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Vier Finger für Mursi

KAIRO (inn) – Vor einem gelben Hintergrund steht eine schwarze Hand. Sie zeigt vier ausgestreckte Finger, der Daumen ist angewinkelt. Das ist das Zeichen für „r4bia“ – die „Hand des Widerstandes“.
In sozialen Netzwerken solidarisieren sich viele Nutzer mit der Widerstandsbewegung "r4bia".

Seit Mitte August sorgt diese Hand für Aufregung. Sie hat Tausende von Anhängern. Widerspenstig taucht sie an unterschiedlichsten Orten der Welt auf: Mitte August grüßte der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdoğan während einer Rede die ägyptischen Demonstranten mit den ausgestreckten vier Fingern. Innerhalb weniger Tage schaffte es das Bild in die sozialen Netzwerke.
Ende September war es in einer staatlichen Eliteschule für Mädchen in Kairo zu einem Vorfall gekommen: Statt mit den anderen Mädchen in Reih und Glied zu stehen, als der Erziehungsminister Mahmud Abdel Nasser an ihnen vorbeischritt, grüßte die 17-jährige Habiba Muhammad mit dem „r4bia“-Zeichen. Prompt wurde sie zu einem Gespräch ins Direktorenzimmer gerufen und aufgefordert, ihren politischen Aktivitäten außerhalb der Schule nachzugehen.
Das neueste Ereignis trug sich am vergangenen Wochenende, bei der Kung-Fu-Weltmeisterschaft in Russland, zu. Muhammad Jussuf hatte für sein Land Gold geholt. Bei der Siegerehrung streckte er vier Finger aus und trug zudem unter der Trainingsjacke ein gelbes T-Shirt mit dem „r4bia“-Zeichen. Er wurde umgehend zurück nach Ägypten geschickt und darf sein Land auch nicht während der nächsten Meisterschaft vertreten.

Die Entstehung der Bewegung

„r4bia“ ist eine ägyptische Bewegung. Die schwarze Hand vor gelbem Hintergrund ist das Symbol des Widerstandes gegen die Absetzung des ägyptischen Präsidenten Muhammad Mursi durch das Militär im Juli 2013. Die Demonstranten vom Tahrir-Platz in Kairo zeigen das „Victory“-Zeichen. Dieses soll den Sieg über Mursi symbolisieren. Dabei sind zwei Finger erhoben. In Abgrenzung dazu zeigt „r4bia“ deren vier – wie auch der Name bereits sagt. Denn „rābi‘“ heißt „vierter“. „r4bia“ steht außerdem für Mursi als vierten Präsidenten der Republik Ägypten. Seine Vorgänger waren Ali Muhammad Nagib, Gamal Abdel Nasser, Muhammad Anwar As-Sadat und Muhammad Husni Mubarak. Nach dieser Zählung wäre Mursi der fünfte Präsident, doch die Mursi-Freunde ignorieren die Präsidentschaft von Nagib, weil sie – mit kurzer Unterbrechung – nur ein gutes Jahr dauerte. Die „r4bia“-Bewegung erklärt auf ihrer Homepage: „Mit dem Zeichen wollen wir an die Legitimität des Präsidenten Mursi erinnern“.
„r4bia“ hat noch eine weitere Bedeutung. Bei einer Demonstration Mitte August gab es auf dem Platz der „Rabia-al-Adawija-Moschee“ Hunderte von Toten. Die Moschee ist nach der mittelalterlichen Mystikerin Rābi‘a al-Baṣrī benannt und nach ihrem Vornamen nun auch die Protestbewegung der Mursi-Anhänger.

Die Ziele der Widerstandsbewegung

In der Türkei ist die Internetseite www.r4bia.com entstanden, die in den Sprachen Arabisch, Englisch und Türkisch zugänglich ist. Auf der Homepage stellt die Bewegung ihre Ziele vor. Auf Arabisch und Türkisch sind es 36, im Englischen sind drei weitere angefügt, die gleichzeitig Wortspiele darstellen: „r4bia“ ist ein Symbol der Freiheit, sie ist die Geburt von Frieden und Gerechtigkeit. Die Geburt einer neuen Welt. Die Rückkehr der Muslime auf die Weltbühne. Ein neuer Atem für die Menschheit. Der Name „unserer Kinder, die die Welt verändern werden“. Die Seele eines freien Mannes und einer freien Frau.
Andererseits ist „r4bia“ aber auch „die Enkeltochter Hasan al-Bannas“ (Gründer der Muslimbrüder, 1906-1949), Gerechtigkeit für jeden, der „gegen die verdorbenen westlichen Werte“ ist. „r4bia“ ist außerdem das Ende der unmoralischen Presse, der Zionisten, Ölscheichs und Kapitalisten. Sie ist ein blutiger Platz, um den sich alle Muslime kümmerten, ferner die Stimme der Muslime, die nicht von (Militärvorsitzendem General Abd al-Fatah) as-Sisi erhoben sei. Sie ist wahre Bruderschaft und nicht wie die Demokratie aus Hollywood. Schließlich, so die Webseite, ist „r4bia“ die Arena des Märtyrertums, die Mutter der Märtyrer und ein lächelndes Märtyrertum.
Die Bewegung, die einerseits für Frieden und Gerechtigkeit einstehen will, ruft andererseits zum Ende des Staates Israel und zum Töten auf. Der ägyptische Präsident Muhammad Mursi wurde demokratisch gewählt und ein gutes Jahr später undemokratisch abgesetzt. Im Dezember 2012 soll er zum Mord an Demonstranten aufgerufen haben. Dafür soll er sich am 4. November vor einem Gericht verantworten. Sicherlich werden die „r4bia“-Facebook-Freunde, die Schülerin Muhammad sowie der Sportler Jussuf den Prozess aufmerksam verfolgen.

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