JERUSALEM (inn) – Premierminister Ariel Scharon ist es gelungen, mindestens 14 Likud-Abgeordnete für seine neue Partei zu gewinnen, die damit als eigenständige Partei anerkannt werden kann. Sechs ehemalige Likud-Minister stellten sich auf Scharons Seite, Finanzminister Benjamin Netanjahu übte jedoch heftige Kritik an seinem ehemaligen Chef.
Scharon, der Sonntagnacht seinen Austritt aus dem Likud bekannt gegeben hatte, wollte seiner neuen Partei zunächst den Namen „Nationale Verantwortung“ geben. Enge Berater rieten ihm laut einem Bericht des israelischen Rundfunks jedoch, die Partei „Kadima“ zu nennen, was auf Hebräisch „Vorwärts“ bedeutet.
Mit mindestens 14 Mitgliedern steht „Kadima“ ein staatlicher Zuschuss in Höhe von umgerechnet 1,7 Millionen Euro zu. Außerdem erlangt die Partei damit das Recht auf mindestens 52 Minuten Werbung im Fernsehen und 109 Minuten im Radio.
Zu den Ministern, die sich Scharons neuer Partei anschließen wollen, gehören Ehud Olmert, Zipi Livni, Meir Schitrit, Gideon Esra und Avraham Hirschson. Hinzu kommen sechs stellvertretende Minister: Ruhama Avraham, Madschallie Whbee, Eli Aflalo, Marina Solodkin, Se´ev Boim und Ja´acov Edri sowie die Likud-Abgeordneten Ronnie Bar-On und Omri Scharon.
Verteidigungsminister Schaul Mofas (Likud) lehnte es ab, der neuen Partei beizutreten. Er wolle sich stattdessen als Kandidat bei der Wahl zum neuen Likud-Vorsitzenden aufstellen. Der einzige Minister der Arbeitspartei, der bislang Scharons Weg folgen will, ist der Minister ohne Geschäftsbereich Haim Ramon.
Laut einem Bericht der „Jerusalem Post“ hat Scharon den stellvertretenden Premier Schimon Peres nicht eingeladen, in seine Partei zu kommen. Peres wolle ohnehin die aktive Politik verlassen, so Scharon. Peres selbst erklärte, in der Arbeitspartei bleiben zu wollen.
Falls er die Wahlen gewinnen sollte, wolle er eine Regierung zusammen mit dem neuen Vorsitzenden der Arbeitspartei, Amir Peretz bilden, sagte Scharon. Mit dem Likud wolle er keine Koalition eingehen, da dieser sich selbst als unzuverlässiger Koalitionspartner erwiesen habe.
Netanjahu: „Scharon ist ein Diktator“
Neben Mofas stellen sich fünf weitere Personen zur Wahl des Nachfolgers Scharons im Amt des Likud-Vorsitzenden: der ehemalige Premierminister Benjamin Netanjahu, der Anführer der Likud-„Rebellen“ Usi Landau und die Minister Silvan Schalom, Limor Livnat und Jisrael Katz.
Netanjahu griff seinen ehemaligen Parteichef am Dienstagmorgen in einem Interview mit dem Armee-Rundfunk scharf an. Eigentlich habe Scharon den Likud bereits vor zwei Jahren verlassen, nun kehre die Partei zu ihren Wurzeln zurück. Dies habe das Land bereits sehnsüchtig erwartet, so Netanjahu.
Scharon werde seine neue Partei wie eine Marionette führen. „Scharon ist ein Diktator. Was macht es, wenn ein Diktator lächelt und Humor hat und einen in eine Diktatur und zu Korruption führt und die Sicherheit des Staates gefährdet?“ Nach einer Umfrage des Dahaf Institutes könnte Netanjahu die Wahl zum Likud-Vorsitz mit 41 Prozent leicht gewinnen.
Der ehemalige Premier Ehud Barak dementierte Gerüchte des israelischen Fernsehsenders „Kanal 2“, nach denen er in Scharons Partei wechseln wolle. Auch der Vorsitzende der radikal-säkularen Schinui-Partei, Josef Lapid, erklärte, seine Partei werde sich Scharon nicht anschließen.