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Schlammschlacht auf höchstem Niveau

Das Ansehen des Staates Israel ist im Eimer. Die Lehrer winden sich, wenn sie ihren Schülern erklären sollen, was der, dessen Bild in fast jedem Klassenzimmer hängt, getan haben soll. Dabei ist gar nicht so entscheidend, ob er tatsächlich getan hat, was ihm vorgeworfen wird. Sollte sich der Verdacht als unbegründet erweisen, wäre das für die israelische Gesellschaft noch schlimmer. Dann wäre nämlich bewiesen, dass die einfachsten Grundsätze einer freien Gesellschaft mit Füßen getreten wurden. Niemand ist mehr für den Angeklagten, denn kaum einer hat mehr Zweifel. Nicht die Anklage muss die Schuld des Angeklagten beweisen, sondern der Präsident seine Unschuld. Die Tatsache, dass in Israel niemand über dem Gesetz steht, ist da nur ein schwacher Trost.

Die vehemente Verteidigungsrede von Präsident Mosche Katzav war bislang der Höhepunkt in einem Skandal, der Israel seit mehr als einem halben Jahr erschüttert. Anlass für den Auftritt des Präsidenten am Abend des 24. Januar 2007 war die Absichtserklärung von Generalstaatsanwalt Menni Masus, das Staatsoberhaupt der Vergewaltigung, der Bestechlichkeit und des Vertrauensbruchs anzuklagen. Im Falle einer Verurteilung müsste Mosche Katzav möglicherweise für mehrere Jahre hinter Gitter gehen.

Knapp 50 Minuten lang bemühte sich Israels „Staatsbürger Nummer Eins“, seine Ehre und seinen Namen zu verteidigen. Von allen israelischen Radio- und Fernsehkanälen wurde live übertragen, was Mosche Katzav zu sagen hatte: „Ich werde kämpfen, auch wenn ein Weltkrieg nötig wäre.“ Und: „Es gibt nur eine Wahrheit, und die steht auf meiner Seite.“ Die Rede war nicht nur eine Klarstellung, wie man das von einem Staatsoberhaupt erwartet hätte, sondern ein emotional-populistisches Flehen um das Vertrauen der Bürger Israels und ein undifferenzierter Rundumschlag gegen die Medien, den Generalstaatsanwalt, die Polizei und die anklagenden Frauen.

Alle betroffenen Frauen hätten in der Vergangenheit für ihn gearbeitet und wollten sich an ihm rächen, weil er ihnen als Präsident keinen Posten in seinem Büro verschaffen wollte, behauptete Katzav. Der Generalstaatsanwalt und Rechtsberater der Regierung, Menni Masus, habe sein Vertrauen missbraucht und der Öffentlichkeit unangemessen Informationen zugespielt. Den Medien schließlich warf der Präsident Lynchjustiz, Hexenjagd, eine Verleumdungskampagne und Gehirnwäsche der Öffentlichkeit und der Entscheidungsträger im Staat Israel vor. Und die Polizei beschuldigte er, Mitarbeiter, die ihm wohlgesonnen seien, so unter Druck gesetzt zu haben, dass sie sich in ärztliche Behandlung begeben mussten.

Medienvertreter meinten, spätestens nach diesem unwürdigen Auftritt habe Katzav sein Recht, Präsident zu sein, verspielt. Sicherheitsminister Avi Dichter verlangte vom Präsidenten, sich bei den 28.000 israelischen Polizisten zu entschuldigen, und Politiker aus dem gesamten Spektrum forderten seinen Rücktritt. Dass er sich aus der Präsidentenresidenz in Jerusalem in sein Haus in Kirijat Malachi zurückgezogen und eine Beurlaubung von drei Monaten beantragt hat, betrachtet die Knessetabgeordnete Sehava Gal-On als „große Frechheit“. „Wenn der Präsident nicht zurücktritt, müssen wir ihn absetzen“, fordert die Vertreterin der links-zionistischen Meretz-Partei.

Aber der Weg zur Amtsenthebung eines Staatsoberhauptes ist in Israel lang und kompliziert. Und ob nach dem ermüdend langen Weg durch die Instanzen dann tatsächlich mindestens 90 von 120 Knessetmitgliedern für die Absetzung Katzavs stimmen, ist fraglich. Die orientalischen, religiösen und rechtsgerichteten Parteien scheinen die Verschwörungstheorie des Präsidenten offensichtlich nicht vollkommen von der Hand weisen zu wollen.

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