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Historische UN-Konferenz zu Antisemitismus

Die Vereinten Nationen haben am Donnerstag in New York Geschichte geschrieben: Erstmals seit ihrer Gründung vor fast 70 Jahren befassten sie sich in einer Sondersitzung mit dem Thema Antisemitismus. Doch ein Wermutstropfen bleibt – nur etwa die Hälfte der 193 UN-Mitglieder nahm an der Konferenz teil.
Hauptredner der Konferenz: Der französische Philosoph Bernard-Henri Levy
Die Sondersitzung zum Thema Antisemitismus war seit Oktober in Planung. 37 Mitgliedsstaaten, angeführt von Israel, hatten sie beantragt. Staatsoberhäupter waren nicht zugegen. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon war per Videoübertragung zugeschaltet. Er betonte: „Im Laufe der Jahrhunderte und auf der ganzen Welt wurden Juden vertrieben, geschlagen, gedemütigt und ermordet. Nur weil sie Juden waren. Die größte Monstrosität des Antisemitismus war der Holocaust. Die Vereinten Nationen wurden auch dafür gegründet, damit sich so etwas nicht wiederholt.“ Ban warnte: Unzufriedenheit mit Israels Politik dürfe nicht als Entschuldigung für Angriffe gegen Juden genutzt werden. Der französische Philosoph Bernard-Henri Levy erklärte als Hauptredner: „Eine Welt, in der ein Jude erneut zum Sündenbock für die Ängste und Frustrationen aller wird, wäre eine Welt, in der freie Menschen nicht mehr frei atmen können.“ Weiter sagte er: „Israel trägt manchmal mit seiner Politik zur Ablehnung von Juden bei. Aber das ist etwas anderes als der Antisemitismus, um den es hier geht. Selbst wenn Israel eine Nation von Engeln wäre, selbst wenn Israel den Palästinensern einen Staat garantieren würde – was deren Recht ist –, würde sich am Hass gegen Israel kein Jota ändern.“ Laut einer Mitteilung der Vereinten Nationen forderte Levy die UN auf, eine zweite Sitzung im nächsten Jahr an einem anderen Ort einzuberufen, um die Wahrheit der letzten Jahrzehnte zu zeigen, die Schrecken der ethnischen Säuberung in Bosnien, Burundi, der Demokratischen Republik Kongo, in Palästina und anderswo.

Saudi-Arabien: „Besatzung fördert Antisemitismus“

Da die Konferenz eine informelle war, konnten die Teilnehmer keine Entscheidungen treffen, verfassten aber eine gemeinsame Erklärung. 40 Staaten haben das Dokument unterzeichnet, in dem es unter anderem heißt: „Die Vereinten Nationen müssen vorangehen und eine entscheidende Rolle spielen bei der Bekämpfung von Antisemitismus, Intoleranz, Diskriminierung und Gewalt aufgrund einer Religion. Es ist eine moralische Pflicht für diese Institution, Regierungen weltweit aufzurufen, Toleranz und gegenseitigen Respekt in ihren Gesellschaften zu fördern.“ Alle 193 UN-Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, jegliche Form von Antisemitismus abzulehnen. Die Gesetzgebungen müssten überprüft werden, um sicherzugehen, dass Diskriminierung aufgrund einer Religion ausreichend bekämpft werde. Unter den Rednern war auch der saudi-arabische UN-Botschafter Abdallah al-Mualimi. Er sprach im Namen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC). Al-Mualimi erklärte, muslimische Staaten verurteilten alle Worte und Taten, die zu Hass, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit führten. Der „Anstieg an Hass, Verbrechen, Extremismus, Gewalt und Antisemitismus“ sei zudem eng verbunden mit der Situation zwischen Israel und den Palästinensern. „Kolonialisierung und Besatzung heizt Antisemitismus an“, zitiert die Tageszeitung „Jerusalem Post“ den arabischen Botschafter. Die UN-Botschafterin der USA, Samantha Power, erklärte dazu, ihr Land akzeptiere Kritik an Politik. Es lehne aber alles ab, was eine Rechtfertigung für Antisemitismus vermuten lasse. Es dürfe nicht vergessen werden, dass die Leugnung des Holocaust im Nahen Osten und in Nordafrika noch weit verbreitet ist, oder dass es extremistische Gruppen gibt, „die eine radikale Form des Islam predigen und glauben, sie erledigen Gottes Arbeit, indem sie Juden töten“.

„Europa wird getestet“

Deutschland war durch seinen Staatsminister für Europa, Michael Roth, vertreten. Der SPD-Politiker betonte, die Bundesrepublik werde immer an vorderster Front gegen Antisemitismus kämpfen. Sie verfolge in dieser Hinsicht eine „Null-Toleranz-Politik“. Israels UN-Botschafter Ron Prosor dankte in seiner Rede für das Zustandekommen der Konferenz. Besonderen Dank brachte er Kanada, Frankreich und Deutschland entgegen, die durch Staatsminister vertreten waren. Der Diplomat betonte: „Europa wird getestet. Wir brauchen keine weiteren Denkmäler, die an die Juden erinnern, die in Europa ermordet werden. Wir brauchen eine starke und dauerhafte Verpflichtung, um Juden zu schützen, die in Europa leben. Wenn die Regierungen ihre jüdischen Gemeinden erfolgreich verteidigen, dann werden sie auch erfolgreich bei der Verteidigung von Freiheit und Demokratie sein.“ Prosor erzählte von seiner deutschen Großmutter Elfrieda. Diese habe 1936 erkannt, dass es in Deutschland keine Zukunft für sie und ihre Familie gibt und floh in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina. Er selbst wurde 13 Jahre nach Ende des Holocaust in Israel geboren. „Ich kannte viele Juden, die die Barbarei der Nazis überlebt haben. Ich habe die eintätowierten Nummern auf ihren Armen gesehen und ihre herzbrechenden Geschichten gehört. In einigen Woche werde ich zum ersten Mal Opa. […] Es schmerzt mich zu wissen, dass meine Enkelin in eine Welt geboren wird, die noch immer von Antisemitismus befleckt ist“, so Prosor.

„Juden werden nie mehr hilflos sein“

70 Jahre nach Ende des Holocaust lebten europäische Juden wieder in Angst. Doch nicht nur in Europa gebe es Antisemitismus, sondern weltweit – „selbst in den Hallen der Vereinten Nationen“, sagte der Diplomat weiter. „Getarnt als humanitäre Sorge, haben zahlreiche Delegierte die General-Versammlung, diese Bühne, genutzt, um ihre antisemitischen Gefühle auszudrücken.“ Nach Israels Militäroperation gegen die Hamas im Gazastreifen im vergangenen Sommer habe „eine Handvoll Abordnungen auf diesem Podium gestanden und Israel beschuldigt, sich wie die Nazis zu benehmen und einen Holocaust zu schaffen“. Prosor betonte: „Das ist keine legitime Kritik an Israel. Es zählt nicht, wie sehr Sie über unseren Konflikt verärgert oder frustriert sind, es gibt keine Entschuldigung für Antisemitismus – nicht auf den Straßen, nicht in den Medien, nicht in Ihren Regierungen und nicht in dieser Institution.“ Israels UN-Diplomat stellte klar: „Die Tage, in denen Juden die Opfer in der Welt waren, sind vorbei. Wir werden nie wieder hilflos sein, wir werden nie wieder schweigen. Heute haben wir den Staat Israel, der Wache hält.“ „O Jerusalem, ich habe Wächter über deine Mauern bestellt, die den ganzen Tag und die ganze Nacht nicht mehr schweigen sollen“, zitierte Prosor aus dem biblischen Propheten Jesaja. Seine Rede beendete der Israeli mit einem Appell: „Wir müssen die Warnzeichen erkennen und schnell handeln, um Antisemitismus zu verurteilen. Ich fordere jede Nation auf, an unserer Seite zu stehen. Weigern Sie sich, zu erlauben, dass das Böse Wurzeln schlägt. Weigern Sie sich, zu schweigen. Und geben Sie sich nicht der Gleichgültigkeit hin. Lassen Sie diese Botschaft von den Hallen der UN widerhallen in die Straßen Europas, in die Hauptstadt jeder Nation – stehen Sie für Menschenrechte und die Würde des Menschen, indem Sie sich gegen Antisemitismus einsetzen.“

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