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Porträt: „Hisbollah“, die „Partei Allahs“

Ziel der israelischen Initiative im Libanon ist die schiitische „Hisbollah“. In keinem anderen Fall hat die Weltöffentlichkeit der israelischen Armee so sehr und so lange freie Hand gegeben, wie beim Angriff auf diese „Partei Allahs“, was „Hisb-Allah“ übersetzt heißt. Selbst die Arabische Liga kann sich nicht zu einer einstimmigen Verurteilung Israels durchringen. Was ist die „Hisbollah“? Wer steht hinter dieser Widerstandsbewegung, die sich als hoch motivierte und gut ausgebildete militärische Kraft, sozial-religiöse Bewegung und politische Partei präsentiert?

Ende 1982, nach der Invasion Israels im Libanon, wurde die Hisbollah mit Unterstützung des iranischen Regimes gegründet, anfangs als radikale Splittergruppe der ebenfalls schiitischen Amal-Bewegung. Ajatollah Chomeini hatte den vom Bürgerkrieg zerrütteten Libanon als fruchtbaren Boden für den Export seiner islamischen Revolution erkannt. Bereits vor Israels Feldzug „Frieden für Galiläa“ im Juni 1982 hatte die Regierung 1.000 bis 1.500 „Religionswächter“ in die Bekaa-Ebene im Nordosten des Libanon entsandt, um die Bevölkerung zu indoktrinieren.

Mitte der achtziger Jahre wurde die Hisbollah weltweit bekannt, durch die Entführung von Ausländern, von denen einige nie wieder aufgetaucht sind. Dann waren es allerdings spektakuläre Selbstmordbombenanschläge, bei denen Hunderte von amerikanischen und anderen ausländischen Soldaten den Tod fanden, die der radikal-islamischen Organisation in den Augen der Weltöffentlichkeit ihr Profil verliehen. Als Israel im Dezember 1992 mehr als 400 führende Aktivisten der sunnitischen Hamas in den Südlibanon deportierte, bot sie der Hisbollah die Gelegenheit, das „Handwerk der Selbstmordattentate“ erfolgreich nach Israel hinein zu exportieren.

Die Hisbollah hat sich aktiv am Wiederaufbau der Infrastruktur des von Jahrzehnte langen Kriegswirren gezeichneten Landes beteiligt, ein weitreichendes Sozialprogramm und Krankenhäuser aufgebaut. Schätzungsweise 40 Prozent der etwas mehr als drei Millionen Libanesen sind schiitische Muslime, die innerhalb des weltweit überwiegend sunnitischen Islam eine kleine Minderheit darstellen. Die Hisbollah hat dieser religiösen Gruppe im traditionell christlich dominierten Libanon eine Stimme und Ansehen verschafft. Der Umfang des Hisbollah-Haushalts ist unbekannt. Schätzungen besagen allerdings, dass allein der Iran zwischen 10 und 20 Millionen US-Dollar monatlich zur Verfügung stellt. Diese Hilfe erreicht die libanesische Hisbollah über den Nachbarstaat Syrien.

In den vergangenen Jahren hat die Hisbollah ihre Propaganda ausgebaut. Sie verbreitet ihre Sichtweise durch das Internet, Radiosendungen und im Fernsehen, nicht zuletzt durch die eigene TV-Station „Al-Manar“. Mit Videoaufnahmen dokumentierte sie wiederholt ihre Angriffe auf Israel. Seit die israelische Luftwaffe im Februar 1992 den damaligen Generalsekretär der Hisbollah, Scheich Abbas Mussawi, mit einer Rakete getötet hatte, steht Scheich Hassan Nasrallah an der Spitze der „Partei Allahs“ im Libanon.

Im Kampf gegen die israelische Armee sammelten die Kämpfer der Hisbollah viel Erfahrung. Dabei vermied die Miliz weitgehend die direkte Konfrontation mit den Israelis und konzentrierte sich darauf, Straßenbomben zu legen und den israelischen Soldaten durch Artillerie- und Katjuschabeschuss, durch Scharfschützen und den Gebrauch von Antipanzerraketen zuzusetzen.

Die Zahlenangaben über die militärische Stärke der „Partei Allahs“ schwanken. Israelische Quellen gehen von 600 bis 800 Mann aus, die zum militärischen Flügel der Hisbollah gehören und nach dem israelischen Rückzug im Mai 2000 aktiv waren. Die Associated Press spricht von 5.000 Freischärlern. Nach eigenen Angaben stehen der Organisation heute bis zu 10.000 Kämpfer zur Verfügung. Bei Kundgebungen vor allem in den von der Hisbollah dominierten Stadtvierteln im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut kann sie ohne weiteres Zehntausende von fanatisierten Anhängern mobilisieren.

Der Überfall auf Nordisrael und die Entführung der beiden israelischen Soldaten hätten niemanden überraschen dürfen. Immer wieder hatte Scheich Hassan Nasrallah die Entführung israelischer Soldaten als „natürliches Recht“ und „Pflicht“ bezeichnet, weil „unsere Erfahrung mit den Israelis zeigt: Wer Gefangene befreien will, muss israelische Soldaten entführen“. Die Befreiung von Libanesen und anderen Muslimen, die in israelischen Haftanstalten sitzen, ist offiziell eines der Hauptanliegen, nachdem im Mai 2000 die israelische Armee den Südlibanon verlassen hat – was als großer Sieg der Hisbollah gefeiert wurde.

Weitere militärische Angriffe auf Israel rechtfertigt Nasrallah damit, dass die so genannten „Scheba-Farmen“ am Fuße des Hermongebirges noch immer unter israelischer Hoheit stehen. Dieses Gebiet war zwischen Syrien und dem Libanon umstritten, wurde 1967 von Israel erobert und gehört nach dem Verständnis der Vereinten Nationen zu syrischem Hoheitsgebiet. Syrien hat allerdings inzwischen seinen Anspruch an Libanon abgetreten – wobei der Verdacht nicht unbegründet ist, dass ein entscheidender Grund für diese Großzügigkeit der Syrer war, der Hisbollah einen Vorwand zum Kampf gegen das verhasste Israel zu liefern.

Nach Ansicht israelischer Beobachter würde die Hisbollah aber weitere Gründe finden, einen Frieden mit dem südlichen Nachbarn zu vermeiden, sollte Israel die Scheba-Farmen um eines Friedens willen aufgeben wollen. Sie nennen schiitische Dörfer in Galiläa, auf deren „Befreiung“ Nasrallah hinarbeiten könnte, oder die Forderung nach einer Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge in die Häuser, die sie 1948 verlassen haben. Aber die Hisbollah macht aus ihrem Endziel überhaupt kein Hehl. Sie strebt die Zerstörung des jüdischen Staates Israel und die Befreiung Jerusalems an. Dabei gibt es, so wiederholt Scheich Hassan Nasrallah unermüdlich, „keine Grenzen und keine roten Linien“.

Seit 1992 engagiert sich die „Partei Allahs“ innerhalb des politischen Systems im Libanon, als sie mit acht Mandaten in das 128 Sitze umfassende libanesische Parlament einzog. Offiziell sind im Libanon 18 verschiedene Religionen anerkannt. Diese schiitische Gruppierung sucht die Vielfalt der ehemaligen „Schweiz des Nahen Ostens“ in einem islamistischen Staat nach dem Vorbild der iranischen Theokratie zusammenzufassen und alle Einflüsse des „gottlosen Westens“ ausmerzen.

Auch wenn Scheich Hassan Nasrallah im Hisbollah-eigenen Sender Al-Manar behaupten kann: „Ich bin zuallererst Libanese“, darf die „Partei Allahs“ doch nicht als national-religiöse Bewegung im Libanon missverstanden werden. In den Anfangsjahren verbrannten die Hisbollah-Aktivisten nicht nur amerikanische und israelische Flaggen, sondern auch die des Zedernlandes. Die Hisbollah sieht sich als Teil einer globalen islamischen Revolution, deren Ziel nicht nur die Errichtung einzelner national definierter Gottesstaaten ist, sondern letztlich eine umfassende Weltherrschaft des Islam.

Die Vorstellung einer demilitarisierten oder entwaffneten Hisbollah ist so weit entfernt, dass sich selbst israelische Militärs und Politiker als realistisches Ziel nur eine „entscheidende Schwächung“ der Gruppe gesetzt haben. Auch ist aus Sicherheitskreisen in Israel zu hören, dass es „unmöglich ist, eine religiöse Bewegung zu zerstören, die fest im Volk verankert ist“. Deshalb legt Israel für seinen Krieg gegen die Hisbollah, der bislang noch keinen Namen hat, die Latte auch nicht zu hoch an. Man fordert für eine Einstellung der Kampftätigkeiten die Freilassung der zwei entführten Soldaten, ein Ende des Raketenbeschusses und einen Rückzug der Hisbollah hinter den Litani-Fluss. An eine Umsetzung der Resolution 1559 des UN-Sicherheitsrates vom 2. September 2004, die eine Auflösung und Entwaffnung aller Milizen im Libanon fordert, wagt kaum jemand mehr zu denken.

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