Suche
Close this search box.

Wie gut war und ist der Mossad informiert?

TEL AVIV (inn) – Anlässlich des 40-jährigen Gedenkens an den Terroranschlag auf die Olympischen Spiele in München 1972 hat Israel historische Geheimdienstunterlagen veröffentlicht. Sie geben Aufschluss darüber, wie gut der Mossad über Terroraktivitäten informiert ist.
Logo des Mossad: Der israelische Geheimdienst gilt als außerordentlich gut informiert.

Unter den 45 vom israelischen Staatsarchiv aus Anlass des 40-jährigen Gedenkens an den Terroranschlag bei den Olympischen Spielen in München 1972 veröffentlichten Dokumenten befindet sich ein kaum beachtetes fünfseitiges Dokument mit dem Aktenzeichen 197/6-A.
Es handelt sich dabei um eine Auflistung aller dem Mossad bekannten Hinweise auf geplante Terroranschläge. Dem Premierminister Israels werden derartige Listen bis heute täglich auf den Schreibtisch gelegt. Einen Beweis dafür lieferte Premier Benjamin Netanjahu am 18. Juli, nach dem Terroranschlag in Burgas (Bulgarien), bei dem 5 Israelis getötet worden waren. Netanjahu nannte die Hisbollah und Iran als Drahtzieher. Zwar ist die Identität des Selbstmordattentäters bis heute unbekannt. Aber Netanjahu war sich sicher. Der Mossad hatte auffällig viele Telefongespräche zwischen einschlägig bekannten Hisbollah-Aktivisten im Libanon und unbekannten Personen in Burgas abgehört. Das wusste Netanjahu.
Die nun veröffentlichte historische Liste liefert Hinweise auf „geplante Anschläge“ zwischen dem 1.7.1972 und dem 3.9.1972 – zwei Tage vor dem Überfall in München.
Der erste Eintrag vom 1.7. lautet: „Die Front des Habasch (PFLP des George Habasch) plant Anschläge auf israelische Militärdelegationen, vor allem in Deutschland. Die Aktion werden Deutsche ausführen.“
Einen Tag später: „Europäische Söldner werden eine demonstrative Aktion durchführen – eine (Flugzeug-)Entführung oder ein Attentat auf eine israelische Persönlichkeit in Europa.“
So geht es weiter, Tag für Tag, mit geplanten Flugzeugentführungen, Anschlägen auf die EL AL oder ihre Büros und einem Attentat auf „Nili und Dan“ mitten in Jerusalem. (Ob das ein Codewort war oder bekannte Personen, steht nicht dabei.) Am 6.7. gab es drei Warnungen: ein EL-AL-Flugzeug in Kopenhagen und eine Sabena-Maschine könnten gekapert, außerdem „israelische Einrichtungen im Ausland“ angegriffen werden.
Aus der Liste geht hervor, dass Deutschland ein zentrales Ziel für Anschläge oder Flugzeugentführungen war. Mehrfach wird vor Sprengstoffpaketen gewarnt. Obgleich aus anderen Dokumenten hervorgeht, dass die Israelis sich während des Terroranschlags in München noch keine palästinensischen „Selbstmordattentäter“ vorstellen konnten, warnte der Mossad am 19.7. vor „Rache für die Ermordung von Kanafani durch Selbstmörder“. Der Schriftsteller Chassan Kanafani war zehn Tage zuvor in Beirut durch eine Autobombe getötet worden.
Welche Warnungen mit dem Anschlag in München zusammenhängen, lässt sich kaum ermitteln. Am 20.7. gelangten zwei Mitglieder des „Schwarzen September“ in die Schweiz, um ein Flugzeug zu entführen. Der „Schwarze September“, eine Splittergruppe unter dem Befehl Jasser Arafats, hatte den Anschlag in München ausgeführt. Am 23.7. meldet der Mossad die geplante Attacke „einer extremistischen deutschen Gruppe“ gegen jüdische Gemeinden in Deutschland und gegen israelische Repräsentanten in Frankfurt und Bonn. Am gleichen Tag werden die avisierten Attentatsopfer der „Volksfront“ und des „Schwarzen September“ aufgelistet: (Mosche) Dajan, (Jitzhak) Rabin, (Generalstabschef) David Elazar, (Israels Botschafter in Deutschland, Eljaschiv) Ben Chorin und (Ex-Botschafter Arthur) Ben Nathan. Drei Mordkommandos seien im Juli nach Europa gereist.
Am 30. Mai hatten japanische Terroristen nach ihrer Landung auf dem Flughafen Lod ein Massaker angerichtet. Zwei Monate später, am 24.7., warnt der Mossad vor einem Versuch „japanischer Extremisten“, in Wien ein Flugzeug mit Einwanderern aus der Sowjetunion auf dem Weg nach Israel zu entführen. Am nächsten Tag hieß es, dass der Baron Rothschild entführt werden sollte. Genau einen Monat vor München vermeldet der Mossad „Vorbereitungen des Schwarzen September für eine Aktion mit internationalem Charakter“. Unbekannt blieben das Wo und Wann.
Zwei Tage später reisten mehrere Terroristengruppen zwecks „unbekannter Aktionen“ nach Europa. Nach weiteren Meldungen über geplante Flugzeugentführungen wurden am 17.8. sechs Mitglieder des Schwarzen September auf dem Weg nach Rom „zwecks Anschlägen“ beobachtet. Am 30.8., fünf Tage vor München, reisten „zwecks Anschlag“ Laila Chaled, ein Mann und eine Frau gemeinsam nach Europa. Chaled war ab 1969 eine weltberühmte Flugzeugentführerin.
Dem Dokument kann man entnehmen, dass die Israelis bestens über die Flugreisen von Terroristen informiert waren und ihre Pläne kannten. Ebenso stellt sich heraus, dass Syrer und Jemeniten mit palästinensischen Extremisten kooperierten, aber auch Japaner und Deutsche. Dennoch verfügten die Israelis nur über vage Informationen über die Ziele. Es wurden „jüdische Einrichtung“, „diplomatische Vertretungen in Europa“ und immer wieder die Fluggesellschaft EL AL genannt. Aber Orte wie Bonn und Frankfurt oder Wien und Rom kamen selten vor.
Es ist anzunehmen, dass solche Listen und vielleicht sogar ausführlichere Informationen an „befreundete Nachrichtendienste“ weitergegeben worden sind, zumal Deutschland eine besonders populäre Zielscheibe war.

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen