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PFLP-Gründer George Habasch 81-jährig gestorben

AMMAN (inn) - Der Gründer der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), George Habasch, ist tot. Er erlag am Samstag in der jordanischen Hauptstadt Amman einem Herzanfall. Der als "Al-Hakim", "der Weise", bekannte 81-jährige Christ und Marxist galt als "Pate" des kompromisslosen palästinensischen Freiheitskampfes.

George Habasch wurde am 2. August 1926 in Lydda im britischen Mandat Palästina, dem heutigen Lod, in eine griechisch-orthodoxe Familie hinein geboren. 1948 wurde er durch den Befreiungskrieg Israels – der von Palästinensern „Al-Naqba“, „die Katastrophe“, genannt wird – zum Flüchtling. 1951 schloss er sein Medizinstudium an der Amerikanischen Universität in Beirut ab. Während der Studienzeit in Beirut traf er seine Frau Hilda, die aus Jerusalem stammt.

In der Folgezeit arbeitete Habasch als Kinderarzt in palästinensischen Flüchtlingslagern in Jordanien. 1952 war er Mitbegründer der Arabisch-Nationalistischen Bewegung (ANM), die eine pan-arabische Zielrichtung hatte und weitgehend den Vorstellungen des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser folgte, sich später aber in verschiedene Parteien aufsplitterte.

Flucht aus Jordanien

In Jordanien, dessen Bevölkerungsmehrheit von Palästinensern gestellt wird, verfolgte Habasch einen revolutionären Umbruch der Haschemitenmonarchie. Deshalb musste er 1957 nach Damaskus fliehen, wo er allerdings ebenfalls mehrmals aus politischen Gründen inhaftiert war.

In Syrien wandelte sich George Habasch vom Pan-Arabisten zum palästinensischen Anhänger der marxistisch-leninistischen Ideologie. Gemeinsam mit Mustafa Ali Kassam Sabiri alias „Abu Ali Mustafa“ gründete im Dezember 1967 die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Der Sechstagekrieg hatte eine Desillusionierung im Blick auf das Idol Gamal Abdel Nasser mit sich gebracht.

1969 definierte sich die PFLP neu als marxistisch-leninistische Bewegung und ist seither ihren kommunistischen Idealen treu geblieben. Zur gleichen Zeit trennten sich die ultra-linken Najef Hawatmeh und Jasser Abed Rabbo, um die demokratische Volksfront zur Befreiung Palästinas (PDFLP) zu gründen, die dann zur Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) wurde.

Spektakuläre Terroraktionen

In den 60er und 70er Jahren wurde die PFLP durch spektakuläre Terroroperationen bekannt. 1968 entführte sie ein EL AL-Flugzeug auf dem Wege von Rom nach Tel Aviv. Dabei kam ein Israeli ums Leben, ein weiterer wurde verletzt. Fünf Wochen lang wurden 21 Israelis und elf Besatzungsmitglieder in Algier als Geiseln festgehalten.

Am 6. September 1970 entführten PFLP-Mitglieder drei Passagierflugzeugen der Gesellschaften PANAM, TWA und Swiss Air nach Jordanien. Die Entführung eines weiteren Passierflugzeugs der EL AL wurde durch ein gewagtes Flugmanöver des Piloten verhindert, das israelischen Sicherheitsbeamten an Bord die Überwältigung der Terroristin Laila Khaled ermöglichte. Laila Khaled war es übrigens, die jetzt den Tod von George Habasch der Öffentlichkeit übermittelte.

Am 12. September wurden die drei Flugzeuge auf einem Flughafen nahe Amman vor laufender Fernsehkamera gesprengt, nachdem die Passagiere evakuiert worden waren. Diese Aktion war ein Auslöser des „Schwarzen September“, in dessen Verlauf jordanische Sicherheitskräfte schätzungsweise 10.000 Palästinenser töteten. Die PLO musste Jordanien verlassen und wich in den Libanon aus, womit die Zersetzung der „Schweiz des Nahen Ostens“ begann.

1971 ermordeten PFLP-Terroristen den jordanischen Premierminister Wasch Tel. Einer der Mörder trank vor laufender TV-Kamera vom Blut des ermordeten Politikers. Ein Anschlag auf den jordanischen Botschafter, Said al-Rifai, im selben Jahr misslang. Doch ein Jahr später war die PFLP maßgeblich an einem Massaker auf dem israelischen Flughafen Lod beteiligt, durch das 26 Menschen ums Leben kamen.

Anschlag auf Olympische Spiele in München

Am 5. September 1972 kamen bei dem Anschlag auf die Olympischen Sommerspiele in München elf israelische Sportler und ein deutscher Polizist ums Leben. 1973 ermordeten PFLP-Aktivisten in der saudi-arabischen Botschaft in Khartum den amerikanischen Botschafter Cleo Noel und einen belgischen Diplomaten.

Nicht nur Israel, sondern auch die USA und die EU betrachten die PFLP als Terror-Organisation, weshalb etwa Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bei einem Besuch in Bethlehem die Begegnung mit dem christlichen Bürgermeister Bethlehems, Viktor Batarseh, verweigerte. Batarseh ist PFLP-Mitglied.

Kritik an „Rückständigkeit der arabischen Welt“

Aufgrund seines Gesundheitszustandes nahm der Einfluss Habaschs innerhalb der PLO seit 1972 immer mehr ab. In einem Interview mit dem amerikanischen Journalisten John Cooley machte Dr. Habasch 1973 die „Rückständigkeit der arabischen Welt“ für die Niederlage verantwortlich, die ihr „die wissenschaftliche Gesellschaft Israels“ beigebracht habe und forderte einen vollkommenen Neubau der arabischen Gesellschaft.

In den 70er Jahren erlitten PFLP-Streitkräfte im Libanon schwere Verluste im Kampf gegen die Syrer, die Habasch Unterschlupf gewährt hatten und auf deren Seite er sich später auch wieder schlug. Als sich 1977 die Palästinenser gegen die Friedensouvertüren des ägyptischen Präsidenten Anwar el-Sadat stark machten, brach auch ein neuer Politfrühling für den PFLP-Chef an.

Die PFLP stellte innerhalb der PLO immer die zweitgrößte Fraktion nach der Fatah. Unter der Führung des griechisch-orthodoxen Christen Habasch erlangte sie Berühmtheit als radikalste und militanteste Palästinenserorganisation. Als Dr. Habasch im Februar 1992 durch einen Besuch in Paris ein diplomatisches Debakel auslöste, begegnete ein französischer Beamter Protesten aus Israel mit der Erklärung, Habasch sei doch Christ. Nach den Abkommen von Oslo im Herbst 1993 führte Habasch den Teil der PLO an, die jedes Abkommen mit Israel ablehnte. Dafür verband sich die marxistisch-leninistische Gruppierung gar mit radikalen Islamisten wie der Hamas oder dem Islamischen Dschihad. In Zusammenarbeit mit dem Palästinensischen Islamischen Dschihad, den Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden der Fatah oder der Hamas gelingen der PFLP in dieser Zeit Anschläge, die viele Tote und Verletzte unter der israelischen Bevölkerung fordern.

Seitdem er im Jahre 1980 in Damaskus einen Schlaganfall erlitten hatte, wurde sein Gesundheitszustand ständig schlechter. 1992 kehrte Habasch von Damaskus nach Amman zurück. Im Mai 2000 gab Dr. George Habasch die Führung der PFLP an seinen Weggefährten Mustafa Ali Kassam Sabiri alias „Abu Ali Mustafa“ ab.

Mustafa war am 30. September 1999 als Vizechef der PFLP mit Erlaubnis des israelischen Premierministers Ehud Barak in die Palästinensische Autonomie umgezogen, „um sich dem Kampf gegen Israel anzuschließen“. Israelische Sicherheitskreise behaupteten damals, Abu Ali Mustafa sei nie direkt an Terroraktivitäten gegen israelische Bürger beteiligt gewesen. Damit verlegt die PFLP ihr Hauptquartier von Damaskus nach Ramallah.

Als ein Jahr später die Al-Aksa-Intifada ausbrach, verkündete Habaschs Nachfolger die Fortsetzung des bewaffneten Kampfes und ordnete militärische Aktionen gegen Israel an. Interessanterweise blieben die Terroranschläge der PFLP unter Führung von Abu Ali Mustafa, meist Bombenanschläge, wenig effektiv und wurden oftmals von israelischen Sicherheitskräften vor deren Ausführung aufgedeckt. Die Sprengung eines Wolkenkratzers in Tel Aviv, ein Selbstmordanschlag auf den Jerusalemer Busbahnhof und die Ermordung Ehud Olmerts, als er noch Bürgermeister von Jerusalem war, blieben Wunschträume.

Mord an israelischem Minister

Am 27. August 2001 wurde Mustafa Ali Kassam Sabiri von zwei israelischen Raketen in seinem Büro in Ramallah getötet. Die Nachfolge als PFLP-Chef trat im Oktober 2001 Achmed Saadat an, dem von Israel die Ermordung des israelischen Tourismusministers Rechavam „Ghandi“ Se´evi zur Last gelegt wird. Dieser Anschlag auf Se´evi am 17. Oktober 2001 im Jerusalemer Hyatt-Hotel ist die wohl spektakulärste Operation der PFLP in jüngster Zeit und setzte einen Vernichtungsfeldzug der Israelis mit halbherziger Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde gegen die marxistisch-leninistische Organisation des Dr. George Habasch in Gang.

Nach seiner Festnahme durch die PA im Januar 2002 saß Achmed Sa´adat unter britischer und amerikanischer Aufsicht in einem palästinensischen Gefängnis in Jericho. Dort genossen er und seine prominenten Mithäftlinge sehr freizügige Haftbedingungen und konnten weitgehend ungehindert mit der Außenwelt Kontakt halten. Als im März 2006 die westlichen Gefängnisaufseher die Flucht ergriffen, stürmten israelische Truppen das Gefängnis und verhafteten den PFLP-Generalsekretär. Schon am 29. August 2002 hatte die englisch-sprachige Jerusalem Post getitelt: „PFLP ausgelöscht“. Mit der Festnahme der letzten beiden Politbüro-Mitglieder, Baschir Chairi und Ali Dscharadat, sei es Israel gelungen den gesamten politischen und militärischen Flügel er marxistischen Organisation zu eliminieren. Ein PA-Vertreter meinte damals: „Scharon hat den Krieg gegen die PFLP gewonnen.“

Durchgehend hat die PFLP eine totale Auslöschung der „zionistischen Größe“ Israel durch den bewaffneten Kampf gefordert. Auch nach der Annäherung der PFLP an die Palästinensische Autonomiebehörde unter Jasser Arafat weigerte sich George Habasch beständig, in die Palästinensergebiete zurückzukehren, um so jeden Anschein zu vermeiden, als legitimiere er Gespräche mit der „zionistischen Größe“.

In den christlichen Hochburgen Ramallah und Bethlehem hat die PFLP bis heute mehrere Tausend Anhänger. Sie bietet palästinensischen Christen eine radikale Alternative zu den Islamisten. Bei den Wahlen zum Palästinensischen Legislativrat am 25. Januar 2006 erhielt die „Liste des Märtyrers Abu Ali Mustafa“ immerhin noch 4,2 Prozent der Stimmen. PA-Präsident Mahmud Abbas erklärte drei Tage nationaler Trauer für George Habasch.

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