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Von Schnurbein für ein Europa ohne Antisemitismus

Die Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Kommission Katharina von Schnurbein ist zu Gast in Jerusalem. Sie spricht von Fortschritt und Herausforderungen im Kampf gegen Judenhass.
Von Israelnetz
Katharina von Schnurbein Antisemitismusbeauftragte Jerusalem

JERUSALEM (inn) – Über „Reflexionen über den Kampf gegen Antisemitismus: Fortschritt und Herausforderungen“ hat Katharina von Schnurbein am Dienstagabend in Jerusalem gesprochen. Seit Dezember 2015 ist von Schnurbein Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Kommission.

Seit 2019 und der Amtsübernahme von Ursula von der Leyen (CDU) als Präsidentin der Europäischen Kommission hat sich von Schnurbeins Titel von der „Beauftragten zur Bekämpfung von Antisemitismus“ zur „Beauftragten zur Bekämpfung von Antisemitismus und der Förderung jüdischen Lebens“ gewandelt. „Beide Aspekte sind gleichermaßen wichtig“, betonte sie vor etwa 80 Gästen.

Veränderung in sieben Jahren

Seit ihrem vorigen Besuch in Jerusalem 2015 habe sich eine Menge verändert, sagte von Schnurbein. „In Europa war die Zeit einerseits geprägt durch die Flüchtlingskrise und auf der anderen Seite durch die Bedrohung von Terroranschlägen.“

Für die Europäische Union sei es damals keine leichte Zeit gewesen. „Es war unklar, ob England die Europäische Union verlassen und wer in den USA Präsident werden würde.“ Nach sieben Jahren wolle Schnurbein heute eine Bestandsaufnahme zum Kampf gegen den Antisemitismus wagen. 

Vieles habe sich verändert und auch die EU-Länder hätten sich verändert. In Anlehnung an die biblische Josefs-Geschichte fragte von Schnurbein, ob die vergangenen Jahre die „sieben mageren Jahre“ gewesen seien und „nun die sieben fetten Jahre“ folgten.

Heute stünden die 27 EU-Staaten fest zusammen. Trotz vorhandener Herausforderungen innerhalb der EU zeige sich die Stärke und Einheit heute so stark wie nie zuvor. Dies habe sich vor allem in der Corona-Pandemie und als Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gezeigt. Beide Krisen hätten die EU nur gestärkt, „wo es uns auch hätte auseinanderreißen können“.

Der Antisemitismus sei heute ein reales Problem in Europa. Vor allem im Zuge der Corona-Pandemie seien viele Verschwörungstheorien aufgekommen – und „wo Verschwörungstheorien existieren, ist Antisemitismus längst vorhanden“. Verschwörer brauchten Sündenböcke, und da seien Juden als Ziel nicht weit. 

Für jede freie Demokratie stelle Antisemitismus eine Bedrohung dar. Die Angriffe auf die Synagoge in Halle und Pittsburgh seien auch Angriffe auf die freie westliche Welt gewesen.

Ein Strategiepapier mit klarem Ziel

Lange habe die EU den Einfluss von Antisemitismus auf jüdische Gemeinschaften unterschätzt, ergänzte von Schnurbein. Im Oktober 2021 sei erstmals ein „Strategiepapier zum Kampf gegen Antisemitismus und der Förderung jüdischen Lebens“ veröffentlicht worden. 

Die Strategie gründe sich auf drei Säulen. Das Ziel sei eine Europäische Union, die frei von antisemitischem Hass und Gewalt sei – ob online oder offline. Weiterhin sollte die europäische Gesellschaft ein Bewusstsein für jüdisches Leben, Kultur und Geschichte entwickeln und ein Umfeld bieten, in dem sich Juden sicher fühlten. Schließlich wolle sich Europa seiner Geschichte erinnern und durch Forschung und Bildung in die Zukunft blicken. 

Konkret werde das Papier in etwa 100 Initiativen, die bis 2030 umgesetzt werden sollen. Etwa 70 seien bereits verwirklicht. Dabei deckten die Initiativen alle relevanten Bereiche ab. So gehe es darum, dem Online-Antisemitismus die Stirn zu bieten, Methoden zur Datenerfassung zu erheben und in Bildung, Forschung und Sicherheit zu investieren. Ein großer Bereich sei die Frage der Holocausterinnerung. All das solle sicherstellen, dass Juden ihre religiösen und kulturellen Traditionen in Europa ausleben könnten.  

„Wir sind nicht naiv, doch das ultimative Ziel muss uns immer vor Augen sein: Ein von Antisemitismus freies Europa.“ Innerhalb der EU gebe es inzwischen zahlreiche Antisemitismusbeauftragte. Diese träfen sich zweimal jährlich zum Austausch. 

Bei ihrem Amtsantritt habe lediglich Norwegen eine Strategie zur Bekämpfung des Antisemitismus gehabt, sagte von Schnurbein. Sie hätte sich mit ihnen beraten und seit vergangenem Jahr hätten auch alle 27 EU-Mitgliedsstaaten eine solche Strategie unterzeichnet.

Definition für Antisemitismus

Die Politikerin erinnerte an die Antisemitismusdefinition, die die Internationale Allianz zum Holocaust-Gedenken (IHRA) 2016 herausgab: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden äußern kann. Rhetorische und physische Äußerungen des Antisemitismus richten sich gegen jüdische oder nichtjüdische Personen und/oder deren Eigentum, gegen jüdische Gemeindeeinrichtungen und religiöse Einrichtungen.“ Dabei werde häufig der Staat Israel mit der gesamten jüdischen Gemeinschaft gleichgesetzt und das führe zu einem israelbezogenem Antisemitismus.

In einer Umfrage von 2018 hätten die meisten Juden angegeben, mit israelbezogenem Antisemitismus konfrontiert worden zu sein. Die Durchsetzung der IHRA-Antisemitismusdefinition sei in der EU nicht unumstritten gewesen. „Aber wir sehen, dass diese Definition funktioniert und auch deshalb unter Beschuss steht.“

Von Schnurbein ist überzeugt, dass diese Definition eine gute Grundlage für die Arbeit der EU bietet. „Nach EU-Rechtslage ist die Holocaustleugnung verboten. Doch eine Holocaustverharmlosung ist viel schwieriger zu greifen.“ Es müssten Wege gefunden werden, etwa, wenn durch Künstliche Intelligenz (KI) ein Konzentrationslager erschaffen würde, in dem sich die Insassen darüber unterhielten, dass die Inhaftierung ja gar nicht so schlimm sei, wie landläufig angenommen, weil die Mahlzeiten gestellt würden und es Duschen gebe. Von Schnurbein macht deutlich: „Wir wollen versichern, dass KI keinen neuen Antrieb für Antisemitismus gibt.“

Über Bildung Verständnis für jüdische Kultur schaffen

Unter all den Projekten nennt von Schnurbein ihr „Lieblingsprojekt: Die EU hat sich verpflichtet, bis Ende 2030 etwa drei Milliarden Bäume zu pflanzen“. Weil die wenigsten EU-Bürger etwas mit dem jüdischen Baumpflanzfest TU BiSchwat anfangen könnten, sollten die EU-Baumpflanzungen mit diesem Fest verknüpft werden. Mit einem Augenzwinkern merkt Schnurbein an: „Auch wenn das Baumpflanzen im Februar etwa in Finnland durchaus mit Herausforderungen verbunden ist, können Kinder eine Ahnung von TU BiSchwat bekommen.“

Bei ihrer Rede zeigte sich von Schnurbein humorvoll: Wenn jemand das Strategiepapier nach hebräischer Art lese, also von rechts nach links, laute der erste Satz: „Europa kann nur florieren, wenn auch seine jüdischen Gemeinden florieren.“

Zu der Veranstaltung eingeladen hatte der Israelische Rat für Auswärtige Beziehungen (ICFR). Die Organisation möchte eine Plattform bieten für die Diskussion und Analyse internationaler Angelegenheiten. Der ICFR steht unter der Schirmherrschaft des Jüdischen Weltkongresses. (mh)

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10 Antworten

  1. „Dabei werde häufig der Staat Israel mit der gesamten jüdischen Gemeinschaft gleichgesetzt und das führe zu einem israelbezogenem Antisemitismus.“

    Dieser Zusatz macht die IHRA-Definition zu einer Farce, denn es ist Israel, dass den Anspruch erhebt, für „die jüdische Gemeinschaft“ sprechen zu können, was angesichts der Tatsache, dass die Mehrheit der Juden dieser Welt weder Bürger Israels sind, noch in Israel leben eine Chuzpe ist.

    Da ist die „Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus“ (JDS) von 2022 mit ihrer AS-Definition sehr viel unmißverständlicher und klarer und verzichtet auf den zionistischen Kampfbegriff eines vermeintlichen „israelbezogenen Antisemitismus“.

    Die JDA enthält 15 Richtlinien, davon fünf allgemeine und zehn spezielle zu Israel und Palästina. Diese reagieren auf die IHRA-Beispiele und die öffentliche Debatte zum selben Thema. Einige Richtlinien heben die Autoren selbst hervor: Nach Richtlinie 10 ist es antisemitisch, das Recht von Juden zu bestreiten, kollektiv und individuell als Juden im Staat Israel zu existieren und zu gedeihen. Dies widerspreche nicht den Richtlinien 12 und 13, wonach Kritik am Zionismus, Argumente für eine andere, volle Gleichheit garantierende staatliche Verfassung für die Region „zwischen dem Fluss und dem Meer“ und empirische Kritik am Staat Israel, seinen Institutionen und Gründungsprinzipien nicht antisemitisch seien. Die 14. Richtlinie erklärt die antiisraelische Kampagne Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) zu einer Protestform gegen Staaten, die nicht per se antisemitisch sei.

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    1. Ich finde es auch immer wieder interessant, wenn die s.g. „Heimstätte der Juden“ oder „das den Juden von Gott versprochene Land“ angeblich gar nichts mit „den Juden“ zu tun haben soll.

      1
    2. Sie ist antisemitisch, auch wenn BDS-Verfechter es noch hundertmal bestreiten.

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    1. Wieso, kümmern sich PA, Syrien, Irak um die Bekämpfung des Antisemitismus? Oder alle arabischen Länder bis vor ein paar Jahren?
      Sicher täusche ich mich, wenn ich davon ausgehe, dass die PA für die Ermordung oder auch „nur“ den Mordversuch an israelischer Staatsbürgern extrem generöse Prämien aussetzt?!
      Ego te absolvo! Beati …

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  2. von Schnurbein ihr „Lieblingsprojekt: Die EU hat sich verpflichtet, bis Ende 2030 etwa drei Milliarden Bäume zu pflanzen“, kein Wunder, da es ja das Einfachste ist, dieses Baumpflanzen anzustoßen und zu finanzieren.
    Warum erwähnt Sie nicht den stark vorhandenen Antisemitismus innerhalb der EU-Kommission und bei so vielen EU-Parlamentariern? Das ist ein Haupt-Projekt, dass täglichen, wirklichen Einsatz erfordert und nicht nur mit schönen Worten und Gesten zu erledigen ist.

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  3. es wäre schon fast amüsant (wenn es nicht bitter und traurig wäre!), wie die „Israelkritiker“ und Antisemiten bereits auf diese Aussage reagieren. Obwohl jeder weiss, dass diese Aussage nur leere Worte sind, fühlen sich bereits gewisse Menschen und Kreise bereits in ihrem Antisemitismus eingeschränkt.

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  4. Ein Europa immer mehr ohne Gott – kann auch nicht ein Europa sein, dass Israel aus der Perspektive Gottes sieht. Der allmächtige Gott wird an seinem Volk, seine Größe und seine Macht demonstrieren, dass es auch alle „Zweifler & Lästerer“ ganz klar erkennen können.
    Lieber Gruß Martin

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  5. Eigentlich ist es nach der Shoa mehr als unfassbar, nach 6 Millionen bestialisch ermordeten Menschen
    von Deutschen und ihren Handlangern, dass es bei EU und in der BRD Antisemitismus Beauftragte geben muss. Eine Selbstverständlichkeit wäre es, jegliche Form von Judenhass im Keim zu ersticken, ja, und endlich mal die Unwahrheiten der arabischen Welt über die Staatsgründung aufzuarbeiten, im Besonderen die Annektionen von Jordanien. WJL/Jerusalem damals, zu allem schwieg die Weltbevölkerung und die Lügen waren geboren bis heute. Besonders von der UNO.
    Übernommen in arab. Schulbüchern, im Internet usw.
    Die BDS mauschelt mit ihren Kulturellen von: Wir sind nicht antisemitisch…. dahin. Dabei sind sie nichts anderes als damals die deutschen Nazis. Kauft nicht bei Juden! Heute: Israel wirtschaftlich vernichten!
    Es interessiert BDS nicht, dass damals bei Soda Stream hunderte Pal- Araber ihre Arbeit verloren, sie
    ihre Familien nicht mehr ernähren konnten. Abbas schafft keine Arbeitsplätze, lediglich Juden- Mord lohnt sich. Für alles im PA-Gebiet benötigt er unsere Steuergelder.
    Wenn mir einer sagt, dass er/sie nicht antisemitisch ist, muss ich schon lachen. Denn solche sind die übelste Sorte.

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    1. Wer Israelnetz aufmerksam liest, zeigt wie der BDS der Bevölkerung der palästinensischen Autonomiegebiete schadet, wenn Arbeitsplätze ins Kernland verlegt werden und die Menschen Anfahrtswege mit Grenzkontrollen haben, oder den Arbeitsplatz ganz verlieren. Ich erinnere mich noch an den Bericht Zollvorteile Israels nicht für Produkte aus den Autonomiegebieten nutzen zu können, da jemand von der EU das Gebiet anders eingestuft hat, wodurch sich die Produkte verteuern würden und vielleicht nicht mehr gekauft werden.

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