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„Entscheidung zu Palästina hat keinen politischen Charakter“

Auf Kritik an seiner Entscheidung zur „Lage in Palästina“ reagiert der Internationale Strafgerichtshof mit Fragen und Antworten. Dabei geht er auch auf Israels Premier Netanjahu ein. Indes steht fest, wer neuer Chefankläger werden soll.
Der Internationale Strafgerichtshof hält die Entscheidung für ausgewogen

DEN HAAG (inn) – Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat am Montag einen Fragen-Antworten-Katalog zum Umgang mit der „Lage in Palästina“ veröffentlicht. Anlass war die Kritik an der Entscheidung der Vorverfahrenskammer I vom 5. Februar, dass Ermittlungen gegen Israelis in den palästinensischen Gebieten möglich seien. Kritiker bemängelten, dass die Palästinenser keinen eigenen Staat hätten.

Die Stellungnahme des IStGH trägt den Titel: „Fragen und Antworten zur Entscheidung über die territoriale Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofes zur Lage in Palästina“. Das Gericht weist darauf hin, dass es sich nicht um ein offizielles Dokument handele, sondern um eine Information für die Öffentlichkeit. Zuerst klärt es, was die drei Richter der Vorverfahrenskammer I genau entschieden haben: „dass sich diese Rechtsprechung auf die Gebiete erstreckt, die Israel seit 1967 besetzt hat, also Gaza und das Westjordanland, einschließlich Ostjerusalems“.

„Palästina“ gelte als staatliche Partei im Rom-Statut, da der Aufnahmeprozess korrekt verlaufen sei. Demzufolge sei es ein „Staat“ für die Ziele von Artikel 12(2)(a) des Statuts, heißt es weiter. „Palästina hat damit eingewilligt, sich den Bestimmungen des Rom-Statuts des IStGH zu unterwerfen. Es hat das Recht, bei den Angelegenheiten bezüglich der Umsetzung des Statuts wie jede andere staatliche Partei behandelt zu werden.“

Ferner erklären die Verfasser, warum die Richter überhaupt darüber entschieden. Der Grund sei eine Anfrage der Chefanklägerin Fatou Bensouda vom 20. Dezember 2019 gewesen, als sie den Abschluss der Voruntersuchung zur „Lage in Palästina“ bekanntgegeben habe. Alle Kriterien unter dem Rom-Statut für eine Eröffnung von Ermittlungen seien erfüllt. Das heiße: „Es gibt eine vernünftige Grundlage, zu glauben, dass Kriegsverbrechen im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalems, und im Gazastreifen begangen wurden oder werden.“ Es habe kein Grund für die Annahme bestanden, Ermittlungen entsprächen nicht den Interessen der Gerechtigkeit. Am 22. Januar 2020 habe die Anklägerin wegen der „einzigartigen Umstände in Palästina“ die Vorverfahrenskammer um eine Gerichtsentscheidung gebeten.

Vor Haftbefehl weitere Untersuchungen nötig

Die Frage, ob die Kammer „über Palästinas Eigenstaatlichkeit entschieden“ habe, verneint das Papier klar. Das Gericht habe dafür keine Kompetenz, die Kammer habe keine Aussage zu Grenzen gemacht. Demnach habe die Entscheidung auch keinen politischen Charakter, sondern es sei um juristische Fragen gegangen. Dabei betont der Gerichtshof, dass es weiterer Untersuchungen bedürfe, wenn die Anklägerin einen Haftbefehl ausstellt. Argumente aus den Oslo-Abkommen, wo palästinensische Rechtsprechung eingeschränkt wird, müssten in einer späteren Phase berücksichtigt werden.

Eine weitere Frage in dem Katalog lautet: „Würde die Anklägerin alle Seiten des Konfliktes berücksichtigen?“ Als Antwort gibt das Gericht an, es sei zu einer unabhängigen, objektiven und unparteiischen Amtsausübung verpflichtet. Die Anfrage beziehe sich auf mögliche Verbrechen der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte, israelischer Behörden, der Hamas und bewaffneter palästinensischer Gruppen. Mit dem Bezug auf palästinensische Organisationen widerspricht der Gerichtshof dem palästinensischen Premier Mohammed Schtaje (Fatah). Dieser hatte geäußert, Palästinenser hätten nie angegriffen, sondern sich immer nur verteidigt.

Ferner nimmt das Papier Bezug auf die Frage: „Wie antwortet der IStGH auf Äußerungen von Premierminister Benjamin Netanjahu und anderen Staaten?“ Als Antwort heißt es: „Das Gericht ist eine unabhängige und unparteiische Justizeinrichtung, die unabdingbar ist, um Haftung für die schwersten Verbrechen unter internationalem Recht zu gewährleisten.“ Es werde seine unabhängige Arbeit weiterführen, im Einklang mit seinem Mandat und dem allumfassenden Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.

Neuer Chefankläger gewählt

Indes steht ein Nachfolger für Bensouda fest – sie beendet am 16. Juni ihre neunjährige Amtszeit. Die 123 Mitglieder des Rom-Statuts wählten am Freitag den britischen Anwalt Karim Khan zum neuen Chefankläger. Er erhielt 72 Stimmen. Gegenkandidaten waren der Ire Fergal Gaynor, der Spanier Carlos Castresana Fernandez und der Italiener Francesco Lo Voi.

Khan leitet ein UN-Team, das Vorwürfe gegen den Islamischen Staat von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Irak untersuchen soll. Er hat den Sohn des verstorbenen libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi, Saif al-Islam al-Gaddafi, als Strafverteidiger vertreten. Ein weiterer Mandant des 50-Jährigen war der kenianische Vizepräsidenten William Rutu, der für Todesfälle bei den von Gewalt überschatteten Wahlen im Jahr 2007 verantwortlich gemacht wird. Die Anklage gegen ihn wurde letztlich aufgehoben.

Einem Bericht der Zeitung „Yediot Aharonot“ zufolge war Khan der Wunschkandidat der USA, Großbritanniens und Israels. Sie hätten sich hinter den Kulissen dafür eingesetzt, dass er eine Mehrheit der Stimmen für sich verbuchen konnte. Aus israelischer Sicht gelte der Brite als pragmatisch und sei gegen eine „Politisierung“ des Strafgerichtshofes.

Von: eh

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