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Rückblick, Besinnung und Ausblick: Das jüdische Neujahr 5766

Am Montagabend, den 3. Oktober 2005, hat das jüdische Jahr 5766 begonnen – und damit auch die große Festzeit des Judentums. Rosch HaSchanah, das jüdische Neujahrsfest, und die darauf folgenden Feste, sind traditionell eine Zeit des Rückblicks, der Rechenschaft und des Ausblicks.

6.955.000 Einwohner hat Israel am Vorabend des Jahres 5766, wovon 5,3 Millionen Juden und 1,4 Millionen Araber sind. Im Jahr 5765 wuchs Israels Bevölkerung um 124.000 Personen oder 1,7 Prozent. 19.000 Juden wanderten in dieser Zeit nach Israel ein, und 120.000 Kinder wurden geboren, 7.000 mehr als im Vorjahreszeitraum.

Traditionell ist die Festzeit eine Zeit der Wohltätigkeit – in der man aber auch daran erinnert wird, dass Armut eines der brennendsten Probleme des jüdischen Staates ist. Ein Drittel der Kinder Israels lebt unter der Armutsgrenze. Im Sommer hat das Nationale Versicherungsinstitut einen Bericht veröffentlicht, dem zufolge 1,53 Millionen Israelis unter der Armutsgrenze leben, davon die Hälfte Kinder. Das Nationale Versicherungsinstitut definiert die Armutsgrenze bei einem Monatseinkommen von 323 Euro pro Person, 516 Euro pro Paar und 827 Euro bei einer vierköpfigen Familie.

Vor genau fünf Jahren begann die Phase der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern, die als „Al-Aksa-Intifada“ bekannt wurde. Das vergangene Jahr war das ruhigste der hinter uns liegenden fünf Intifada-Jahre. „Nur“ fünf Menschen kamen in dieser Zeit pro Monat auf israelischer Seite durch den israelisch-palästinensischen Konflikt ums Leben, auf palästinensischer Seite waren es immer noch 35 im Monatsdurchschnitt. Im zweiten, gewaltsamsten Jahr der Intifada gab es im Monatsdurchschnitt 36 Tote auf israelischer und 88 Tote auf palästinensischer Seite.

Insgesamt kamen in der Al-Aksa-Intifada bislang 1.033 Menschen auf israelischer und 3.333 Menschen auf palästinensischer Seite ums Leben. Israel hat in dieser Zeit 26.159 Terroranschläge erlebt, wodurch 1.060 Menschen ermordet und 6.089 verletzt wurden. 515 Menschen kamen durch 144 Selbstmordattentate ums Leben, bei denen außerdem 3.300 Personen verletzt wurden. Im vergangenen Jahr wurden bei sechs Selbstmordattentaten noch 14 Menschen getötet. 1.450 Granaten und Kassam-Raketen wurden im jüdischen Jahr 5765 vom Gazastreifen aus auf israelische Ziele abgefeuert.

In den zurückliegenden Monaten hat sich Israel aus dem Gazastreifen zurückgezogen. 24 jüdische Siedlungen wurden von der Landkarte des Nahen Ostens gewischt. Was in den internationalen Medien längst kalter Kaffee ist, beschäftigt einen beträchtlichen Teil der israelischen Gesellschaft noch immer auf schmerzhafte Weise. 653 Familien aus dem Gusch Katif haben kein Zuhause und müssen die Festtage im Hotel verbringen. Bis Ende November hätten eigentlich alle Siedler, die ihre Wohnungen um der einseitigen Trennung von den Palästinensern willen verlassen mussten, versorgt sein sollen. Doch nach Angaben des israelischen Fernsehens werden 400 Familien auch dann noch in provisorischen Unterkünften leben.

Festzeit ist Reisezeit, ganz besonders für die Israelis. Und eines der nächst liegenden und romantischsten Reiseziele ist die wild gebirgige Sinaihalbinsel mit ihren endlosen Sandstränden am Roten Meer. Normalerweise verbringen bis zu 40.000 Israelis die Festzeit im Sinai. Doch in diesem Jahr warnt das Verteidigungsministerium eindringlich vor Reisen in den ägyptischen Sinai. So genaue Warnungen wie nie zuvor liegen den israelischen Nachrichtendiensten vor. Diese wissen, dass Al-Qaida und Hamas gemeinsam planen, Israelis in den Gazastreifen zu entführen, dessen Grenze mit dem Sinai erstmals seit 1967 nicht mehr von Israel kontrolliert wird. „Israelis, die bereits in Ägypten sind, sollten es unverzüglich verlassen“, fordert der Nationale Sicherheitsrat.

Mit einem Festmahl beginnt am Vorabend des 1. Tischri das neue Jahr in der jüdischen Zeitrechnung, in diesem Jahr ist das, wie gesagt, der Abend des 3. Oktober. „Rosch HaSchanah“, der „Jahresanfang“, ist eine Zeit der Besinnung, der Umkehr und des Neuanfangs. Die jüdische Tradition legt die Erschaffung des ersten Menschen, und damit den Geburtstag der Menschheit und der Welt, auf diesen Tag.

In der Bibel wird dieses Neujahrsfest als „Jom Tru´ah“, „Tag des Posaunenschalls“, erwähnt. Nach dem Morgengebet wird deshalb in der Synagoge das Widderhorn (Schofar) geblasen. Der Schall des Schofarhorns erinnert an die Bereitschaft Abrahams, seinen Sohn Isaak zu opfern (1. Mose 22,1-19).

Chassidische Juden erklären ihn auch als wortlosen Schrei aus der Tiefe des Herzens: „Für unsere Sünden haben wir keine Ausflucht, keine eigene Rechtfertigung vor Gott.“ Rabbi Schlomo Riskin aus Efrat hört im Schall des Schofarhorns auch unseren an Gott gerichteten Protest über die Unvollkommenheit der Welt.

Am Nachmittag des ersten Neujahrstages versammeln sich Juden in der ganzen Welt an Flüssen, Seen oder am Meer, um zu Beginn des neuen Jahres symbolisch ihre Sünden hineinzuwerfen. Im Hebräischen nennt man diese Zeremonie „Taschlich“ (vergleiche Micha 7,18-20; Psalm 103,8-13).

Wenn der erste Neujahrstag auf einen Sabbat fällt, wird das Schofarhorn erst am zweiten Neujahrstag geblasen, da dies nicht an einem Sabbat geschehen darf. Auch der Taschlich wird dann erst am Nachmittag des zweiten Tages durchgeführt.

Der chassidische Rabbi Nachman von Bratzlav wusste, dass die Hauptfreude am Neujahrsfest eine Frucht der Buße ist, dass man neu beginnen darf. Obwohl Rosch HaSchanah und der Schall des Schofarhorns eine Ankündigung des Gerichts sind, wissen die Chassiden doch zu feiern, denn „wir werden von unserem Vater im Himmel geliebt und er möchte uns zu sich ziehen“.

An Rosch HaSchanah isst man traditionell Apfelschnitze, die in Honig getaucht werden. Das soll die Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass das neue Jahr „süß“ werden möge.

Die beiden Neujahrstage gelten in Israel als öffentliche Feiertage. Wie am Sabbat ruhen die öffentlichen Verkehrsmittel. Außerdem bleiben viele Geschäfte, Museen und andere Institutionen, die normalerweise am Sabbat geöffnet sind, während dieser Feiertage geschlossen.

Viele Israelis nutzen die beiden Neujahrstage zu einem Kurzurlaub, nicht zuletzt im europäischen Ausland. Tausende von Bratzlaver Chassidim pilgern in diesen Tagen nach Uman in der Ukraine zum Grab des Rabbi Nachman von Bratzlav. Dieser chassidische Rabbiner hatte seinen Anhängern befohlen, auch nach seinem Tod Rosch HaSchanah mit ihm zu verbringen.

Bibeltexte: 3. Mose 23,23-25; 4. Mose 29,1-6; Nehemia 8,1-12; Psalm 81,4-5

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