Suche
Close this search box.

Gewaltregime im Küstenstreifen

Seit zehn Jahren kontrolliert die islamistische Hamas den Gazastreifen. Wirtschaft, Strom- und Wasserversorgung funktionieren mehr schlecht als recht. Die Probleme sind größtenteils hausgemacht.
Im Gazastreifen ist die Hamas seit zehn Jahren an der Macht (Archivbild)

Vor zehn Jahren hat die islamistische Organisation Hamas im Gazastreifen geputscht. Diese allgemein akzeptierte Ansicht ist ebenso falsch wie die Behauptung, dass Israel 1987 die Hamas als „Gegengewicht zur PLO“ gegründet habe. Tatsache ist, dass die frommen palästinensischen Moslems bereits in den 1970er Jahren Armenküchen betrieben und Moscheen gebaut haben – mit israelischer Genehmigung. Sie lieferten den Israelis keinen Vorwand für Verhaftungen. Gleichwohl steckten die Israelis den späteren Mitgründer der Hamas, den querschnittsgelähmten Scheich Ahmad Jassin, 1984 ins Gefängnis, nachdem sie bei ihm Waffen gefunden hatten. Dass die Gewehre gegen die „Palästinensische Befreiungsorganisation“ PLO eingesetzt werden sollten, war kein Grund für Gnade bei „illegalem Waffenbesitz“.

Im Gegensatz zur PLO wollten sich die Islamisten zunächst nicht mit Terroranschlägen verzetteln und schmerzhafte israelische Vergeltung provozieren. Die Hamas gründete sich 1987 als Ableger der ägyptischen Moslembrüder – ihr Chefideologe Jassin war inzwischen durch einen Gefangenenaustausch freigekommen. Nach ihrer Gründung begann auch die Hamas, sich mit blutigen Selbstmordanschlägen hervorzutun. Das politische Ziel der Organisation: Israel zerstören und an seiner Stelle ein islamisches Kalifat errichten. Ihre Gründungscharta enthält übelste Verschwörungstheorien gegen Juden und Zionisten.

Seither geht Israel mit äußerster Schärfe gegen die „Terror-­Organisation“ vor. Scheich Jassin und andere Hamasführer wurden „außergerichtlich hingerichtet“. So werden im Ausland ferngelenkte gezielte Tötungen von Israel genannt.

Infolge des Beschusses Israels mit über 12.000 Raketen wurden inzwischen drei Gaza-Kriege geführt, 2009, 2012 und 2014. Die Israelis sprechen von „Militäroperationen“, weil der Gazastreifen kein Staat ist. Fünf Waffenstillstandsabkommen hatte die Hamas 2014 verletzt und so den Krieg 50 Tage in die Länge gezogen. Israel wiederum richtete große Zerstörungen an, marschierte aber nur punktuell ein. Denn es hat kein Interesse, den 2005 geräumten Gazastreifen erneut zu erobern oder die Hamas zu zerschlagen.

Machtübernahme war kein Putsch

Im Juni feiert die Hamas das zehnjährige „Jubiläum“ ihrer Macht- übernahme im Gazastreifen. Nach Angaben eines Vertreters der palästinensischen Nachrichtenagentur „Ma‘an“ war dies jedoch kein Putsch: „Die Hamas hat sich genommen, was ihr zustand.“

Die Hamas hatte im Januar 2006 die demokratischen Wahlen haushoch gewonnen und die von Jasser Arafat gegründete Fatah­-Partei geschlagen. Dies gelang ihr aufgrund des palästinensischen Wahlsystems: Nicht die Gesamtzahl der Wählerstimmen entscheidet. Sondern jener einzelne Kandidat gewinnt den Wahlkreis, der die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Wohldiszipliniert stellte die Hamas jeweils nur einen Kandidaten auf, während die zerstrittene Fatah Dutzende ins Rennen schickte. Obgleich die Fatah-Partei die meisten Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte, räumten Hamas-Anhänger die meisten Wahlkreise ab und stellten so eine Mehrheit im palästinensischen Parlament. Dieses wurde daraufhin vom palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas aufgelöst und ist seitdem nicht mehr zusammengetreten. Statt mit Gesetzen regiert Abbas mit Dekreten.

Seit einer gefühlten Ewigkeit herrscht die Fatah-Partei über die Palästinenser. Sie konnte oder wollte ihre Niederlage 2006 nicht eingestehen. Also weigerte man sich in Ramallah, der Hamas die Schlüsselposten zur Macht zu übergeben: Geheimdienst, Polizei, Waffen, Gefängnisse, und Kontrolle über die Gelder. Die Fäden zieht bis heute der Erbe Arafats: Mahmud Abbas.

Seit dem „Putsch“ wütet nun die Hamas im Gazastreifen mit einer brutalen Gewaltherrschaft. Fatah-Anhänger wurden von Hochhäusern geworfen, ins Gefängnis gesteckt, erschossen oder vertrieben. Die Anführer der Hamas bereichern sich dank Korruption, ähnlich wie die Herrscher im Westjordanland. Die humanitären Katastrophen im Gazastreifen sind von der Hamas weitgehend selbst verschuldet.

Wasserprobleme

Der Wassermangel hängt mit einer Versalzung des unterirdischen Süßwasser-Sees zusammen, auf dem der Küstenstreifen „schwimmt“. Das Grundwasser wird im Winter durch Regen aufgefüllt. Solange die Israelis im Gazastreifen herrschten (bis 2005), gab es scharfe Kontrollen. Niemand durfte das nur wenige Meter unter der Erdoberfläche stehende Wasser privat abpumpen. Der Abzug der Israelis wurde von den Palästinensern als „Befreiungsschlag“ aufgefasst. Viele erwarben Pumpen und besorgten sich ihr Trinkwasser „kostenlos“. Die Natur rächte sich. Salziges Meereswasser floss nach und machte alles Trinkwasser ungenießbar.

Die Hamas bezichtigte gleichwohl Israel, weil es während der Kriege 2009 und 2014 die Infrastruktur zerstört habe. Das stimmt teilweise. Doch verschweigt die Hamas, dass sie Kläranlagen, Pump-Anlagen und sogar UNO-Schulen als Abschussrampen für den Raketenbeschuss Israels benutzt hat. Laut Völkerrecht verlieren Hospitäler ihren „geschützten Status“, sobald sie als Militärstellungen missbraucht werden.

Strommangel und Wirtschaftsmisere

Der Gazastreifen erhielt seinen Strom aus Ägypten, Israel und aus eigener Produktion. Mit Ägypten gab es aufgrund der Nähe der Hamas zu den ägyptischen Moslembrüdern „Probleme“. Deshalb sprang die EU nach dem „Putsch“ der Hamas 2007 ein. Mit Millionenbeträgen garantierte sie die Belieferung des einzigen Kraftwerks mit Kraftstoff. Ein EU-Vertreter sagte bei einer Pressekonferenz in Jerusalem: „Die Menschen in Gaza sind nicht da-ran gewöhnt, ihre Stromrechnungen zu zahlen und die EU will sie nicht im Finstern sitzen lassen.“ Das Problem mit den unbezahlten Rechnungen gilt auch heute noch. Normalerweise wird mit den Stromrechnungen auch die Stromerzeugung finanziert. Derzeit weigert sich die Hamas, der Autonomiebehörde den von Israel gelieferten Strom und die Steuern für Schweröl zu bezahlen.

Solange es noch die mittlerweile von Ägypten weitestgehend zerstörten Schmugglertunnel unter der Grenze zum Sinai gab, verdiente die Hamas an Steuern und Abgaben der Schmuggler. Um sich die Geschäfte nicht zu verderben, sorgte sie mit Beschuss für die Schließung des Eres-Industriezentrums in Israel, wo Tausende Palästinenser arbeiteten. Ebenso wurde der Karni-Warenübergang so oft angegriffen, bis ihn die Israelis stilllegten. Heute gibt es nur noch das Warenterminal in Kerem Schalom, wo etwa 800 Lastwagen täglich Waren in den Gazastreifen bringen.

Israel verhindert freilich den Transfer von Zement oder Metall, die für die militärische Infrastruktur der Hamas missbraucht werden könnten. Andererseits zögert die Hamas nicht, immer wieder Zielfernrohre, Taucheranzüge oder Chemikalien für die Herstellung von Sprengstoffen in den Gazastreifen zu schmuggeln.

In der Propaganda wird stets Israel beschuldigt, den Gazastreifen in das „größte Freiluftgefängnis der Welt“ verwandelt zu haben. Die Hamas hat jedoch entscheidend dazu beigetragen. Die Seeblockade ist schon in den Osloer Verträgen festgeschrieben, um Waffenschmuggel zu verhindern. Neben den Angriffen auf die Warenterminals hat die Hamas auch das Kontrollregime entlang der elf Kilometer langen Grenze des Gazastreifens zu Ägypten zerstört.

Israel, Ägypten, die Autonomiebehörde und die EU hatten ein kompliziertes System ausgehandelt, damit Israel per Fernlenkung den Menschen- und Warenverkehr überwachen kann. Eine Elitetruppe aus Ramallah sollte diese Absprachen zusammen mit deutschen Zöllnern im Auftrag der EU garantieren. Die Hamas vertrieb mit Waffengewalt die palästinensischen Aufpasser. Die Deutschen flohen umgehend in Richtung Israel, wo sie mit guten Gehältern bis heute immer noch darauf warten, ihre Arbeit wieder aufnehmen zu können. Etwa 450.000 Menschen passierten bis zum „Putsch“ diese Grenze, 1.500 täglich. Seitdem ist sie fast durchgängig geschlossen.

Hoffnung auf politische Anerkennung

Das größte Problem der Hamas ist die mangelnde internationale Anerkennung. Die Palästinenser sind gespalten. Alle Versöhnungsversuche sind vorläufig fehlgeschlagen. Die USA, die UNO, die EU und andere haben die Hamas zur „Terror-Organisation“ erklärt. Das bedeutet Sanktionen und ein totales Kontaktverbot, an das sich allerdings die „neutrale“ Schweiz nicht hält. Bunde­­s­kanzlerin Angela Merkel verkündete Ende Januar 2006 in Jerusalem, dass die Hamas „dem Terror absagen, Israel anerkennen und sich an alle Abmachungen halten“ müsse. Der massive Raketenbeschuss Israels und die von der Hamas angezettelten Kriege waren Methoden, internationale Beachtung, Anerkennung und am Ende Gelder „für den Wiederaufbau“ zu erhalten.

Um die „Probleme zu lösen“, rief der ehemalige SPD-­Vorsitzende und heutige Außenminister Sigmar Gabriel Israel auf, die Hamas anzuerkennen. Das geht grundsätzlich nicht, denn die Hamas ist nur eine palästinensische Partei. Auf die Frage, ob Israel nun auch die SPD, die NPD oder die FDP anerkennen sollte, fiel Gabriel nicht mehr als ein Lachen ein.

Die Israelis haben andere Wege, mit der Hamas „zu reden“, etwa um Warenlieferungen zu koordinieren oder wenn wieder einmal vom Gazastreifen aus eine Rakete in Richtung Israel abgeschossen wird. Dann demonstriert Israel, dass allein die Hamas die Verantwortung im Gazastreifen trägt. Gleichgültig welche Splittergruppe die Rakete abgeschossen hat, reagiert Israel grundsätzlich mit Beschuss von Stellungen der Hamas. So büßt die Hamas für ihren Anspruch, im Gazastreifen die volle Kontrolle zu halten.

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 3/2017 des Israelnetz Magazins. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/915152, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online.

Von: Ulrich W. Sahm

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen