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Prägend für die israelische Kultur: Ehud Manor

Vor vier Jahren, am 12. April 2005, verstarb der israelische Dichter Ehud Manor in seinem Haus in Tel-Aviv. Er war ein Mann, der das israelische Lebensgefühl auf geniale Weise auszudrücken vermochte. Unbestreitbar hat er viel zur Entwicklung des israelischen Lebensgefühls beigetragen, zur "Israeliut", wie man in Israel sagt. In Zusammenarbeit mit israelischen Musikern wie Nurit Fuchs oder Matti Caspi entstanden Lieder, die zu Klassikern der israelischen Popsmusik wurden.

Dazu gehört auch „Baschana Haba’a“, das weit über Israels Grenzen hinaus bekannt wurde. Manor verwendete den traditionellen Gruß der Juden, die aus ihrer Heimat vertriebenen worden waren, „nächstes Jahr in Jerusalem!“, und übertrug ihn auf die heutige israelische Realität: „Nächstes Jahr werden wir auf dem Balkon sitzen und die vorbeiziehenden Vögel und spielenden Kinder beobachten.“ Weil das Wetter in Israel meist schön und die Israelis so kontaktfreudig sind, wurde der Balkon eines der Symbole des täglichen Lebens in Israel. Eine israelische Baufirma verwendet in ihrer Werbung Manors Motiv „auf den Balkon hängen wir unsere Wäsche und unsere Fahnen“.

In den Liedtext „Im nächsten Jahr“ hat Ehud Manor Kindheitserinnerungen an das Häuschen in seinem Geburtsort, den Winzer-Moschav Binjamina, hineingeflochten. Die Liebe zu seiner Heimat, die er „das Land von Milch, Honig und bitteren Kräutern“ nennt, die Trauer über die Kriege und den Verlust an Menschenleben, aber gleichzeitig auch seine Hoffnung und sein Optimismus, bilden die Bausteine seiner Texte: „Du wirst sehen, wie gut das nächste Jahr sein wird!“

Sohn russischer Einwanderer

Ehud wurde im Jahre 1941 als zweiter Sohn des Ehepaares Rachel und Israel Wiener geboren. Auf Vorschlag von Jaron London änderte er dann seinen Nachnamen in Manor, um bei musikalischen Veranstaltungen im israelischen Radio mitwirken zu können. So hätte es damals dem zionistischen Geist entsprochen. Seine Eltern waren aus Russland eingewandert. In dem Lied „Jelid HaAretz“ – „Der im Lande Geborene“ – dankt er seinen Eltern für diese Entscheidung. Heute steht dieser Text auf seinem Grabstein in Binjamina.

Als Ehud Manor 15 Jahre alt war, starb sein Vater. Im Zermürbungskrieg gegen Ägypten fällt sein jüngster Bruder Jehuda im Alter von 19 Jahren. Diese Schicksalsschläge bewegen ihn, das herzzerreißende Lied „Achi HaZair Jehuda“ – „mein kleiner Bruder Juda“ – zu schreiben. Darin sagt er: „Mutter wartet, ob noch ein Brief ankommt“, und verspricht, seinen Sohn nach dem Bruder zu benennen – ein Versprechen, das er gewissenhaft eingehalten hat.

Trotz aller Schmerzen war Manor als fröhlicher, optimistischer und immer aktiver Mensch bekannt, mit dem es sich gut zusammenarbeiten ließ. Er schrieb im Laufe seines Lebens fast 1.250 Texte und übersetzte 600 Theaterstücke und Musicals aus dem Englischen ins Hebräische. Niemandem hat er die Bitte um Zusammenarbeit abgeschlagen. Sein besonderes Talent war, jedem Sänger einen maßgeschneiderten Text zu verpassen.

In jungen Jahren war er ein großer Bewunderer der orientalisch-jüdischen Sängerin Schoschana Damari und ihrer tiefen Stimme. Für sie und den Musiker und Sänger Boas Scharabi schrieb er „Laschir Itach“ – „Mit Dir Singen… ist wie ein Traum!“ Der Dialog der beiden Stimmen mit dem unverwechselbar orientalischen Akzent ist unvergesslich. Manor schrieb auch viele romantische Texte. Der vielleicht bekannteste heißt „Brit Olam“ – „Ein ewiger Bund“ – ein romantisches Lied über die Ehe.

Konzerte für alle Altersstufen

Ehud Manor hat an der Universität Jerusalem und in Cambridge englische Literatur und Psychologie studiert. Seine Frau, die Sängerin Ofra Fuchs, lernte er in den USA kennen. Die drei Kinder des Paares, Gali, Libi und Jehuda Israel, bezeugen die gegenseitige Liebe und Achtung ihrer Eltern füreinander, das intensive Interesse an Film- und Musikproduktionen und Ehud Manors „Kindlichkeit“. Er hat viele Kinderlieder geschrieben, in denen seine eigenen Kinder vorkommen und die einfach dem Leben entspringen. In Israel sind Konzerte mit Kinderliedern sehr beliebt und Menschen aller Altersstufen besuchen sie.

In der Eurovision 1978 hat überraschend ein israelisches Lied, dessen Text von Ehud Manor stammt, den ersten Preis gewonnen: „Abanibi oboebe“. Darin hat der Dichter Ausdrücke einer Geheimsprache der Kinder verwendet. Das Lied „Halevai“ landete bei einer anderen Eurovision auf dem letzten Platz, wurde dafür aber in Israel ein Hit. Übersetzt heißt „Halevai“ „Wenn doch nur…“ und drückt die allgegenwärtige israelische Sehnsucht unter anderem durch biblische Bilder aus: „Wenn es doch für diese Welt nur eine Wiederherstellung gäbe. Wenn doch nur die Tore des Paradieses wieder aufgehen würden. Wenn doch nur aufhören würde, dass ein Volk gegen das andere die Waffen erhebt…“

Beliebtestes Lied in 60 Jahren stammt von Manor

Von Schulkindern wird das „Israelische Lied“ – „Schir Israeli“ – viel gesungen. Thema ist die israelische Identität: „Eine griechische Melodie und ein polnischer Akzent, das Trillern der Jemeniten und die rumänische Geige. Mein Wüstental und dein Fluss begegnen sich endlich am israelischen Strand, mit allen Erinnerungen, den guten und den schlechten… Wer bin ich eigentlich, mein Gott?“ Und dann wird der Psalm zitiert: „Wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen“ – mit einer modernen rhythmischen Melodie.

Im vergangenen Jahr wurde das Lied „Ein Li Eretz Acheret“ – „Ich habe kein anderes Land“ – zum beliebtesten Lied von 60 Jahren Staat Israel gewählt. „Ich habe kein anderes Land, auch wenn mir der Boden unter den Füßen brennt“ wurde zum gemeinsamen Bekenntnis vieler Israelis ganz unterschiedlicher politischer Meinung. 1998 bekam Ehud Manor für seine kreative Arbeit den Israelpreis. Er selbst hätte sich nie als „Poet“ bezeichnet. Aber er war einer.

Als er gebeten wurde, ein optimistisches zionistisches Lied für den Zionistenkongress 2003 in Jerusalem zu schreiben, reagierte er sofort mit einem „zionistischen optimistischen Lied“: „Und wenn du nicht mehr optimistisch bist, ist das ein Zeichen, dass du alt geworden bist. Man muss dich ermutigen: In der Tiefe der Nacht entdeckst du den Morgen. In der Tiefe der Trauer entdeckst du die Freude. In der Tiefe des Zorns entdeckst du Vergebung.“ Solche und viele andere gute Gedanken kann man in den Texten Ehud Manors entdecken.

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