Volkstänze in Ramallah, der Hauptstadt der Palästinensischen Autonomiebehörde. Anlass ist der Jahrestag der Ausrufung eines palästinensischen Staates 1988 in Algier durch Jasser Arafat. Trotz Anerkennung durch über 100 Staaten, ist sie auf dem Papier geblieben. An Arafats Tod wurde vor fünf Jahren kurz zuvor in der Mukata am Mausoleum des in Paris gestorbenen Volksgründers erinnert.
Obgleich Ramallah wie auch die anderen palästinensischen Städte mit Wachstumsraten von über 7 Prozent boomen, gibt es in den selbstverwalteten palästinensischen Gebieten keinen echten Anlass zu Feiern. Der Osloer-Friedensprozess ist spätestens mit Ausbruch der Al-Aksa-Intifada Ende September 2000 gescheitert.
Die Vision von Präsident George W. Bush, im jordanischen Akaba nach wochenlangen Geheimverhandlungen 2003 verkündet, hat bis heute nicht zu „zwei Staaten für zwei Völker“ geführt. Die derzeit noch aktuelle Friedensinitiative „Roadmap“ mit dem offiziellen Titel „Ein ergebnisorientierter Fahrplan für eine dauerhafte Zwei-Staaten-Regelung zur Beilegung des israelisch-palästinensischen Konflikts des Quartetts (EU, USA, Russische Föderation und die UN)“ hängt unerfüllt im Raum. Die Kontrahenten Israel und die Palästinenser konnten nicht einmal die Präambel umsetzen. Das Zieldatum, bis 2005 einen „provisorischen palästinensischen Staat“ geschaffen zu haben, ist längst verstrichen. Der Annapolis-Friedensprozess, von Präsident Bush ausgerufen, um Ende 2008 mit einem palästinensischen Staat in die Geschichte einzugehen, hat nie abgehoben. Und der arabische Friedensplan, 2002 in Beirut verkündet, hat Israel nie so recht überzeugt.
So kam jetzt der seit 20 Jahren „ewige“ palästinensische Chefverhandler Saeb Erekat mit der keineswegs neuen Idee auf, einseitig einen palästinensischen Staat auszurufen, auch ohne Friedensvertrag mit Israel. Der gescheiterte ehemalige Sicherheitschef der Fatah-Partei im Gazastreifen, Muhammad Dahlan, der den von Israel 2005 geräumten Landstrich fast kampflos der Hamas-Organisation überlassen hatte, drohte gar mit „Widerstand gemäß dem internationalen Recht“, falls Israel den Vorschlag Erekats nicht akzeptiere und jegliche Bautätigkeit in den Siedlungen und in Jerusalem einstelle. Sicherheitschef Dschibril Radschub und Minister Kadura Fares erklärten, dass jetzt erst mal internationale Unterstützung für die Idee gesammelt werde, um sie dem UNO-Sicherheitsrat vorzutragen, obgleich die Initiative dort wohl an einem amerikanischen Veto scheitern werde.
Unbehagen in Israel
Israelische Rechtsexperten und Politiker debattierten den palästinensischen Vorschlag mit Unbehagen. „Das ist doch Quatsch“, erklärte Alan Baker, ehemaliger Rechtsberater des israelischen Außenministeriums, der entscheidend an den Osloer Verträgen mitformuliert hatte: „Staaten werden nicht von der UNO anerkannt, sondern von anderen Staaten.“ Premier Benjamin Netanjahu drohte mit „einseitigen israelischen Schritten“, falls die Palästinenser ihr Vorhaben wahrmachen sollten. Dann könnte Israel die „Siedlungsblöcke“ im besetzten Westjordanland annektieren und andere Maßnahmen ergreifen. Zudem entspräche eine einseitige Staatsverkündung einer Aufkündigung aller bestehenden Verträge zwischen Israel und der PLO.
Die palästinensische Initiative gesellt sich zu einer diplomatischen Kampagne in internationalen Gremien, der UNO, an kanadischen und amerikanischen Universitäten, bei britischen Gewerkschaften, wo zu einem Boykott israelischer Waren und Akademiker aufgerufen wird und israelische Politiker als Kriegsverbrecher bezeichnet werden. Hinzu kommt die innenpolitische Krise in der Autonomiebehörde. Entsprechend der Verfassung hatte Präsident Mahmud Abbas zu Neuwahlen am 24. Januar aufgerufen. Doch die Hamas-Organisation will keine Wahlen im Gazastreifen zulassen.
Abbas hatte zuvor eine Fortsetzung der Friedensverhandlungen mit Netanjahu verweigert, indem er einen totalen Baustopp in den Siedlungen zur Bedingung machte. Abbas hatte sich damit in eine politische Sackgasse manövriert. Er hatte dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama geglaubt, dass er Netanjahu von einem Baustopp überzeugen könne. Israel forderte jedoch von Abbas, darüber „ohne Bedingungen“ zu verhandeln, anstatt Konzessionen auf dem Silbertablett durch amerikanischen Druck zu erwarten.
Obama musste inzwischen einen Rückzieher machen, zumal die Saudis im Gegenzug zu einem Siedlungsstopp verweigerten, israelische Flugzeuge über ihr Territorium in den Fernen Osten fliegen zu lassen. „Jüdische Flugzeuge dürfen nicht die Luft über Mekka verpesten“, lautete die saudische Antwort an Obama. So hatte der noch unerfahrene amerikanische Präsident falsche Hoffnungen geweckt, anstatt sich im Voraus heimlich die Zustimmung seiner „Freunde“ in Riad und Jerusalem einzuholen. Der gescheiterte Abbas verkündete derweil, nicht wieder für das Amt des Präsidenten kandidieren zu wollen. Ob er das ernst meint, oder ob auch das nur ein politisches Druckmittel gegen Israel, die USA und den Rest der Welt ist, kann niemand bezeugen, nicht einmal Abbas nahe stehende Palästinenser.