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Millionen für den Terror?

Seit Jahren zahlt die Palästinensische Autonomiebehörde eine Art Gehalt an Attentäter und deren Familien. Eine Studie nennt nun genaue Zahlen – und macht den europäischen Geldgebern Vorwürfe. Die Bundesregierung wiegelt ab.
Hält Zahlungen an die Familien von Attentätern für eine „soziale Verantwortung“: Mahmud Abbas

Der palästinensische Attentäter nähert sich seinem Opfer langsam von hinten. Er wartet lange – und sticht dann zu. Ari Fuld, ein vierfacher Familienvater, wehrt sich. Am Ende aber wird er diese Messerattacke nicht überleben. Der minderjährige Attentäter wird auf der Flucht angeschossen, er überlebt, wird inhaftiert und schließlich angeklagt. Das war im September. Ein Attentat, wie es in Israel jedes Jahr Dutzende Male stattfindet.

So zynisch es klingt: Für den Attentäter und seine Eltern wird sich dieser Mord am Ende finanziell gelohnt haben. Es dauerte nicht lange, da bestätigte ein Sprecher der palästinensischen Gefangenenkommission laut der Onlinezeitung „Times of Israel“, dass die Familie des Attentäters Anspruch auf Finanzhilfen habe. Wenn der Junge nicht freigelassen werde und die Familie alle notwendigen Dokumente ausfülle, werde sie rund 330 Euro monatlich überwiesen bekommen.

Es ist eine langjährige Praxis: Ein Palästinenser begeht ein Attentat, das im Zusammenhang mit dem „Kampf gegen die israelische Besatzung“ steht – und schon sprudeln die Geldquellen. Wie das „Mideast Freedom Forum Berlin“ (MFFB) in einer Mitte Oktober vorgestellten Studie vorrechnet, zahlten palästinensische Stellen im vergangenen Jahr rund 291,6 Millionen Euro an zehntausend inhaftierte oder aus der Haft entlassene Attentäter sowie an mehrere zehntausend Familien von Terroristen (s. Tabelle).

Je länger die Haft, desto mehr Geld

Dabei gilt: „Je höher die Haftstrafe, desto höher auch die Zahlungen“, erklärt Jörg Rensmann, MFFB-Programmdirektor. So werden palästinensische Attentäter mit einem monatlichen „Gehalt“ von 329 bis 2.823 Euro vergütet – je nach Haftdauer, Familien­stand, politischer Organisation und Herkunft. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Einkommen eines Palästinensers im Westjordanland betrug laut MFFB Ende 2017 etwa 683 Euro monatlich. Für in Armut lebende Palästinenser, darunter 118.000 bedürftige Familien, wendete die Autonomiebehörde 2017 176,6 Millionen Euro auf. Bedürftige müssen sich dementsprechend mit Hilfszahlungen in der Höhe von 174 bis 424 Euro zufrieden geben.

„Es geht hier nicht um generelle Hilfe für alle“, kritisiert denn auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann gegenüber Israelnetz. „Davon profitieren nur die, die Israelis verletzt haben. Damit wird die Bereitschaft zur Gewalt belohnt – ein fatales Signal und großes Hindernis auf dem Weg zum Frieden“, befürchtet die stellvertrende Fraktionsvorsitzende, die Mitglied der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe des Bundestages ist.

In palästinensischer Lesart hingegen dienen die „Terrorgehälter“ der „Stärkung der Standhaftigkeit der Gefangenen und ihrer Familien“, die man als Opfer der „israelischen Besatzung“ ansieht. Die Palästinenser sehen in den Zahlungen eine „soziale Verantwortung“ und bekennen sich dementsprechend offen dazu: „Es sind unsere Kinder, unsere Familien. Wir sind stolz auf sie und wir werden ihnen etwas zahlen, bevor wir den Lebenden etwas zahlen“, zitiert die Studie den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmud Abbas. Der befindet sich damit in Einklang mit der Gesetzeslage in den Autonomiegebieten, die die Unterstützung von Attentätern offiziell vorsieht. Aber lässt sich dieses Vorgehen auch mit dem europäischen Dringen auf Gewaltfreiheit und Toleranz vereinbaren?

Massive Finanzhilfen aus Europa

Jedenfalls fließen Jahr für Jahr viele Millionen Euro an Unterstützungsgeldern aus dem Westen in die palästinensischen Gebiete. Das MFFB hält es für „nicht ausgeschlossen“, dass die Europäische Union (EU) und auch Deutschland indirekt die palästinensische Politik des „pay for slay“ (Bezahlung für Mord) mitfinanzieren. Der Studie zufolge schickte die Bundesrepublik 2017 rund 161 Millionen Euro an Stabilisierungs- und Aufbauhilfen in die palästinensischen Gebiete, darunter 53 Millionen Euro an die Autonomiebehörde selbst „für Maßnahmen der bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit“.

Die EU wiederum stellte zwischen 2012 und 2018 rund 30,2 Millionen Euro für verschiedene Projekte im Rahmen des „Instrument contributing to Stability and Peace“ (IcSP) zur Verfügung. Hinzu kommen jährlich etwa 300 Millionen Euro aus dem „European Neighbourhood Instrument“ (ENI), über das die EU letztlich das sogenannte CSP-Programm und damit die Gehälter von 88 Prozent der PA-Angestellten ko­finanziere. Ganze 452 Millionen Euro ließen sich die 28 Mitgliedsstaaten die Entlohnung von PA-Mitarbeitern demnach zwischen 2014 und 2017 kosten.

Gerade hier liegt das Problem: Attentäter, die mindestens fünf Jahre einsitzen, erhalten nach ihrer Entlassung nicht selten eine Anstellung bei der PA und erscheinen somit auf deren Gehaltsliste. Gefängnisjahre werden als Dienstzeit angesehen. Wer eine 30-jährige Haftstrafe zu verbüßen hat, kann es auf diese Weise bei der Autonomiebehörde bis in den Rang eines Ministers schaffen.

Das MFFB hält es für möglich, dass Attentäter so auch europäische Gelder einheimsen. Denn: Die EU-Hilfen seien „keineswegs“ vor Zweckentfremdung geschützt und die Kontrollen unzureichend. Deutschland ist an beiden Programmen über seinen zwanzig­prozentigen Beitrag zum EU-Haushalt beteiligt. Direkte Zahlungen an das CSP-Programm leistet Berlin jedoch nicht.

Bundesregierung: Keine deutschen Gelder für Märtyrerfamilien

Die Macher der Studie kritisieren das Vorgehen der EU. Ein Teil der Programme stehe „im Widerspruch zu generellen Prinzipien der Entwicklungszusammenarbeit“. „Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde müssen konsequent an das Do-no-harm-Prinzip gebunden und kontrolliert werden“, fordert auch der Linken-Bundetagsabgeordnete Michael Leutert. Laut diesem Prinzip müsste sichergestellt werden, dass europäisches und deutsches Engagement Konflikte nicht verschärft. Die Bundesregierung weist Kritik jedoch von sich.

Auf Israelnetz-Nachfrage hieß es, palästinensische Behörden erhielten keine allgemeine Budgethilfe von deutscher Seite. Mittel der Entwicklungszusammenarbeit würden lediglich projektbezogen bereitgestellt und deren zweckgebundener Einsatz „kontinuierlich überwacht“. Weder die Bundesrepublik, noch die EU beteiligten sich an Zahlungen für „Märtyrerfamilien“. Stattdessen habe man gegenüber der PA „immer wieder“ deutlich gemacht, dass man die Zahlung von „Terrorgehältern“ ablehne. „An der Haltung der Bundesregierung, dass Gewalttaten durch nichts zu rechtfertigen sind, kann es keinerlei Zweifel geben.“

In einer Antwort auf eine Anfrage des ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck hatte die Bundesregierung zudem bereits 2016 erklärt, die PA selbst habe Zahlungen an Gefangene inzwischen eingestellt. Damit bezog sie sich auf einen Erlass von PA-Chef Abbas, der den Fonds für „Schutz und Fürsorge für Gefangene und Entlassene“ 2014 offiziell von der Autonomiebehörde ab- und an die PLO angegliedert hatte – wohl um sich internationaler Kritik zu entziehen.

Doch wie das MFFB herausfand, änderte sich in der Praxis nicht viel: Die PA transferiert das Budget des einstigen Gefangenenministeriums seit 2015 lediglich an eine neu geschaffene PLO-Kommission mit gleicher Aufgabe. Selbiges gilt auch für den zweiten Fonds für den „Schutz und die Fürsorge für Märtyrerfamilien und Verwundete“, der bereits 2005 administrativ ausgegliedert wurde.

USA stoppen Zahlungen

Anders als in Europa geht man in den USA mit der Problematik um. Im März vergangenen Jahres verabschiedete der US-Kongress den sogenannten „Taylor Force Act“. Er ist nach dem US-Veteranen Taylor Force benannt, der 2016 bei einem Attentat in Jaffa sein Leben verlor. In dem Gesetz fordern die Parlamentarier alle Geberländer dazu auf, die direkte Finanzierung des PA-Haushalts einzustellen, „bis die Autonomiebehörde sämtliche Zahlungen stoppt, die zu Terror ermutigen“. Sich selbst verpflichten die USA, die PA nur dann zu unterstützen, wenn sie und die PLO „glaubwürdige Schritte“ unternähmen, Gewalt gegen Israelis zu beenden. Zudem müsse sie Terrorzahlungen stoppen, die entsprechende Gesetzeslage revidieren und Attentate verurteilen.


Zustimmung zu diesem Vorgehen erhielten die USA aus Israel. Die Knesset beschloss im Juli ein ähnliches Gesetz. Seitdem ist die Regierung des jüdischen Staates dazu angehalten, der PA Gelder in der Höhe vorzuenthalten, in der diese Gehälter an Attentäter auszahlt. Das Gesetz beruht auf der Annahme, dass jeder an die PA gezahlte Cent den Palästinensern finanzielle Freiräume eröffnet, ihre Politik des „pay for slay“ weiter fortzusetzen.

Ähnliches formuliert auch Gitta Connemann: Durch die Zahlungspraxis würden bei der PA Mittel frei. Dennoch hält sie das Vorgehen des amerikanischen Verbündeten für schwierig: „Damit ruft man Kräfte auf den Plan, die destabilisierend wirken, allen voran der Iran.“ Die Gesamtbevölkerung in den Autonomiegebieten dürfe nicht für die Taten ihrer Führung in Mithaft genommen werden. Anstatt die Zahlungen gänzlich einzustellen, plädiert sie für eine stärkere Kontrolle der Verwendung der Mittel sowie eine Beschränkung auf Projekte, die der Bildung oder der grundlegenden Versorgung dienen. Connemann meint jedoch auch: „Die EU sollte ihre Direktzahlungen begrenzen – bis die PA die unsägliche Praxis der Terrorförderung beendet.“

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 6/2018 des Israelnetz Magazins. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/5667752, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online.

Von: Sandro Serafin

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