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Chaotische Regierungsvereidigung

Am Donnerstagabend ist die 34. israelische Regierung in der Knesset vereidigt worden. Mit der Anwesenheit des Staatspräsidenten und Ehrengästen war alles für eine feierliche Zeremonie bereitet. Doch der zeremonielle Akt wurde immer wieder verschoben und endete schließlich in einem unwürdigen Chaos.
Netanjahu hat am Donnerstagabend die 34. Regierung Israels vorgestellt.
Bis zur letzten Minute wussten die künftigen Minister nicht einmal, ob und welchen Posten sie erhalten würden. Und weil sich die Gespräche mit den Koalitionspartnern bei Premierminister Benjamin Netanjahu in die Länge zogen, musste die zunächst auf 19 Uhr angesetzte Vereidigung immer wieder vertagt werden. Vor allem weil der ehemalige Außenminister Avigdor Lieberman mit seiner Partei „Israel Beitenu“ dem Premierminister eine gehässige Absage erteilt hatte, verfügt Netanjahu nur noch über eine einzige Stimme Mehrheit im Parlament von 120 Abgeordneten. Die entscheidend gestärkte Opposition versprach Netanjahu, das Leben zur Hölle zu machen. Seine Gefolgsleute dürften nicht einmal auf die Toilette gehen, geschweige denn ins Ausland reisen. Bei Abstimmungen könnten sie leicht unterliegen, wenn auch nur ein einziger Abgeordneter im Plenarsaal fehle. Einen Vorgeschmack der unsicheren Verhältnisse gab es bereits im Laufe des Donnerstags, als Netanjahu die fast unmögliche Aufgabe vornahm, die Ministerposten zu verteilen. Denn eine falsche Entscheidung hätte im Handumdrehen dazu führen können, dass sogar ein Koalitionsmitglied abspringt und der Regierung das Vertrauen versagt. Am Mittag brach Panik aus, als sich Ajub Kara, ein arabischer Abgeordnete des Likud-Blocks, in seinem Büro an die Brust fasste. Seine Mitarbeiter riefen sofort eine Ambulanz und ließen ihn sicherheitshalber ins Hadassa-Hospital abtransportieren. Es war nichts passiert. Aber es sah schon so aus, als würde Netanjahu die eine entscheidende Stimme für die Bestätigung der Regierung am Abend fehlen. Im Laufe des Tages gab es nur Gerüchte zur Verteilung der Posten, wobei Netanjahu sowohl seine eigene Likud-Partei als auch die Koalitionspartner zufrieden stellen musste. Einige erhielten abgespeckte Posten, oder halbe Ministerien, während Netanjahu ein halbes Dutzend Ämter für sich reservierte, darunter das Außenministerium. Er wollte auch künftig freie Hand für mögliche Koalitionsverhandlungen behalten. Klagen und Beschwerden gab es allemal, bis Netanjahu die Ministerliste fertig gestellt hatte. Gila Gamliel, eine junge Abgeordnete, wollte sich nicht mit „alten Sachen“ begnügen, dem Ministerium für Senioren. So wurden ihrem Aufgabenbereich auch noch Jugendliche hinzuformuliert. Namhafte Politiker und Veteranen des Likud, darunter Ofir Akunis und Benni Begin, wurden „Minister ohne Aufgabenbereich“. Das Strategieministerium, früher in den Händen von Netanjahus Vertrautem Juval Steinitz, wurde Israel Katz zugeschlagen, der nun den schönen Titel trägt: Verkehrsminister, verantwortlich auch für Verkehrssicherheit, Geheimdienste und die Kommission für Atomenergie. Netanjahu selbst ernannte sich zum Regierungschef, Gesundheitsminister, Außenminister, Minister im Kommunikationsministerium und Minister für regionale Kooperation.

Arabische Abgeordnete sorgen für Tumulte

Um 22 Uhr war es endlich so weit. Netanjahu trat ans Podium, um seine Regierung vorzustellen. Er hob an mit der Regierungserklärung: „Wir werden für die Sicherheit der Bürger Israels sorgen und für Frieden …“ Kaum hatte er das Wort „Frieden“ ausgesprochen, brachen Tumulte aus. Ganz laut brüllte der Abgeordnete Ahmed Tibi von der arabischen „Vereinigten Liste“ in den Saal: „Frieden? Welcher Frieden?“. Andere arabische Abgeordnete bezichtigten Netanjahu der Lüge. Er mache sich lächerlich. Einen nach dem anderen rief der Knesset-Vorsitzende Juli Edelstein „zur Ordnung“ auf. Ein erstes, ein zweites und ein drittes Mal. Die lauten Zwischenrufe wollten nicht enden. Ordner wurden gerufen. Sie komplimentierten erst einen und dann weitere arabische Parlamentarier hinaus, bis schließlich fast die ganze Truppe der 13 Abgeordneten der „Vereinigten Liste“ den Saal verlassen hatte. Erst zur namentlichen Abstimmung, dem Vertrauensvotum, wurden die hinausgeworfenen Abgeordneten wieder zugelassen. Der Rest des Abends verlief wie üblich. 61 Parlamentarier stimmten für die neue Regierung, 59 dagegen. Netanjahu und seine Minister traten einzeln ans Podium, um den vorgefassten Eid zu sprechen, den Gesetzen und dem Staat Israel treu zu dienen. Das verlief ohne weitere Zwischenfälle, auch als sich der ehemalige Gesetzesbrecher Arieh Machluf Derri nach abgesessener Gefängnisstrafe zum neuen „Wirtschaftsminister mitsamt der Entwicklung von Galiläa und dem Negev“ vereidigen ließ. Inzwischen hatte Staatspräsident Reuven Rivlin den Plenarsaal verlassen. Netanjahu rief ihn noch an, und fragte, ob er noch in der Nacht, inzwischen weit nach Mitternacht, mit seinen Ministern für das traditionelle „Familienfoto“ im Präsidentenpalais vorbei kommen dürfe. Doch Rivlin ist mit 75 Jahren nicht mehr der Jüngste und beschied Netanjahu, dass er schlafen gegangen sei. Das Familienfoto mit allen Ministern, dem Regierungschef und Präsidenten wurde auf die nächste Woche verschoben. (uws)

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