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Parteiinterne Wahlen beim Likud

Die Partei von Regierungschef Netanjahu hat sich für die Knesset-Wahlen auf ihre Kandidaten festgelegt. Die anderen Parteien sind noch im Begriff, sich zu sortieren – entsprechend wirkt die Parteienlandschaft derzeit chaotisch.
Der Likud hat seine Wahlliste festgelegt

JERUSALEM (inn) – Parteimitglieder des Likud waren am Dienstag aufgefordert, mit ihren Stimmen die Kandidatenliste für die Knessetwahlen am 9. April festzulegen. Vorläufigen Ergebnissen zufolge kam Knessetsprecher Juli Edelstein nach dem auf Platz 1 gesetzten Parteichef Benjamin Netanjahu auf Platz 2. Ihm folgen Verkehrsminister Israel Katz und Gideon Sa’ar, von dessen Wahl Netanjahu im Vorfeld explizit abgeraten hatte.

Die Plätze 5 bis 7 nehmen Sicherheitsminister Gilad Erdan, Kulturministerin Miri Regev und Tourismusminister Jariv Levin ein. Unter die besten zehn kamen zudem zwei Neulinge: der frühere Jerusalemer Bürgermeister Nir Barkat und der Minister für Einwanderung und Integration, Joav Galant, der von der Kulanu-Partei zum Likud gewechselt ist. Sie belegen die Plätze 8 und 9. Platz 10 hat der Abgeordnete Avi Dichter ergattert.

Im Tel Aviver Ausstellungsgelände und an 113 anderen Orten im ganzen Land waren die Wahlurnen von 10 bis 22 Uhr Ortszeit offen. Obgleich es am Abend regnete, war der Andrang bis zuletzt groß. Von 120.000 eingetragenen Parteimitgliedern seien 57 Prozent, also etwa 70.000, zu den Urnen gekommen. Das sind mehr Wähler, als die einst größte und allmächtige Arbeitspartei heute noch über Mitglieder verfügt.

Netanjahu ließ sich dabei nicht blicken. Ihm wurde eine Wahlurne in die Residenz gebracht. Die israelischen Rechten bemühen sich, als geeinte Kraft mit strammer Gefolgschaft hinter dem Regierungschef zu stehen. Doch am Wahltag herrschte wenig Harmonie.

Putsch befürchtet

Mit seiner Aufforderung, unter keinen Umständen für den Likud-Abgeordneten und früheren Minister Sa’ar zu stimmen, hatte Netanjahu große Aufregung ausgelöst. Der Premierminister befürchtet einen „Putsch“, falls Sa’ar einen der führenden Plätze auf der Kandidatenliste erreichen sollte. Doch weil Sa’ar sehr beliebt ist, löste die „Wahlempfehlung“ Unmut aus. In einem Rundfunkinterview hatte er behauptet, Netanjahu nachfolgen zu wollen, falls der wegen der polizeilichen Ermittlungen angeklagt werden sollte. Das war für den Regierungschef Grund genug, Saar „auszuschalten“.

Gleichwohl betrachten sich viele Likudwähler als eine „große Familie“, so dass auch Berichte über sogenannte „Abschusslisten“ der Begeisterung für die parteiinternen Wahlen keinen Dämpfer aufdrückten. Insgesamt 142 Kandidaten bewarben sich um einen „realistischen“ Platz auf der Liste. „Realistisch“ sind nur die ersten 30 Plätze, für den Fall, dass der Likud bei den bevorstehenden Wahlen wieder 30 Sitze im Parlament mit insgesamt 120 Sitzen gewinnt.

Neue Parteien

In der restlichen politischen Landschaft sieht alles weiterhin chaotisch und verwirrend aus. Denn noch haben sich nicht alle Parteien angemeldet und ihre Kandidatenlisten eingereicht. Viel Aufmerksamkeit erhält weiterhin der ehemalige Generalstabschef Benny Gantz. Aktuell sagen Umfragen seiner Partei Starkes Israel 22 Sitze voraus. Er wird schon als ernstzunehmender Herausforderer Netanjahus gefeiert, obgleich er bis heute nicht verraten hat, ob er sich als „rechts“ oder „links“ einordnet und wie er zu politischen Streitfragen wie der Zwei-Staaten-Lösung steht.

Inzwischen hat es da eine sensationelle innenpolitische Bewegung gegeben. Jair Lapid, Vorsitzender von Jesch Atid („Es gibt eine Zukunft“), der zweitgrößten Partei in der Knesset, ist in der Wählergunst auf eine einstellige Prozentzahl abgesunken. Der ehemalige TV-Moderator Lapid war bis 2015 Finanzminister unter Netanjahu und führte einen Kampf gegen die Vorherrschaft der Ultra-Orthodoxen an. Jetzt berichten israelische Medien, dass er sich mitsamt seiner Partei dem politischen Neuling Gantz anschließen könnte. Lapid sei sogar bereit, in dem Bündnis Gantz den Vortritt zu lassen und sich mit dem zweiten Platz auf der Parteiliste zu begnügen.

Im linken Lager sieht es so aus, als werde die Arbeitspartei mit dem wenig beliebten Avi Gabbai an der Spitze nur noch knapp die Sperrklausel von 3,25 Prozent überwinden. Zippi Livni, die einst mit der Kadima die größte Partei Israels anführte, kämpft mit ihrer HaTnuah-Partei ebenfalls ums Überleben.

Unmut bei arabischen Parteien

Die arabische „Gemeinsame Liste“ hat sich gespalten. Dort gibt es viel Unmut, weil die Beduinen aus dem Süden Israels überhaupt nicht vertreten sind. Das Zugpferd dieser Partei, Achmad Tibi, geht diesmal eigene Wege.

In allen Fällen lässt sich nicht vorhersagen, welchen Erfolg sie haben werden. So können die Umfrageinstitute zum Beispiel nicht das Wahlverhalten der Familienclans in den arabischen Dörfern vorhersehen

Von: Ulrich W. Sahm

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