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Kein Ausrutscher

In einer Resolution bezeichneten die Jusos die palästinensische Fatah-Jugend im Dezember als ihre „Schwesterorganisation“. Der sich anschließende Aufschrei täuschte darüber hinweg, dass das Problem alles andere als neu ist. Ein Kommentar von Sandro Serafin
Auf ihrem vergangenen Bundeskongress warfen sich die Jusos vor der palästinensischen Fatah-Jugend rhetorisch geradezu in den Staub

Der Aufschrei war groß nach dem Bundeskongress der Jusos Ende November vergangenen Jahres: In einer von 96 Prozent der Delegierten verabschiedeten Resolution bezeichneten die Jungsozialisten den Jugendverband der palästinensischen Fatah-Partei als „Schwesterorganisation“. Zahlreiche Medien griffen das Ereignis auf. (Die Hintergründe lesen Sie hier.) Den aufmerksamen Beobachter der Sozialdemokratie konnte diese Empörungswelle durchaus irritieren. Nicht, weil sie unberechtigt gewesen wäre: Die Fatah hat sich trotz des Osloer Friedensprozesses der 1990er Jahre bis heute nicht von ihren extremistischen Wurzeln verabschiedet. Nach wie vor hetzt sie gegen Juden und unterstützt Terror. Dass ihre Jugendorganisation bei den Jusos als „progressiver Akteur“ durchgeht, stellt das verquere Weltbild der Jungsozialisten unter Beweis.

Allerdings kam die Solidarisierung nicht so überraschend, wie es die Empörung vermuten lässt. Bereits seit 1996 sind Jusos und Fatah-Jugend über die Internationale Union der Sozialistischen Jugend (YUSI) miteinander verbunden. Es ist auch nicht das erste Mal, dass Vertreter der Sozialdemokratie durch eine zweifelhafte Einstellung zum israelisch-palästinensischen Konflikt auffallen. Schon 2012 fabulierte die SPD in einer Mitteilung von „gemeinsamen Werten“ mit der Fatah. Davor hatte Parteichef Sigmar Gabriel nach einem Besuch in Hebron von einem israelischen „Apartheid-Regime“ gesprochen.

Maas und Co. schweigen

Die Liste ließe sich fortsetzen und deutet auf eine gewisse Kontinuität hin. Vielsagend ist auch, dass die SPD-Spitze nach dem jüngsten Skandal entweder konsequent schwieg, oder aber sich von der Debatte demonstrativ genervt zeigte wie Generalsekretär Lars Klingbeil, der die Diskussion als von der CDU inszeniert abtat. Auch Außenminister Heiko Maas, der nach eigenen Angaben „wegen Auschwitz in die Politik gegangen“ ist, meldete sich nicht zu Wort. Immerhin: Christian Lange, SPD-Staatssekretär, trat laut „Jüdische Allgemeine“ aus dem Förderverein des Willy-Brandt-Centers (WBC) aus – ein Hinweis darauf, dass es sehr wohl auch andere Stimmen in der SPD gibt.

Das 1996 auf Initiative der Jusos in Jerusalem gegründet WBC hatte eigentlich im Mittelpunkt des besagten Beschlusses gestanden. Ursprünglich hatten sich die Jusos 2019 mit zwei pro-israelischen Resolutionen hervorgetan, in denen sie unter anderem die „unverhältnismäßige Verurteilung Israels“ bei den UN kritisierten. Dies gefiel jedoch der Fatah-Jugend, Juso-Partner im WBC, gar nicht. Nach Israelnetz-Informationen baute sie – und offenbar auch die linken israelischen Partner – massiven Druck auf und boykottierte zeitweilig die Zusammenarbeit. Um das WBC nicht zu gefährden, distanzierten sich die Jusos mit der neuen Resolution de facto von den pro-israelischen Beschlüssen des Vorjahres – und räumten der Fatah-Jugend noch dazu ein Veto-Recht für Beschlüsse zum Nahost-Konflikt ein.

Abbitte leisten bei der Fatah

Auch der Beschlusstext selbst hat hinter der Fassade einer vorgeblich neutralen Haltung eine anti-israelische Schlagseite. So wird Israel aufgefordert, seine Anti-Terror-Sperranlage abzubauen. In der Debatte zum Antrag warfen sich einige Akteure vor der Fatah rhetorisch geradezu in den Staub. Es seien Reden gewesen, „die nahezu Abbitte leisten wollten“, kritisierten einige Jusos später in einem offenen Brief. Diesen soll die Verbandsführung den Vorwurf gemacht haben, sich an einer Hetzjagd zu beteiligen, wie ein Mitglied Israelnetz berichtete. Auch wenn die Jungsozialisten intern weiter über das Thema diskutierten, entsteht hier doch der Eindruck, die dass die Juso-Spitze die Aufregung am liebsten aussitzen will.

Ein distanzierter Blick auf die Vorgänge wirft nun die Frage auf, was daran denn das eigentlich Neue war. Exerzierten die Jusos hier nicht – wenn auch in besonders ­radikaler Form – eigentlich nur jene bekannten Mechanismen durch, die schon lange Teile der deutschen Israel-Politik prägen: Die Angst vor der eigenen Courage, das Einknicken beim ersten Druck, ein falsches Diplomatieverständnis und ein angeblich neutraler Blick auf den ­Nahost-Konflikt, der am Ende zulasten Israels geht? Denn eines sollte man nicht vergessen: Deutschlands Politik hat nicht erst seit den Jusos ein Israel-Problem.

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 1/2021 des Israelnetz Magazins. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/5 66 77 00, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online. Gerne können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.

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