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„Pninas Kuchenstück“ – Wie Orthodoxe Druck auf messianische Juden machen

Rebecca stellt einen "Kaffee Hafuch" – wie der Milchkaffee in Israel genannt wird – auf den Tisch und verschwindet eilig wieder hinter der Theke. Sie und Ihre Chefin, Pnina Konforty, haben viel zu tun und keine Zeit zum Reden. Mir bleibt Zeit, in die vom Frühlingssandsturm getrübte Luft von Gan Javne zu blicken und darüber nachzusinnen, wie die kleine, eigentlich unscheinbare Konditorei in dieser historischen Gegend fast einen Religionskrieg ausgelöst hat.

Vor fast zwei Jahrtausenden, nach der Zerstörung des jüdischen Tempels in Jerusalem, hat sich hier in der südlichen Küstenebene des heutigen Staates Israel das Judentum unter dem legendären Rabbi Jochanan ben Zakkai neu formiert und eine Gestalt gewonnen, die es zu einem Überleben ohne Zentralheiligtum und fern der Heimat befähigt hat. Das war der Ursprung des rabbinischen Judentums.

2006 hatte der Oberrabbiner von Aschdod, Rabbi Josef Scheinen, entdeckt, dass Pnina Konforty, die Besitzerin der Konditorei „Pnina Pie“ – „Pninas Kuchenstück“ – an Jesus glaubt. Daraufhin entzog er ihr das „Kaschrut-Zertifikat“, die Bescheinigung, dass die Produkte der Bäckerei nach jüdischem Gesetz garantiert „rein“ sind. Da Juden, denen die Einhaltung der Speisegesetze wichtig ist, in einem Geschäft ohne dieses Zertifikat nichts kaufen, ist die Ausstellung des Kaschrut-Zertifikats ein wirtschaftliches Druckmittel. Ohne den Stempel der orthodoxen Rabbiner läuft in der israelischen Gastronomie und Lebensmittelherstellung nichts.

Sobald ich meinen Kaffee getrunken habe, darf ich in der Backstube auf einem Hocker Platz nehmen und zusehen, wie Pnina Erdbeeren zerschneidet, Teig mischt, Sahne schlägt und köstliche Torten Schicht um Schicht zubereitet. Sie ist bekannt für die Qualität und muss bis zum Wochenende für die kulinarische Seite eines Gemeindefestes in Jerusalem sorgen. Während eine fertige Torte nach der anderen im Kühlschrank verschwindet, erzählt die dunkelhäutige Jemenitin mit den strahlenden Augen, wie sie während eines Aufenthaltes in den USA zum Glauben an Jesus Christus gefunden hat.

„Eigentlich war uns immer gesagt worden, dass Jeschua – so die hebräische Form des Namens Jesus – das Schlimmste ist, was einem Juden passieren kann“, erinnert sie sich an ihre religiöse Erziehung. „Man sollte nicht einmal seinen Namen aussprechen.“ Aber dann hat sie amerikanische Christen kennengelernt und festgestellt: „Diese Leute lieben unser Land mehr als wir. Sie lieben den Gott, vor dem wir davonlaufen und sie kennen unsere Bibel besser als wir.“ Ein jahrelanger innerer Kampf beginnt. Die Ehe mit ihrem Mann Israel geht fast zu Bruch. „Bis wir dann zu einem Passahabend in einer jüdischen Gemeinde in Ohio eingeladen waren. Zwischen Israel und mir herrschte eine unerträgliche Spannung“, ruft sich Pnina die Zeit in Amerika ins Gedächtnis: „Da habe ich gebetet: Wenn Du, Jeschua, wirklich der Messias Israels bist, dann kannst Du meine Ehe heilen!“

Rebecca ist vor fünf Jahren aus Frankreich eingewandert. Die 22-jährige Konditorin stellt sich mit frechem Lächeln als „Rebecca HaMetuka“ vor, „Rebecca, die Süße“. Eigentlich sollte sie arbeiten. Aber die Erzählung ihrer Chefin hat sie gepackt. Mit offenem Mund hört sie staunend zu, wie Pnina weitererzählt: „Das Wunder geschah. Wir gingen versöhnt zum Passahmahl! Mein Mann Israel hat an diesem Tag Jeschua als seinen Messias erkannt und ihm sein Leben übergeben.“

Juden zahlen hohen Preis für Glauben an Jesus

Für diese Entscheidung bezahlen Israel und Pnina Konforty seit ihrer Rückkehr in die Heimat einen hohen Preis. Orthodoxen Juden sind Jesus-gläubige Israelis ein Dorn im Auge. „Viele Nächte lang konnte ich nicht mehr schlafen“, erzählt Pnina, „und vor lauter Stress sind mir die Haare ausgefallen.“ Doch sie wehrt sich und zieht gegen die Rabbiner bis vor das Oberste Gericht des Staates Israel. Da bieten die Rabbiner einen Kompromiss an: Konfortys sollen einen Kaschrut-Aufseher anstellen, diesem die Schlüssel für die Konditorei übergeben und außerdem versprechen, das Café nicht für missionarische Aktivitäten zu nutzen. Doch die messianische Jüdin weigert sich, diese Bedingungen anzunehmen.

Im Juni 2009 urteilt das Oberste Gericht des Staates Israel, Pnina Konfortys Glaube an Jesus mache ihre Backwaren nicht unkoscher. Das Rabbinat dürfe Konforty das Zertifikat nicht verweigern, so lange sie den jüdischen Reinheitsgesetzen entsprechen. Zudem dürften die Aschdoder Rabbiner der messianischen Jüdin keine strengeren Auflagen machen als anderen Bäckereien in der Stadt. Der Aschdoder Oberrabbiner reagiert auf das Gerichtsurteil empört und bezeichnet es als absurd, dass das Oberste Gericht Rabbinern vorschreiben wolle, wie die Kaschrut zu halten sei. Aus Sicht der orthodoxen Juden ist die entscheidende Frage, ob man jemandem, „der vom Judentum abgefallen ist“, überhaupt noch vertrauen kann.

Neun Monate nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofes in Jerusalem hat „Pnina Pie“ in Aschdod noch immer kein Koscher-Zertifikat. Richterin Ajalah Procaccia erklärt der Staatsanwältin Hani Ofek aufgebracht, dass Gerichtsentscheidungen eigentlich durchgesetzt werden müssten. Ofek erwidert, man befinde sich im „institutionellen Dialog“ und bemühe sich um eine „praktikable Lösung“. Praktischer Problempunkt: Bislang findet sich kein einziger Rabbiner in Aschdod, der ein Kaschrut-Zertifikat für eine messianisch-jüdische Einrichtung unterzeichnen würde. Laut Ofek hat das Gerichtsurteil „einen Sturm in der Welt der Rabbiner“ ausgelöst. Die englischsprachige Tageszeitung Jerusalem Post zitiert einen Rechtsexperten mit der Befürchtung, die Einmischung des Obersten Gerichts in die Angelegenheiten des Oberrabbinats könne einen Religionskrieg auslösen.

Israel und Pnina Konforty kämpfen weiter um ihr wirtschaftliches Überleben. Wie das so lange möglich war, ist selbst den Steuerbehörden schleierhaft. Die „süße Rebecca“ steht zu ihrer Chefin, kann sich keine bessere vorstellen, obwohl sie deren Glaubensüberzeugung nicht nachvollziehen kann. Die Rabbiner von Aschdod bemühen sich mit immer neuen Tricks „Pninas Kuchenstück“ aus dem Weg zu räumen und behaupten jetzt plötzlich, dass alle Bäckereien in Aschdod einen Kaschrut-Aufseher angestellt hätten – was das Oberste Gericht nicht nachprüft, weil es davon ausgeht – so die amtliche Verlautbarung –, von einer so angesehenen Institution wie einem städtischen Oberrabbiner nicht angelogen zu werden. Kaum fünf Kilometer entfernt, in Gan Javne werden derweil in der Zweigstelle von „Pninas Pie“ in aller Stille weiter koschere Torten hergestellt. Der dortige Ortsrabbiner hat der Konditorei ein Kaschrut-Zertifikat ausgestellt und kümmert sich offensichtlich nicht darum, was seine Kollegen in der Stadt bekümmert.

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