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„Richter Goldstone, was wissen Sie von den israelischen Trauma-Opfern?“

Der Goldstone-Bericht zur jüngsten israelischen Offensive im Gazastreifen wird wegen Einseitigkeit kritisiert. Nun hat sich eine Ärztin aus der raketengeplagten Stadt Sderot persönlich an den südafrikanischen Juristen Richard Goldstone gewandt, der die UN-Kommission zur Untersuchung der Kampfhandlungen angeführt hat.

Der Brief wurde vom „Sderot Media Center“ in englischer Sprache veröffentlicht. Israelnetz.com dokumentiert das Schreiben in deutscher Übersetzung:

Schalom, Richter Goldstone,

mein Name ist Dr. Adriana Katz. Die vergangenen 15 Jahre habe ich als Leitende Psychiaterin am Zentrum für psychische Gesundheit in Sderot, Israel, gedient. Mein Name hätte auch Buchbut, Davidov oder Amar sein können, wie die Namen von Zehntausenden Bürgern, die in Sderot und den Gemeinden des westlichen Negev leben.

Ich möchte dem „Sderot Media Center“ für seinen unaufhörlichen Einsatz dafür danken, dass die menschliche Seite dessen gezeigt wird, was hier in Sderot und dem westlichen Negev geschieht. Aus diesem Grund habe ich die Mitarbeiter gebeten, mir zu helfen, mich zu diesem UN-Bericht zu Wort zu melden.

Was wissen Sie, Richter Goldstone, von den Tausenden israelischen Trauma-Opfern, deren Leben zu einer Hölle auf Erden geworden ist? Sie können nicht länger zur Arbeit gehen, jedes Geräusch, Piepen oder Summen bringt sie in Panik, so dass sie weinen und zittern vor Furcht, es könnte ein weiterer Alarm sein.

Seit fast neun Jahren, Richter Goldstone, leiden Tausende unschuldige Zivilisten, die in diesen Gemeinden leben, an täglicher Unsicherheit und Furcht. Fast neun Jahre, in denen diese Furcht weder Geruch noch Geschmack hat – aber sie hat eine Farbe: die Farbe ROT.

Seit fast neun Jahren, ehrenwerter Goldstone, sind wir Psychiater und Sozialarbeiter mit dem Versuch beschäftigt, die Stücke aufzuheben und die ruinierten Leben, die zertrennten Familien und Kinder, die krank von Furcht und Trauma sind, zu flicken.

In den vergangenen neun Jahren sind über 12.000 Raketen auf unsere Gemeinden abgefeuert worden. Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr wissen wir nicht, ob wir lebendig und vollständig nach Hause oder zur Arbeit oder zur Schule gelangen werden.

Wir haben eine Generation von Kassam-Kindern aufgezogen, und wir werden mehr Zeit brauchen, als wir haben, um zu reparieren, was die Raketen zerstört haben. Wer wird den 4.000 Kindern helfen, zu einem psychisch stabilen Leben zurückzukehren, wo sie aufhören werden, nachts ihr Bett zu nässen und keine Angst mehr haben werden, ihre Häuser zu verlassen?

6.500 Akten sind in unserem Zentrum für psychische Gesundheit eröffnet worden, und die Zahl wächst täglich. Es gibt hier in Sderot keine Posttraumarealität – weil die Raketen weiter einschlagen, ist die Lage immer noch traumatisch. Vor der hiesigen Bevölkerung liegen Dutzende Jahre der Rehabilitierung.

Ehrenwerter Goldstone, es ist mir klar, dass Blut und Ruinen eine größere Wirkung haben und sich besser dramatisch fotografieren lassen. Man kann nicht eine zerstörte Psyche fotografieren und weltweit in Medien veröffentlichen.

Die Realität in Sderot ist zu einem russischen Roulettespiel geworden. Niemand weiß, wer der nächste ist. Und auch hier können Sie Blut und Ruinen finden.

Können Sie mir sagen, Richter Goldstone, wer unter solchen Bedingungen weitermachen kann? Wer wäre einverstanden, in einer solchen Realität zu leben?

Wo ist der ehrenwerte Goldstone in all diesen Jahren gewesen, als jüdische Kinder unter ständigem palästinensischem Beschuss waren? Die Operation „Gegossenes Blei“ bestätigt die bekannte Redensart: Ein Hund, der ständig geschlagen wird, wendet sich womöglich irgendwann gegen seinen Meister.

Richter Goldstone, ich bin gegen Kriege. Die Bilder, die ich gesehen habe, bringen mich zum Weinen. Die Kinder in Gaza sind so wertvoll wie die Kinder von Sderot. Doch ich sehe nicht, wie wir so weitermachen können. Haben Sie während dieser langen Jahre des Leidens auf der israelischen Seite irgendeine Aktion – verbal oder wirklich – vonseiten der Weltführer gesehen?

Wie Sie bin ich kein Zionist. Ich tue, was getan werden muss, als Teil meiner Pflicht als Ärztin. Jetzt habe ich das Gefühl, nicht länger schweigen zu können angesichts des unfairen Spieles, wo Sie die Lage aus Ihrer Sicht beschreiben und den Staat Israel zu einem kriminellen Land machen.

Vielleicht würde ich wie Sie denken, wenn ich noch in Europa lebte, doch wo ich lebe, sehen die Dinge anders aus. Ich erwarte von Ihnen nicht einmal Verständnis. Und wer nicht versteht, kann nicht richten. Wenn ich etwas gelernt habe, dann das eine – Dinge, die von dort aus nicht gesehen werden können, sind nicht das, was sie hier sind. Wenn ich eine einflussreiche Persönlichkeit wäre, würde ich Sie persönlich nach Sderot einladen, und vielleicht wären Sie dann in der Lage, objektiv und informativ ein Urteil weiterzugeben.

Hochachtungsvoll

Dr. Adriana Katz

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