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Das Arafat-Museum – ein Potemkinsches Dorf?

Das neue Arafat-Museum soll das Leben des vor zwölf Jahren verstorbenen Palästinenserführers abbilden. Doch die Darstellung weicht deutlich von der damaligen Wirklichkeit ab, wie Nahostkorrespondent Ulrich W. Sahm beobachtet.
Zwischen der Darstellung im Museum und der einstigen Wirklichkeit gibt es Unterschiede

Im neuen Arafat-Museum in Ramallah wird auf Schautafeln die „palästinensische“ Geschichte dargestellt, seit der Zeit, als es noch gar keine Palästinenser gab. Die museale Aufarbeitung des Lebens von Jasser Arafat wurde für sieben Millionen Dollar von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) errichtet. Dank zahlreicher Besuche bei Arafat zu seinen Lebzeiten stellt sich heraus, dass gerade die im Museum vorgestellten Privaträume nicht dem Original entsprechen.
Arafat hatte mit Flugzeugentführungen und Terroranschlägen sein Volk ins Bewusstsein der Menschheit gebombt und durfte, mit einer Pistole im Halfter, 1974 erstmals vor der UNO-Vollversammlung reden. So wird das Leben des Volksführers auf Schautafeln präsentiert.
Höhepunkt des Museums sind die privaten Gemächer am Ende der Tour. Wie die Tageszeitung „Jerusalem Post“ vorab berichtete, könnten nun die Besucher die „einfachen“ Verhältnisse nachvollziehen, in denen Arafat gelebt habe, als die Israelis ihn 2002 ganze 34 Tage lang belagerten.

Potemkin in Palästina

Bilder, die Nachrichtenagenturen vorab von den Privaträumen Arafats verbreiteten, entsprechen allerdings nicht der Wirklichkeit zu dessen Lebzeiten, die angeblich in dem Museum rekonstruiert worden sei.
Sein Schlafzimmer im Museum wird als kleiner, fensterloser Raum beschrieben. Doch kurz nach Arafats Tod wurde sein echtes Schlafzimmer für ausgewählte Gäste geöffnet. Ein Vorhang verdeckte ein großes Fenster. Davor stand ein Fitness-Trainingsfahrrad und daneben ein bequemer grauer Polstersessel. Die Gestaltung des schmucklosen Raumes mit Mahagoni-Schrank und Nachttisch sowie einem großen Spiegel erinnerte an ein Hilton-Hotelzimmer, mit Doppelbett in der Mitte. Daneben ein sauberes Badezimmer, wie man es ebenfalls in guten, amerikanisch geführten 5-Sterne-Hotels vorfindet.
Das vermeintliche Original-Schlafzimmer Arafats im neuen Museum stimmt jedenfalls nicht mit der Hotel-Suite überein, die vor der Errichtung des Museums neben dem Konferenzsaal als Arafats Gemach gezeigt wurde. Offenbar wollten die Kuratoren des Museums einen neuen Arafat-Mythos erfinden. Eine Hilton-Hotel-Suite hätte nicht recht zu dem vermeintlich so spartanisch lebenden Arafat gepasst.

Absichtliche Verschmutzung

Während der israelischen Belagerung 2002 konnten ihn ausländische Delegationen besuchen, nachdem israelische Soldaten die Taschen auf Waffen und Sprengstoff genau durchsucht hatten. Heute nicht mehr zu sehen ist ein unbeschreiblich verschmutztes Treppenhaus, über das man zu Arafats Büro im ersten Stock gelangte.
Der Dreck war Absicht. Er sollte Diplomaten und ausländischen Gästen den desolaten Zustand des palästinensischen Volksführers vor die Augen führen. Es war gewollt, denn andere Räumlichkeiten in der Mukata‘a, dem Hauptquartier, waren auch damals sauber geputzt und frisch getüncht, vor allem jene Säle, in denen Arafat die eigenen Landsleute empfing. Denen wollte er Macht und Autorität vormachen.
Im Ausland hingegen kam das Bild des armselig Verfolgten besser an. Als die Israelis ihn belagerten und ihm angeblich den Strom abgeschaltet hatten (obgleich im Rest des Mukata‘a-Gebäudes überall der Strom floss), empfing Arafat seine Gäste unter einer batteriebetriebenen Notleuchte. Versehentlich lief aber am Fußende seines Konferenztisches noch ein Fernseher. Den schalteten seine Gehilfen schnell aus, damit der „Betrug“ nicht auffiel. Arafat ließ sich damals bei „Kerzenlicht“ interviewen. Für den „romantischen“ Effekt mussten ausländische Fernsehteams die aufmontierten Scheinwerfer mit dem gleißend weißen Licht mit Gelbfiltern abdecken.

Ein Schreibtisch mit viel Kitsch

Vor, während und nach der besagten Belagerung von 34 Tagen empfing Arafat seine Gäste an einem zum „Büro“ umfunktionierten Kabinettstisch. Vor ihm stand ein schwarzes ledernes Lesepult, auf dem seine Hornbrille lag. Neben ihm ein Stapel mit Papieren, vor allem Fotokopien. Arafat las keine gedruckte Zeitung, sondern ließ sich alle wichtigen Dokumente als Fotokopie vorlegen.
Als Papierbeschwerer diente ihm zeitweilig das Modellflugzeug eines Lufthansa-Airbusses A-380. In jedem Fall stand dort ein Fläschchen israelisches Mineralwasser (mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum). Daneben einige Pillendosen und Teller mit Nüssen, Datteln oder getrockneten Früchten. Arafat war Vegetarier und ernährte sich nach Art der Beduinen von „gesunden“ Datteln. Während der Belagerung stand dort auch ein symbolisches, noch mit einer Papierbanderole versiegeltes Glas Honig des israelischen Kibbutz Jad Mordechai nahe dem Gazastreifen. Anstelle der obligaten Schachtel Papiertaschentücher, wie in jedem besseren arabischen Wohnzimmer, lag während der Belagerung eine Plastikschachtel mit hebräischer Aufschrift bereit: „Sanfte Feuchttücher für den zarten Babypo“.
Vor dem Lesepult hatte er jede Menge Kitsch aufgestellt, Mitbringsel seiner Gäste. Da stand ein in Zelophan verpackter Weihnachtsmann aus Schokolade mit bunten Eiern. An den Papierhaufen lehnte eine künstlerische Darstellung Jerusalems in Silber, mit den Stadtmauern, Kuppeln der heiligen Stätten und dem jüdischen Symbol der westlichen Neustadt: der Montefiori-Windmühle. Das Kunstwerk stammt von einem Israeli. Davor standen eine Öllampe aus Bronze und eine christliche Kerzenlampe mit Kreuz. Neben einem unbenutzten Aschenbecher mit gläserner Friedenstaube und einem wachsgefüllten Glas mit Docht und Kreuz stand da noch die hölzerne Figur eines Bauern mit Schlapphut aus den Alpen.
Im neuen Arafat-Museum beschwert den Papierhaufen kein Lufthansa-Modell mehr, sondern ein Kalaschnikow-Schnellfeuergewehr. Damit hätte sich der „friedfertige“ Arafat wohl kaum den ausländischen Gästen präsentieren können.

Arafats ordenbehängte Uniform

Nicht nur auf seinem Schreibtisch liebte Arafat Kitsch. Jeder erkannte ihn an seinem „Palästinensertuch“, der schwarz-weiß gescheckten Keffije. Das kunstvoll geschwungene Tuch befestigte er mit einer Büroklammer an seiner Uniformjacke, damit es wie die Landkarte von Großpalästina aussah. Sein anderes Markenzeichen war die olivgrüne Fantasieuniform. An seiner Brust hingen zahlreiche Orden. Doch offensichtlich hat sich niemand die Mühe gemacht, seine „militärischen Auszeichnungen“ genauer unter die Lupe zu nehmen. Am Revers trug er neben einer palästinensischen Flagge aus Blech auch noch kleine überkreuzte Fähnchen, palästinensisch-amerikanisch und palästinensisch-EU. Darüber befand sich ein Blechknopf mit den EU-Sternen.
An seiner linken Brust waren unter einem großen silbernen Pfadfinderabzeichen mit der typischen Lilie ein Button der El-Kuds-Universität und weitere überkreuzte Flaggen befestigt, von Spanien, Großbritannien, der Türkei und Griechenland, das koreanische Yin-Yang-Symbol und weitere Abzeichen. Auf manchen Fotos ist auch noch eine Menora, das israelische Staatssymbol, zu erkennen, das er neben dem Pfadfindersymbol an seine Brust gepinnt hatte.
Auch seine rechte Brust war reich mit „Orden“ behängt, darunter eine überkreuzte Flagge Israel-Palästina mit der hebräischen Inschrift „Gusch-Schalom“. Das ist das Symbol der winzigen linksgerichteten Organisation von Uri Avneri, mit dem Arafat eng befreundet war. Auf einem weiteren Abzeichen ist inmitten eines Olivenkranzes die goldene Kuppel des Jerusalemer Felsendoms zu erkennen.
Im neuen Museum liegen ein paar alte Uniformjacken in einem Schrank, doch seine „Orden“ sind nicht zu sehen. Wahrscheinlich waren sie den heutigen Kuratoren des Museums doch etwas peinlich.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei www.audiatur-online.ch

Kommentar: Nabil Scha‘aths nostalgische Träume (inn)
Ausschreitungen bei Gedenken an Arafat (inn)
Leeres Museum palästinensischer Geschichte eingeweiht (inn)

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