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Familienbande im Weißen Haus

Er gilt als Geheimwaffe von US-Präsident Donald Trump: Jared Kushner, der Schwiegersohn, der den Nahen Osten befrieden soll. Allerdings ist der orthodoxe Ehemann von Ivanka Trump durch seine Russland-Kontakte ins Visier des FBI gerückt. Ein Gastbeitrag von Ansgar Graw
Mein Vater, der Präsident: Ivanka Trump gehört zum Beraterkreis von Donald Trump

Einmal schien es, als sei der religiöse Glaube stärker als die Liebe zwischen zwei Menschen. Da beendeten sie, die Tochter eines presbyterianischen Protestanten, und er, der Sohn orthodoxer jüdischer Eltern, ihre Beziehung. Sie fanden dann aber doch wieder zusammen, heirateten 2009, bekamen drei Kinder – und arbeiten heute beide im Weißen Haus, in der engsten Umgebung des Präsidenten.

Ivanka Trump und Jared Kushner, die Tochter und der Schwiegersohn von Donald Trump, bilden das neue Power-Paar in einer Washingto­ner Polit-Szene, die sich nach dem spektakulären Wahlausgang vom 8. November 2016 gänzlich umgruppiert. Der Beziehungskonflikt zeigt, dass die Religion in der Familie hohe Bedeutung hat. Jared Kushner beendete 2008 wohl auch auf Druck seiner Eltern die Beziehung, die er und Ivanka 2005 begonnen hatten. Ivanka konvertierte daraufhin zum Judentum, die beiden kamen wieder zusammen und heirateten nach jüdischem Zeremoniell. Tochter Araballa Rose (5) und die Söhne Joseph Frederick (3) und Theodore James (1) werden im jüdischen Glauben erzogen.

Dass der Präsident aus der Regierung eine Art Familienunternehmen macht, wird von seinen Kritikern mit Misstrauen beobachtet. Ein Anti-Nepotismus-Gesetz, vom Kongress beschlossen wegen der Berufung von Bobby Kennedy als Justizminister in das Kabinett seines Bruders John F. Kennedy, verbietet derartige Vetternwirtschaft. Einzige Ausnahme: In der Zusammenstellung seiner Mannschaft im Weißen Haus gibt es keine Auflagen für den Präsidenten – solange er Familienangehörige für ihre Dienste nicht bezahlen lässt. Darum agieren Jared Kushner, der Chefberater, und Ivanka, eine Assistentin des Präsidenten, als unbezahlte Mitarbeiter.

Mit Trump auf Augenhöhe

Ivanka war im Trump-Familienkonzern als ausführende Vizepräsidentin mit Zuständigkeiten für Entwicklung und Akquisitionen die rechte Hand ihres Vaters. Auch im Weißen Haus wird die 35-Jährige seinem inneren Kreis zugerechnet. Dass der Präsident Anfang April als Vergeltung für einen syrischen C-Waffen-Einsatz gegen Zivilisten eine begrenzte Militäraktion der USA gegen einen syrischen Luftwaffenstützpunkt anordnete, wird auf Ivankas Drängen zurückgeführt.

Auch der 36-jährige Kushner begegnet dem mit einem ausgesprochenen Ego ausgestatteten Schwiegervater auf Augenhöhe: Er ist durchsetzungsstark wie Trump, Immobilienunternehmer wie Trump, und über den Familienbesitz Milliardär wie Trump. Zusammen mit den Eltern und Bruder Josh verfügt er nach Schätzung des Wirtschaftsmagazins „Forbes“ über ein Gesamtvermögen von rund 1,8 Milliarden Dollar. Trump hat seinen eigenen Besitz im Sommer 2015 auf 10 Milliarden Dollar taxiert, während er laut „Forbes“ 3,5 Milliarden Dollar beträgt.

Trumps Mann für Nahost: Jared Kushner (l.), hier bei einem Treffen mit Israels Premier Benjamin Netanjahu Foto: PMO
Trumps Mann für Nahost: Jared Kushner (l.), hier bei einem Treffen mit Israels Premier Benjamin Netanjahu

Ansonsten überwiegen die Unterschiede zwischen dem Präsidenten und Kushner. Da ist das Verhältnis zu den Medien: Während Trump sich in einem „Krieg mit den Medien“ wähnt, ist Kushner der Besitzer des „Observer“, den er von einem New Yorker Wochenblatt in roten Zahlen zu einer rentablen Website ohne regionale Verortung entwickelte.

Und da sind die gegensätzlichen Charakterzüge beider Männer: Trumps polternde Extrovertiertheit kontrastiert mit der Zurückhaltung Kushners. Bereits während des Wahlkampfes diente Kushner zusammen mit Ivanka dem Kandidaten als ein wichtiger Manager. In der Übergangszeit zwischen Wahlsieg und Amts­einführung leistete sich der Harvard-Absolvent allerdings einen massiven Fehler: Mit dem russischen Botschafter Sergej Kisljak diskutierte er die Möglichkeit eines geheimen, diskreten Drahts zwischen Trump und Moskau, der aus der russischen Botschaft betrieben werden sollte. Das ist nicht illegal, wirft aber angesichts der Moskauer Hackerangriffe auf die Demokratin Hillary Clinton die brisante Frage auf: Was sollte da mit Moskau so eilig jenseits der offiziellen Kanäle diskutiert werden?

Kushner gehört zur linksbürgerlichen Gesellschaft von New York City und war bis zum Wahlkampf registrierter Demokrat. Seine Eltern sind großzügige Spender für demokratische Politiker; unter anderem förderten sie Hillary Clintons erfolgreichen Wahlkampf für einen New Yorker Senatssitz im November 2000.

Orthodoxer Glaube mit Tradition

Jared Kushner ist der Enkel von Holocaust-­Überlebenden aus dem damals polnischen Nawahrudak, das heute zu Weißrussland gehört. In Florham Park in New Jersey, wo das Immobilienunternehmen sitzt, sind die „Joseph Kush­ner Hebrew Academy“ und die „Rae Kushner Yeshiva High School“, die jüdische Schüler vom Kindergarten bis zum Abschluss in der 12. Klasse bringen, nach den Großeltern benannt. Der Enkel wuchs in der Tradition der modernen Orthodoxie auf; die Familie bemüht sich, religiöse Gesetze strikt zu beachten, vom koscheren Essen bis zur Würdigung des Sabbat als Ruhetag, aber sie mit dem Leben in einer säkularen Welt zu verbinden.

Im Alltag eines Präsidentenberaters führt dieses Leben nach den Vorschriften der Religion gelegentlich zu Problemen. Schon am 20. Januar, dem Tag der Inauguration, wurde das deutlich: Der President-elect besuchte, einer von Franklin D. Roosevelt in den 30er Jahren begründeten Tradition folgend, den Gottesdienst in der St. John’s Episcopal Church schräg gegenüber vom Weißen Haus. Ihm und First Lady Melania folgten Jared Kushner und Ivanka Trump auf dem Fuße. Eigentlich besuchen orthodoxe Juden keine Kirchen; angeblich ließen sich Ivanka und ihr Mann von einem Rabbi eine Ausnahmegenehmigung erteilen.

Dass Jared Kushner durchsetzungsstark ist, bekam Chris Christie zu spüren. Der republikanische Gouverneur von New Jersey startete 2015 selbst als Bewerber für das Ticket zum Weißen Haus und schlug sich im Februar 2016 als einer der ersten „Establishment-­Republikaner“ auf die Seite Trumps. Anfänglich träumte der Gouverneur dem Vernehmen nach vom Posten des Vizepräsidenten. Letztlich wurde er nur Chef einer von Trump eingerichteten Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des Drogen­missbrauchs. Mutmaßlicher Grund: Als New Yorker Generalbundesanwalt hatte Christie 2005 Charlie Kushner, den Vater von Jared, wegen illegaler Wahlkampfspenden und Steuerbetrugs in einem filmreifen Skandal samt Sexfallen und Erpressung durch Fotobeweise für 18 Monate hinter Gitter gebracht. Schüler der Kushner-Schulen überklebten damals vorübergehend den Familiennamen auf ihren Shirts mit Klebeband.

„Jared Kushner beschreibt den Fall des Vaters als einschneidendes Element seines Lebens“, bilanziert Lizzie Widdicombe in einem großen Porträt über Ivanka und Jareds „Powerplay“ im Magazin „The New Yorker“ im August 2016. So etwas konnte nicht zur Freundschaft zwischen Chris Christie und Jared Kushner führen.

Fehlende Erfahrung

Verständnis für die bedrängte Situation der Juden im Nahen Osten bringt Kushner aufgrund seiner Biografie mit; an politischem Faktenwissen und diplomatischer Erfahrung fehlt es ihm indes. Dennoch gilt er im Weißen Haus als „Trumps Mann für die Außenpolitik“. Der Präsident, der selten eingesteht, dass andere einen höheren Intelligenzquotienten als er haben könnten, lobt ihn als „wirklich sehr schlau“. Er nahm ihn und Ivanka mit zur ersten Auslandsreise mit Stationen in Riad und Jerusalem.

Nach seiner ersten Begegnung mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas im Weißen Haus verblüffte Trump die Welt mit seiner Einschätzung, eine Friedenslösung für die Region sei „vielleicht nicht so schwer, wie die Leute über die Jahre gedacht haben“. Schon zuvor hatte er seine Hoffnung deutlich gemacht, dass der Schwiegersohn die Probleme lösen wird, an denen die regionalen Mächte und amerikanische Außenminister seit einem halben Jahrhundert gescheitert sind. „Wenn du keinen Frieden im Nahen Osten erreichen kannst“, sagte Trump zu Kushner, „kann es niemand“.

Ansgar Graw ist seit 2009 Auslandskorrespondent für „Welt“, „Welt am Sonntag“ und „welt.de“ in Washington D.C. Im Sommer erscheint sein Buch „Trump verrückt die Welt“ (Herbig-Verlag, 19,99 Euro).

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 3/2017 des Israelnetz Magazins. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/915152, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online.

Von: Ansgar Graw

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