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Gesetz zum Ausschluss von Abgeordneten verabschiedet

Wer zu Rassismus aufruft oder die bewaffneten Gegner Israels unterstützt, soll als Abgeordneter des israelischen Parlaments nicht länger tragbar sein. Das besagt das neue Gesetz zum Ausschluss von Abgeordneten. Oppositionspolitiker sehen die Demokratie in Gefahr.
Die Knesset-Abgeordnete Hanin Suabi sorgte im Juni für einen Tumult, als sie israelische Soldaten als „Mörder“ bezeichnete
JERUSALEM (inn) – Dienstagnacht hat die Knesset in der dritten Lesung ein Gesetz verabschiedet, das es erlaubt, einen Abgeordneten aus dem Parlament auszuschließen. Die Knesset ist jetzt in der Lage, einen Abgeordneten wegen Aufruf zu Rassismus oder der Unterstützung von bewaffneten Gegnern des Staates Israel zu entlassen. Das Gesetz ist mit 62 zu 45 Stimmen angenommen worden, wie es in einer Mitteilung der Knesset heißt. Demzufolge wird es aber nicht möglich sein, einen Abgeordneten während des Wahlkampfes seines Amtes zu entheben. Als Wahlkampf-Zeitraum sind die 180 Tage vor dem Wahltag definiert. Für den Ausschluss eines Abgeordneten bedarf es bei 120 Sitzen im israelischen Parlament einer Mehrheit von 90 Stimmen. Um ein Ausschlussverfahren einzuleiten, braucht es 70 Stimmen, wobei 10 Stimmen aus dem Lager der Opposition stammen müssen. Der Antrag ist dann dem Knesset-Sprecher vorzulegen. Dieser gibt den Antrag in den zuständigen Knesset-Ausschuss zur Diskussion. Wenn der Antrag eine Dreiviertelmehrheit im Ausschuss erhält, stimmt die Knesset darüber ab. Bislang konnten Abgeordnete nur entlassen werden, wenn sie eine moralisch besonders fragwürdige Straftat begangen hatten.

Gesetz fast gescheitert

Abgeordnete der Oppositionsparteien hatten Hunderte von Einsprüchen gegen den Gesetzesentwurf eingebracht. Diese wurden aber in der nächtlichen Knesset-Sitzung am Dienstag zurückgezogen, als es so schien, dass die Regierungskoalition wegen fehlender Abgeordneter nicht auf die notwendige Mehrheit im Parlament kommen würde. Um die Situation zu nutzen, sollte umgehend abgestimmt werden. Die aus 66 Abgeordneten bestehende Koalition schaffte es allerdings, die Abstimmung so lange aufzuschieben, bis die notwendige Mehrheit anwesend war. Um die Abstimmung zu verschieben, hielt beispielsweise der Minister für Einwanderung von der Regierungspartei „Likud“, Se‘ev Elkin, eine Rede, in der er immer wieder die folgenden zwei Sätze sagte: „Heute hat sich gezeigt, dass die Arbeitspartei und die Partei ‚Jesch Atid‘ für die Abgeordnete des arabischen Parteienbündnisses ‚Vereinigte Liste‘, Hanin Suabi, arbeiten. Ihr solltet euch schämen.“ Premierminister Benjamin Netanjahu hatte das Gesetz zum Ausschluss von Abgeordneten vorgeschlagen, nachdem sich die „Balad“-Abgeordneten Dschamal Sahalka, Suabi und Basel Ghattas im Februar mit Familienangehörigen von Terroristen getroffen hatten. Die Abgeordneten hatten an einer Schweigeminute für den Attentäter teilgenommen. Auf der Facebook-Seite der Partei Balad sei der Terrorist außerdem als „Märtyrer“ ausgewiesen worden. Allerdings ist das neue Gesetz nicht rückwirkend anwendbar. Die Abgeordnete Suabi lieferte in den Augen der Regierung einen weiteren Anstoß für das neue Gesetz, als sie im Zusammenhang mit dem „Mavi Marmara“-Vorfall des Jahres 2010 israelische Soldaten in der Knesset als „Mörder“ bezeichnet hatte.

Abschreckender Effekt für Parlamentarier

Der Vorsitzende des Gesetzgebungsausschusses, Nissan Slomiansky (HaBait HaJehudi), sagte bei der Debatte vor der Abstimmung am Dienstag: „Die Knesset wird nicht mehr länger zur Verschleierung von Terrorismus und Rassismus dienen.“ Mitglieder des Parlaments würden vom Staat bezahlt und dürften ihr Gehalt nicht dafür verwenden, sein Fundament zu untergraben. Slomiansky hofft durch das neue Gesetz auf einen abschreckenden Effekt für die Parlamentarier. Abgeordnete der Opposition protestierten, indem sie das Gesetz als rassistisch und gegen die arabische Bevölkerung zielend bezeichneten. Das arabische Bündnis „Vereinigte Liste“ hatte bereits in den Ausschusssitzungen angekündigt, die Knesset zu verlassen, wenn das Gesetz durchkomme. Der Abgeordnete der „Vereinigten Liste“, Jussef Dschabarin, bezeichnete das neue Gesetz als „Tyrannei der Mehrheit“, weil es nur darauf abziele, die arabischen Abgeordneten zu diskriminieren. Dschabarin hatte Briefe an den UN-Sonderberichterstatter für Minderheitenrechte geschickt und seinen Unmut über das neue Gesetz kund getan. „Israel hat sich weit von akzeptablen Normen und dem demokratischen Diskurs entfernt“, sagte der Politiker. Das Gesetz solle arabische Abgeordnete zum Schweigen bringen und davon abhalten, sich aufrichtig um die Belange der eigenen Wähler zu kümmern.

Schandfleck für das israelische Parlament

Im Vorfeld der Abstimmung hatte sich der Oppositionsführer, Isaak Herzog (Zionistische Union), kritisch geäußert: „Wenn dieses Gesetz durchgeht, wird es ein Schandfleck für die Knesset sein.“ Der Vorsitzende der „Vereinigten Liste“, Ajman Odeh, bezeichnete das neue Gesetz bereits am Montag als nur eine weitere Stufe im großen Plan Netanjahus, die „palästinensische Opposition“ und die Kritik an Israel zum Schweigen zu bringen. „Netanjahu will nicht, dass die Araber wählen“, sagte Odeh. Auch sei der Premierminister nicht daran interessiert, eine legitimierte politische Kraft der Araber in der Knesset zu haben. Er wolle ausschließlich Politik für Juden machen. Die Anwältin der israelischen Bürgerrechtsorganisation „Acri“, Debbie Gild-Hajo, sieht laut der palästinensischen Nachrichtenagentur „Ma‘an“ das Recht auf freie Meinungsäußerung, aber auch das Wahlrecht und die politische Repräsentation im Parlament in Gefahr: „Dieses Gesetz schadet den Grundpfeilern der Demokratie.“ Es erlaube Parteien, als Ermittler, Ankläger und Richter zu fungieren. Das betreffe vor allem den Gesetzgebungsausschuss, der die Amtsenthebungsverfahren mit einleitet und der von politischen und wahltechnischen Interessen bestimmt sei. (mm)

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