JERUSALEM (inn) – Immer mehr Häftlinge in israelischen Gefängnissen wenden sich dem jüdischen Glauben zu. Darunter sind auch Gefangene, die wegen Mordes oder Vergewaltigung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.
In den Gefängnissen gibt es landesweit 30 religiöse Seminare. Vor etwa zweieinhalb Jahren lernten dort rund 250 Häftlinge. Heute sind es ungefähr 550, berichtet der Informationsdienst „Walla“ unter Berufung auf die Gefängnisbehörde. Häftlinge, die in einem religiös geprägten Trakt einsitzen, müssen an den Seminaren teilnehmen. Die meisten von ihnen haben sich erst während der Haft dem Glauben zugewandt.
Im Ajalon-Gefängnis in Ramle soll ein neuer Trakt für traditionelle Juden eingerichtet werden. „Die meisten Inhaftierten sind zu langen Haftstrafen verurteilt“, teilte der Oberrabbiner der Behörde, Rav Mosche Toledano, mit. „Eine lange Schlange ist entstanden, mindestens 30 Menschen, die darauf warten, eintreten zu können.“
Die Verantwortlichen in der Gefängnisbehörde finden verschiedene Erklärungen für das Phänomen. Einige Offiziere meinen, die Gefangenen stellten ein Spiegelbild der Gesellschaft dar und reflektierten damit die allgemeine Hinwendung zur Religion in Israel. Andere vermuten, dass die Häftlinge eine innere Leere füllen wollen, die sie im Gefängnis entdecken. Eine weitere Erklärung ist ein „Herdentrieb“, der einige Gefangene in die religiösen Seminare ziehe. Rav Toledano spricht von einem „geistlichen Durst“.
Die Vermutung, dass die Häftlinge dadurch ihre Bedingungen erleichtern wollten, wurde hingegen zurückgewiesen. Religiöse Gefangene müssten früh aufstehen, um das Morgengebet zu sprechen, hieß es aus der Gefängnisbehörde. Weitere Verpflichtungen seien die Heiligung des Schabbat und das Studium der Torah. „Die Häftlinge unterschreiben, dass sie mit diesen Bedingungen einverstanden sind. Wer sie nicht einhält, bleibt nicht in dem Trakt. Andere stehen an“, sagt Rav Toledano. Allerdings ist in den religiösen Bereichen keine Häftlingskleidung vorgeschrieben.
Ein 19-jähriger Gefangener stammt aus einer Rabbinerfamilie in Jerusalem. Trotz dieser Herkunft habe er „den Weg verloren“, berichtet der Israeli. Er habe sich schon früh herumgetrieben. „Das ist nicht meine erst Haftstrafe. Wenn man alles zusammenzählt, sitze ich schon drei Jahre.“ Hinter Gittern habe er sich wieder dem jüdischen Glauben zugewandt. Er sehe keinen anderen Weg für sich und bereue sein früheres Leben.
Bei entlassenen Häftlingen beträgt die Rückfallquote 65 Prozent – unter den Religiösen werden jedoch nur 8,5 Prozent wieder straffällig. Zudem herrscht in ihren Trakten eine relative Ruhe. Gewaltsame Übergriffe oder Probleme mit der Disziplin sind selten.