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Raketenhagel aus dem Gazastreifen

Im Laufe des Samstags haben Palästinenser aus dem Gazastreifen rund 300 Geschosse auf Südisrael abgefeuert. Experten können sich den massiven Beschuss nicht erklären. Weil Israel derzeit nur eine Übergangsregierung hat, ist die Lage komplizierter als sonst.
Massiver Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen hat am Samstag halb Israel lahmgelegt (Archivbild)

ASCHDOD / GAZA (inn) – Niemand in Israel versteht so recht, was die Hamas veranlasst hat, ab Samstagmorgen mehr als 300 Raketen und Granaten auf Israel abzuschießen, darunter auch auf Städte wie Aschdod, Aschkelon, Kiriat Gat und Lachisch.

Einige Raketen schlugen in Häusern ein. Vorläufig gab es keine Toten. Doch es gab Verletzte, darunter eine 80 Jahre Frau bei einer Bushaltestelle in Kiriat Gat. Ihr war es nicht mehr gelungen, einen Sicherheitsraum zu erreichen, als die Sirenen heulten.

Erwartungsgemäß reagierte Israel erst mit Panzergeschossen und dann mit Luftangriffen. Vier Palästinenser wurden dabei getötet. Im Gazastreifen wurden zunächst „leere Dünen“ getroffen. Aber als die Raketenangriffe zunahmen, wurden auch Hochhäuser attackiert. Dort seien angeblich Büros der Hamas untergebracht gewesen. Aber auch Büros der türkischen Nachrichtenagentur „Anadolu“ wurden getroffen, was zu lautstarkem Protest des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan führte. Gleichwohl irrte er in der Geografie, denn es handelte sich um den Gazastreifen und nicht um das Westjordanland, wie er behauptete.

Das halbe Land ist lahmgelegt

Wegen der am Samstag bis in die Nacht andauernden Raketenangriffe, wurde für den Sonntag der Schulunterricht in fast allen Städten und Ortschaften im ganzen Süden Israels abgesagt. Auch die Eisenbahnen sollten in der Region nicht verkehren. Das halbe Land ist lahmgelegt.

Die Medien, Radio und Fernsehen, wurden während des Samstags zusammengelegt. Ununterbrochen wurden im Minutentakt die Regionen gemeldet, wo es Luftalarm gab. Premierminister Benjamin Netanjahu und die Militärspitzen trafen sich zu Beratungen im Verteidigungsministerium. Am Sonntag sollte am Mittag nach mehreren Wochen erstmals wieder das Kabinett zusammentreten. Wegen der Wahlen und der derzeitigen Koalitionsverhandlungen gibt es in Israel nur eine Übergangsregierung, weshalb die Minister nicht zusammengekommen sind.

Keine Lösung parat

Im Laufe des Samstags kamen immer wieder auch Politiker zu Wort, hohe ehemalige Militärs und „Experten“. Auffällig war, dass niemand den gewaltigen Raketenbeschuss der Hamas zu diesem Zeitpunkt erklären konnte und dass niemand eine Lösung parat hatte, um diesen unerträglichen Zustand umgehend zu beenden.

In Israel wurde befürchtet und spekuliert, dass die Hamas den bevorstehenden Unabhängigkeitstag stören und, schlimmer noch, eine Absage des bevorstehenden Musikfestivals Eurovision Song Contest in Tel Aviv erreichen wolle. Das wäre für Israel eine unerträgliche Niederlage, denn weltweit verfolgen Hunderte Millionen Menschen das Gesangsfestival im Fernsehen. Für Israel ist das Ereignis eine unbezahlbare Werbung für das Land und für den Tourismus.

Doch ein israelischer Kommentator meinte, dass auch die Hamas ein eigenes „Eurovision“ habe. Am Dienstag beginnt der muslimische Fastenmonat Ramadan und dann wollen auch die Menschen im Gazastreifen feiern. Krieg während des Ramadans wäre also auch für die Hamas unerträglich.

Für alle israelischen Sprecher galt es als undenkbar, ausgerechnet jetzt, vor dem Unabhängigkeitstag und dem Eurovision-Festival, das Militär in Gaza einmarschieren zu lassen, um die Hamas zu zerschlagen und den Raketenbeschuss endgültig zu verhindern. Gemäß Einschätzungen von Geheimdienstexperten wie Jaakov Amidror würden mindestens vier Jahre vergehen, bis der Gazastreifen endgültig von der Terror-Infrastruktur gesäubert werden könnte.

Am Tag danach müsste Israel auch über zwei Millionen Palästinenser herrschen, zumal die Autonomiebehörde in Ramallah kein Interesse daran habe, jetzt den Gazastreifen wieder zu verwalten. Das würde nicht nur enorme Kosten, sondern auch erhebliche menschliche Opfer bedeuten, die niemand in Israel derzeit verantworten will. Mangels funktionierender Regierung ist die Lage zurzeit noch komplizierter als sonst.

Von: Ulrich W. Sahm

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