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Spießrutenlauf durch die Altstadt

Der Mangel an Touristen in Corona-Zeiten setzt auch den Händlern in der Jerusalemer Altstadt zu. Umso eifriger werben sie für ihre Angebote. Von Ulrich W. Sahm
In Corona-Zeiten sind die Gassen der Altstadt leerer als sonst

Die wichtigste und schönste Touristenattraktion Israels ist zweifellos die Altstadt Jerusalems mit ihrem arabischen Basar. Doch was tun, wenn sich wegen der Corona-Pandemie buchstäblich kein einziger Tourist oder Pilger im Land aufhält? Die Ladenbesitzer und Händler können ihre Buden nicht einfach verriegeln. Jeder will hier überleben.

Die Ortsansässigen sind leicht an ihren jeweiligen „Uniformen“ zu erkennen: Ultra-orthodoxe Juden tragen selbst bei 30 Grad Hitze schwarze Anzüge und einen großen Hut auf dem Kopf. Die Armenier mit ihren schwarzen Gewändern setzen sich einen Spitzhut auf. Franziskaner sind an ihren braunen Kutten zu erkennen, am Bauch mit einer weißen Kordel mit mehreren Knoten festgehalten.

Dazwischen gibt es auch noch Nonnen mit schneeweißen oder dunkelblauen Kleidern, je nach Orden. Mit schwarzen Tüchern bis auf einen Sehschlitz bedeckte muslimische Frauen treiben sich mit Vorliebe an Ständen mit knallbunten Büstenhaltern herum, von denen einige mit Micky Maus oder einer anderen Comicfigur geschmückt sind. Während sie in der Öffentlichkeit völlig verhüllt sind, dürfen sie offenbar zuhause auch „sexy“ gekleidet sein.

Ruhepause mit Werbeblock

Europäische Touristen tragen keine derartigen religiösen oder nationalen Wahrzeichen; daher sind sie schon aus großer Entfernung leicht erkennbar. Und Händler erheben sich dann, einer nach dem anderen, von ihren Hockern vor den Läden. Einer grunzt nur ein gutturales „Uugh“ und mag es gar nicht, wenn man ihm mit dem gleichen „Uugh“ antwortet. Der zweite ruft in drei Sprachen „Willkommen“ und fordert mit einer eindeutigen Handbewegung zum Besuch in seinem Laden auf. Der nächste erklärt in einem mehrsprachigen Redeschwall „Nur gucken, ganz billig“.

Und so geht es weiter, bis am Straßenausgang ein Steinhocker in den Blick kommt, der zur Rast einlädt. Kaum Platz genommen, rennt schon ein Händler aus dem Nachbarladen mit einem halben Dutzend Spazierstöcken herbei. Alle haben unglaublich kitschige Griffe. Penetrant lobt der Händler seine Stöcke und erklärt, dass man die brauche, um weitergehen zu können. So wird selbst die kurze Ruhepause zur Qual mit dem Versuch, die Kaufempfehlungen abzuwehren.

Vielfältige Angebote

Am Ende des Rundgangs geht es noch die ladengesäumten Gassen hinauf zum Jaffator. Da stehen in einer langen Reihe die Taxis bereit. Die wartenden Fahrer fragen, wo es hingeht. Auf die Antwort überbieten sie sich gegenseitig im Preis. Man kann schon bei 30 Schekel (knapp 8 Euro) dabei sei, aber es werden auch 60 und sogar 80 Schekel (knapp 21 Euro) verlangt.

Die Frage nach einer „Uhr“, dem Taxameter, mögen sie überhaupt nicht, obgleich eine kleine Polizeiwache nur wenige Meter entfernt steht und jeder Taxifahrer eigentlich per Gesetz verpflichtet ist, die Taxi-Uhr einzuschalten. Einer behauptet, keine zu haben, beim nächsten ist die Uhr gerade kaputt und dem Dritten ist das Quittungspapier ausgegangen.

Am Ende fällt die Wahl auf ein Taxi, mit Maske erfolgt der Einstieg auf den Rücksitz. Der Fahrer ist mit einer durchsichtigen Plastikplane abgeschirmt. Es gibt da nur ein Loch, um ihm am Ende den Fahrpreis in dessen aufgehaltene Hand zu legen. Die Stimmung ist etwas angespannt, aber er schaltet tatsächlich seine Taxi-Uhr ein und fährt zügig zum gewünschten Ziel. Am Ende kostet die Fahrt 33 Schekel.

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