Im Jahr 2002 habe sie Kontakt zu den Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden aufgenommen, einer Untergruppe der Fatah-Partei, um ein Selbstmordattentat zu begehen. Als sie nach einem Monat Bedenkzeit weiter dazu entschlossen war, gab man ihr einen Auftrag.
Ihr wurde eine Weste mit über zehn Kilogramm Sprengstoff angepasst, die sie unter einem Umstandskleid tragen sollte. Der Plan sah eine als israelischer Sanitäter verkleidete Begleitung vor, die sich Minuten nach ihr in die Luft sprengen sollte, um israelische Rettungskräfte zu töten. Das Attentat sollte in der israelischen Küstenstadt Netanja stattfinden.
Aber die Israelis waren über die Pläne informiert worden. In einer Nacht im April 2002 wurde Al-Kudsi zu Hause festgenommen und zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Ihrem Anwalt Chaled Dasuki zufolge habe sie eine recht milde Strafe erhalten, da kein Sprengstoffgürtel gefunden wurde. Der Plan sei erst am Anfang gewesen und seine Mandantin hätte ihn nicht vollendet, glaubt er.
Ihr Gefängnis beschreibt Schifa Al-Kudsi als dreckiges Loch in dem es von Ungeziefer gewimmelt habe. Bei der Verhaftung sei sie geschlagen worden und Wächter hätten Tränengas gegen störende Häftlinge eingesetzt.
„Jetzt will ich mit Israelis ins Gespräch kommen“
Das Schlimmste an der Haft sei aber die Trennung von ihrer heute 13-jährigen Tochter Diana gewesen. Auf die Frage, wie sie geplant haben könne, ihr Kind als Waise zurückzulassen, antwortet sie: „Allah hätte sie versorgt.“
Jetzt, nach der Haft, lebt die Frau vorerst wieder bei ihren Eltern in Tulkarm. Sie arbeitet in einer Hilfsorganisation für Häftlinge, will Sozialarbeit studieren und wolle mit gewöhnlichen Israelis ins Gespräch kommen, um deren Geschichte zu hören und ihre eigene zu erzählen.
„Ich bedaure nicht, was passiert ist“, sagt Al-Kudsi. Sie habe die Welt auf die leidenden Palästinenser aufmerksam machen wollen, aber zu der Zeit nicht als Mensch gedacht. „Ich wollte nur Rache. Wenn ich besser darüber nachgedacht hätte, hätte ich diese Entscheidung vielleicht nicht getroffen.“