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Persönliche Begegnung als Mittel gegen Antisemitismus

Auf einer Konferenz diskutieren ein Bischof, ein Antisemitismusbeauftragter und ein Mitarbeiter der Deutsch-Israelischen Gesellschaft über Judenhass. Sie nennen auch Möglichkeiten, wie Bürger aktiv dagegen vorgehen können.
Von Elisabeth Hausen

SCHWÄBISCH GMÜND (inn) – „Warum konzentrieren wir uns fast ausschließlich auf Israel?“ Diese Frage hat der württembergische Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl am Sonntagabend bei einer Podiumsdiskussion in Schwäbisch Gmünd aufgeworfen. Er bezog sich damit auf vielgeäußerte Kritik an israelischer Politik und den Umgang mit den Palästinensern.

Die Diskussion war Teil einer Konferenz zum Thema „Antisemitismus heute“. Auch der Beauftragte der baden-württembergischen Landesregierung für Antisemitismus, Michael Blume, beteiligte sich daran. Er sagte ebenfalls, der israelisch-arabische Konflikt nehme in der öffentlichen Debatte deutlich mehr Raum ein als Konflikte in anderen Regionen.

Israel mit Myanmar und Pakistan vergleichen

So hätten etwa Pakistan (14. August 1947), Myanmar (4. Januar 1948) und Israel (14. Mai 1948) im Abstand von wenigen Monaten ihre Unabhängigkeit erklärt, sagte der Politologe. Myanmar sei eine buddhistisch geprägte Militärdiktatur. Sowohl dort als auch im islamischen Pakistan würden Minderheiten wie etwa Christen diskriminiert.

Blume verwies auf die Rohingya, die in großer Zahl aus Myanmar fliehen mussten: „Wenn Kritik sich obsessiv gegen Israel richtet, nicht auf die Anteilnahme für die Rohingya, dann habe ich auch den Eindruck, dass es nicht um die Palästinenser geht.“

Aras-Nathan Keul vom Präsidium der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) sagte, es sei in Ordnung, für Palästinenser einzustehen. Doch vielfach werde darüber geschwiegen, dass die palästinensische Bevölkerung in Gaza unter der Hamas leide. Das gelte auch für die Diskriminierung der Palästinenser im Libanon und in anderen arabischen Ländern. Daraus folge für ihn die Annahme: „Es geht den Leuten nicht um die Palästinenser, sondern darum, gegen Israel zu sein.“

Aufenthalte in Israel und Einsätze in Schulen

Doch die Diskussion unter Moderation von Josias Terschüren (Christen an der Seite Israels) blieb nicht bei der Problematik stehen. Die Teilnehmer machten auch Vorschläge, was Menschen dagegen tun könnten. Gohl setzt hier auf persönliche Begegnungen mit Israelis, sie seien das A und O. Wer etwa mit der Aktion Sühnezeichen in Israel gewesen sei, komme völlig anders zurück.

Keul pflichtete dem bei und nannte den Schüleraustausch als gutes Mittel. Deutsche müssten versuchen, zu verstehen, „warum Israel so handelt und wie in Israel gestritten wird“. Das bezog er unter anderem auf die ständige Terrorbedrohung im jüdischen Staat. Wer sich selbst informiere, könne andere informieren.

Blume erzählte von Schuleinsätzen als Antisemitismusbeauftragter. Da bekomme er oft von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu hören: „Wir sind nicht schuld.“ Denn ihre Familien hätten zur Zeit des Nationalsozialismus nicht in Deutschland gelebt. Doch auch andere Schüler pochten darauf, dass sie selbst damals noch nicht geboren waren.

Darauf erwidert er nach eigener Aussage: Es gehe um Verantwortung, nicht um Schuld. Die Herkunft sei egal. Die Beschäftigung mit der Geschichte befähige dazu, aus dieser zu lernen.

Gohl: Gegen „Apartheid“-Vorwurf und Boykottaufrufe

Bischof Gohl rief die Teilnehmer dazu auf, zu widersprechen, wenn sie antisemitische und Israel verunglimpfende Äußerungen hörten – etwa die absurde Behauptung, Israel sei ein „Apartheidstaat“. In Südafrika habe es Busse nur für Weiße gegeben. Eine vergleichbare Trennung sei in Israel nicht bekannt.

Auch gegen Boykottaufrufe wie von der BDS-Bewegung wandte sich Gohl. Auf das Argument, sie seien in Südafrika wirksam gewesen, entgegne er: In Deutschland habe es während des Nationalsozialismus mit Boykott angefangen. Deshalb halte er diese Art von Protest für absolut unangebracht.

Blume sieht eine große Gefahr in der Klima- und Wasserkrise. Verschwörungstheorien wie „Juden manipulieren das Wetter“ seien schon jetzt zu hören. Wenn das Wasser knapp werde, könne die mittelalterliche Anschuldigung der Brunnenvergiftung wieder salonfähig werden. Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmud Abbas (Fatah), hatte diesen 2016 vor dem EU-Parlament geäußert – und nach seiner Rede Applaus von den Abgeordneten erhalten.

Ein weiteres Thema der Podiumsdiskussion war der deutsche Umgang mit dem iranischen Regime. Keul forderte, Deutschland müsse überdenken, ob es mit dem Iran angesichts des Israelhasses weiter so zusammenarbeiten wolle wie bisher.

Bürgermeister: Aufforderung, nicht auf dem Kongress zu sprechen

Landesbischof Gohl hatte zum Auftakt der Konferenz in einem Grußwort betont, Antisemitismus sei Sünde: „Wer Juden hasst, kann nicht Jesus treu sein.“ Dabei bekundete er Ablehnung gegenüber Judenmission.

Der Erste Bürgermeister von Schwäbisch Gmünd, Christian Baron (CDU), teilte mit, er sei in einer Mail aufgefordert worden, nicht bei der Konferenz aufzutreten. Danach sei er besonders gern gekommen. Auch andere Referenten hatten eine ähnliche Mail erhalten.

Wie die Diskussionsteilnehmer hält Baron die persönliche Begegnung mit Israelis für unabdingbar. Schwäbisch Gmünd habe deshalb neuerdings eine Partnerschule im nordgaliläischen Kisra-Samia. Ein erster Austausch habe bereits stattgefunden, bei den Verabschiedungen seien auf beiden Seiten Tränen geflossen. Viele Freundschaften seien zwischen den Jugendlichen entstanden: „17 sind jetzt geimpft gegen Antisemitismus. Parolen können diesen 17 nichts mehr anhaben.“ Diese deutschen Schüler hätten nach dem Aufenthalt in Israel Urteile, keine Vorurteile.

Blume: Antisemitismus richtet sich gegen Bildung

Der Antisemitismusbeauftragte Blume nahm in einem Impulsreferat den Begriff „Antisemitismus“ auseinander und befasste sich mit dem Bestandteil „Sem“. Diesen Namen hatte laut Bibel (1. Mose 5,32) einer der drei Söhne Noahs. Nach talmudischer Auffassung gelte er nicht als Gründer einer Rasse oder Sprache. Er war vielmehr der Gründer einer Schule in Alphabetschrift. Antisemitismus richte sich also gegen Bildung.

Es gebe sogar Antisemitismus ohne Juden, führte Blume weiter aus – und nannte als Beispiel den Irak. Der Islamische Staat habe Jesiden als „Zionisten“ beschimpft. Andere hätten wiederum den IS als „zionistische Verschwörung“ gedeutet. „Antisemitismus führt immer ins Verderben“, betonte der Politologe. Er kenne kein Beispiel in der Geschichte, wo Judenhass irgendein Problem gelöst hätte.

Antisemitismus im Internet

Keul sprach in einem Vortrag über das Internet und Soziale Medien. Dort gebe es eine ungefilterte und beinahe grenzenlose Verbreitung von antisemitischem Gedankengut. Oft handele es sich um Codes, die nicht direkt als antisemitisch erkennbar seien.

Bei Jugendlichen beliebt sei der BR-Redakteur Malcolm Uzoma Ohanwe. Er veröffentliche in Sozialen Medien antisemitische Inhalte, wie etwa die Behauptung, Juden wollten immer mehr Ländereien jüdisch machen. Da er jung, cool, hip und mit Migrationshintergrund sei, komme er gut an.

Der DIG-Präside nannte auch Beispiele für irreführende Berichterstattung über Israel in deutschen Medien wie im „Spiegel“, der „taz“ oder der „Tagesschau“. Diese hatte im Juli 2023 getitelt: „Auto fährt in Tel Aviv in Menschenmenge“. Es habe sich aber um kein selbstfahrendes Auto gehandelt. „Ein Terrorist saß hinter dem Lenkrad!“

Die Antisemitismuskonferenz läuft vom 24. bis 26. September im Gästezentrum Schönblick in Schwäbisch Gmünd. Veranstalter sind die „Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis an Israel“ (amzi), „Christen an der Seite Israels“ (CSI), der „Evangeliumsdienst für Israel“ (edi), die Internationale Christliche Botschaft Jerusalem (ICEJ), der Schönblick und die Christliche Medieninitiative pro, zu der auch Israelnetz gehört.

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8 Antworten

  1. Interessanterweise darf man Herrn Blume laut AG Hamburg als „antisemitisch“ bezeichnen. Und er steht auf der Antisemiten-Liste des Simon Wiesenthal Zentrums. Das muss man als „Antisemitismus-Beauftragter“ erstmal schaffen. Und was sagte Herr Broder? Mit der Anzahl der Antisemitismus-Beauftragen steigt auch die Zahl antisemitischer Vorfälle. Herr Blume hat auch einen sehr eigenwilligen Antisemitismus-Begriff. „Antisemiten sind gegen Bildung, weil Noahs Sohn Sem eine Schule gegründet habe“. Was für ein Humbug. Die IHRA hingegen hat eine sehr eindeutige Definition. Antisemitismus mit Begegnung abbauen? Grundsätzlich begrüßenswert. Aber Achtung: Reisen in die Region kann Vorurteile auch bestätigen oder noch vertiefen. Wer mit Breaking the Silence, B´tselem und anderen auf Tour geht und entsprechend gebrieft wird, sieht alle seine Vorurteile bestätigt.

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    1. Leider wahr, so habe ich es mal in einem Hebräischkurs erlebt. Eine Dame war in Israel, und hat alles geglaubt, was Linke und Palästinenserfreunde so von sich geben. Ich konnte es kaum fassen!

      Irgendwann hatte sie den Kurs dann verlassen. Ich weiß gar nicht mehr, warum. Aber sie war auch Studentin, vielleicht wurde es ihr einfach zu viel.

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  2. OT: Wir waren heute zum Gebet in der Synagoge. Polizeibewachung. Danke dafür- ABER, frage mich immer,in einer Demokratie, Rechtsstaat, Religionsfreiheit, wieso wir immer bewacht werden müssen?
    Es ist eine Schande der deutschen Politik, die nicht genügend durchgreifen gegen Antisemitismus. Nur bla..bla…
    Shalom

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    1. @Am Israel chai
      Die Frage ist schwer zu beantworten. Vielleicht hat Claudia Roth eine Antwort darauf.

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  3. Wir brauchen eine weltweite Verändeurng. Gegen Antisemitismus helfen sowohl Israel International TV mit einem Israelischen Sprachrohr als auch gute Israel-freundliche Kirchen. Wenn GER endlich alles beseitigt, was in den Kirchen Antisemitismus bedeutet, insbesondere Martin Luther und den Reformationstag, dann käme ein besseres GER zustande: Deutschland sollte an Jan Hus und Martin Luther King glauben und das deutsche Kirchensystem beenden. Mit vielen Bibelstellen kann sowohl der Zionismus als auch das projüdische Christentum erzeugt werden. Aber: Die Bibel hat in GER ja fast keinen Stellenwert mehr, viele Deutsche interessieren sich weder für Israel noch für die Bibel. Das ist das Grundproblem unseres anti-religiösen Deutschlands, das auch die Ampelkoalition hervorgebracht hat.

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    1. Bin mit allem in Herrn Sechtings Kommentar einverstanden. Nur im Fall Martin Luther sollte man beide Seiten zu Wort kommen lassen wie die heute noch gültige und in diversen Gesetzen verankerte römische Rechtsprechung besagt: –Audiatur et altera pars.– Betrachten wir also Luthers Leben, sein Wirken, seine politischen Kämpfe und vor allem lebensnotwendige Abhängigkeiten im 15. Jahrhundert, dann dürfen wir jetzt im 21. Jahrhundert sicher sein, dass wenn M.Luther heute „erwachen“ würde, er sich zuallererst zutiefst entschuldigen würde, für das was er damals gegen das Judentum angerichtet hat. Davon bin ich als Mitglied der ev. Kirche Württembergs absolut überzeugt, vor allem als Christ, der versucht, die Lehre Jesu in Sachen Vergebung umzusetzen, aber im gleichen Zuge auch die scheusslichen Denkmäler abreisst, wogegen sich der EKD in Hannover vehement dagegen wehrt und hochnäsig über die Empfehlungen ihrer Mitglieder drüber weg geht und deren schriftliche Anträge stillschweigend ignoriert. In dieser Angelegenheit ist der EKD Hannover samt allen leitejden Persönlichkeiten zu beklagen. Das ist der große Fehler, der bestimmt nicht entschuldigt werden kann. Ich denke bei dieser Gelegenheit auch an Bischof Bedfort-Strohm, der bei seiner Israel-Reise sein Amtskreuz in der Hosentasche versteckt hat, als es auf dem Tempelberg bei der Al-Aksa-Moschee ernst wurde, das Christentum zu vertreten. Hallo hallo, wo und in welcher Zeit leben wir denn?! Mit freundlicher Empfehlung Gottfried Reiser

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  4. Was noch hilft gegen Antisemitismus: Das größte Gebot von Mose und Jesus (5.Mose K6 V4-5 + 3.M.K19V18) sowie Markus Evangelium Das Größte Gebot. (in Langfassung 5.Mose K6 V4-8). Dieser Dialog zwischen Jesus und einem anderen Rabbiner zeigt den Einklang von Mose und Jesus, das größte Gebot ist identisch, die Liebe zu Gott und zu den Menschen kann für jede Religion gelten. Doch Deutschland, und mittlerweile viele Teile der Welt sind das Gegenteil: Hass. Aber egal, was immer geglaubt wird, egal ob Jesus auferstanden ist oder nicht, das Größte Gebot gilt immer, spiegelt für mich den Widerspruch zwischen allem Guten, was auch ich erleben durfte, und dem Bösen, wie diese Welt seit spätestens 24.02.2022 nun mal ist, dar. „Ich bin nicht gekommen, die Welt zu richten, sondern um sie zu retten“. Ich meine, Mose und Jesus, das ist mein Glaube, können mit dem größten Gebot diese Welt retten. Der Baum, mit Wurzeln und Zweigen, gedeiht, wenn sich alle an dieses Gebot halten und wenn die Zweige eingepfropft sind. In meiner „Revolution der wahren Nächstenliebe“ will ich dieser Welt das Gebot näher bringen, aber diese Welt (Medien usw.) will mich nicht, noch nicht !

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