Zum „Anhalten“ und „neu Nachdenken“ haben am späten Montagnachmittag Zehntausende israelische Rückzugsgegner ihre Landsleute aufgefordert. Für etwa eine Stunde parkten sie am Rand großer Verkehrsstraßen und „färbten die Straßen im Lande orange“, wie das israelische Fernsehen feststellte.
In Israel zählt man adventskalendergleich die Tage bis zum 15. August 2005, an dem der Aufenthalt für israelische Zivilisten im Gazastreifen illegal wird. Orangene Bänder, als Halsband, um den Kopf oder ans Auto gebunden, orangene T-Shirts mit der Aufschrift „Juden vertreiben keine Juden“ oder auch orange gefärbte Haare bezeugen den Widerstand gegen die festen Absichten der Regierung Scharon – und hoffen, dass die Siedlungsräumungen doch noch irgendwie verhindert werden können.
Das „Happening in Orange“ wurde vom Siedlerrat „Mo´etzet Jescha“ initiiert, der die gewaltlose und nahezu zwischenfallslose Demonstration als Erfolg bejubelte. Nach Angaben von Siedlerführern sollen 40.000 Fahrzeuge und 200.000 Menschen angehalten haben, um zum Nachdenken anzuregen. „Jescha“ ist ein Akronym für „Judäa, Samaria und Gaza“.
Lediglich an der Bar-Ilan-Kreuzung gab es gewaltsame Zusammenstöße zwischen ultraorthodoxen Juden und der israelischen Polizei. Die Polizei wurde mit Steinen beworfen und nahm vier Verhaftungen vor. Der Grund für die Demonstrationsteilnahme der Ultraorthodoxen soll aber weniger deren Gegnerschaft gegen die Siedlungsräumungen gewesen sein, als vielmehr ihre Empörung über die Entheiligung von antiken Gräbern durch den Bau des Nordabschnitts der „Trans-Israel-Autobahn“ Nummer 6.
Der überwiegende Großteil der Demonstrationsteilnehmer vermittelt einen ganz anderen Eindruck als die Bilder von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen israelischen Soldaten und Räumungsgegnern im Gazastreifen. Sie sind zutiefst gegen die Pläne ihrer Regierung, sehen aber andererseits auch die drohende Gefahr eines unheilbaren Risses innerhalb des jüdischen Volkes. Allerdings fragen sie sich ernsthaft, was der Staat Israel durch einen Rückzug aus dem Gazastreifen und Nordsamaria erreichen will.
Jossi Friedman aus Ma´aleh Adumim, der größten Siedlung in den umstrittenen Gebieten, die wenige Kilometer östlich von Jerusalem liegt, meint, die Meinungen seien längst festgefahren. „Die Artikel der Journalisten liegen längst fertig in den Schubladen!“ Dass die loyalsten Bürger Israels zu Extremisten und (potentiellen) Gesetzesbrechern gemacht werden, während durch den Abzug Terroristen ein Preis für ihre mörderischen Taten gezahlt wird, hält er für fatal.
(Bild: Johannes Gerloff)