Proteste wegen Kritik an „Organ-Raub“-Artikel

STOCKHOLM / JERUSALEM (inn) - Der Artikel in Schwedens auflagenstärkster Tageszeitung "Aftonbladet" vom Montag beschäftigt nun auch die höchsten Regierungskreise in Israel und Schweden. Die schwedische Regierung lehnt es ab, sich offiziell von dem Artikel vom Montag zu distanzieren, der behauptet hatte, israelische Soldaten würden Palästinensern ihre Organe rauben.

Die israelische Tageszeitung „Ha´aretz“ hatte am Dienstag als erstes auf ihrer Webseite von dem schwedischen Artikel berichtet und einen Streit in Schweden und in anderen Ländern ausgelöst. In dem am Montag veröffentlichten Artikel hatte es geheißen, israelische Soldaten würden Palästinenser entführen, um ihnen ihre Organe zu stehlen. Darin kommen mehrere Palästinenser zu Wort, die entsprechende Geschichten erzählen.

Israels Außenminister Avigdor Lieberman hat seinen schwedischen Kollegen Carl Bildt am Freitag gebeten, dass die Regierung sich offiziell von dem Artikel distanziert. Doch Bildt lehnt es ab, den Artikel offiziell zu verurteilen. Israels Botschafter in Schweden, Benny Dagan, will am Freitag bei einem Treffen mit Schwedens stellvertretendem Außenminister ebenfalls ein entsprechendes Gesuch vorlegen, berichtet „Ha´aretz“.

Bildt schrieb in einem Weblog am Donnerstag, er werde den Artikel nicht verurteilen wegen des Rechts auf Meinungsfreiheit, das in der schwedischen Verfassung verankert sei. Er erklärte, die Verurteilung von Antisemitismus sei „das einzige Thema, bei dem sich das schwedische Parlament immer völlig einig“ sei.

Israel-Reise des schwedischen Botschafters gefährdet

Das israelische Außenministerium erwägt laut „Ha´aretz“, einen geplanten zehntätigen Besuch Bildts in Israel abzusagen. Ein anderer Vorschlag war offenbar, Bildt zwar nach Israel kommen zu lassen, seinen Besuch jedoch dafür zu nutzen, öffentlich Kritik an dem „Aftonbladet“-Artikel zu äußern und mit ihm über nichts anders zu reden als darüber. Auf jeden Fall werde die Krise nicht gelöst werden, sollte sich die schwedische Regierung nicht eindeutig von dem Artikel distanzieren, hieß es aus dem Ministerium.

Lieberman trug den Mitarbeitern des Außenministeriums auf, Journalisten der schwedischen Zeitung keine Pressekarten für die Regierungsbelange mehr auszustellen oder sie in irgendeiner Weise zu unterstützen. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak sagte am Donnerstag, der schwedische Artikel sei „illegitim“ und auch in einer Demokratie, die die freie Rede befürwortet, unangebracht.

Kein Rückhalt für Kritikerin

Die schwedischen Botschafterin in Israel, Elisabet Borsiin Bonnier, hatte die Zeitung für die Veröffentlichung des Artikels von Donald Boström kritisiert und wird deswegen nun ihrerseits angegriffen. „Der Artikel ist für uns Schweden genau so schockierend und fürchterlich wie für die Israelis“, hatte die Diplomatin erklärt.

Schwedische Oppositionsführer kritisierten die Reaktion der Botschafterin am Donnerstag. Der Sprecher der Grünen, Per Gahrton, sagte, Borsiin Bonnier sollte ihre Aussage zurücknehmen und etwas über die Meinungsfreiheit in Schweden lernen. Das schwedische Außenministerium erklärte am Donnerstag: „Die Verurteilung war ein Urteil ausschließlich von der Botschaft in Tel Aviv und war gedacht für ein israelisches Publikum.“

Der Redaktionschef von „Aftonbladet“, Jan Helin, antwortete am Mittwoch mit einem erneuten Artikel auf Bonniers Kritik. Der Autor wirft den Kritikern vor, sich hinter dem Vorwurf des Antisemitismus zu verstecken, um sie nicht den im Artikel genannten Vorwürfen stellen zu müssen. Israelische Politiker hatten den Text als „Schande für die schwedische Presse“ und als „Blutbeschuldigungen wie aus dem Mittelalter“ bezeichnet. Helin beschuldigte der schwedischen Botschafterin, gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstoßen zu haben und wies jeden Vorwurf des Antisemitismus zurück.

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