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Ökumenische Beobachter

Seit Jahren lässt der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) das Verhalten von Israelis gegenüber Palästinensern in den von Israel 1967 eroberten Gebieten „beobachten“. Ausgerechnet im Jahr 2002 – inmitten der „Al-Aksa-Intifada“ – hat er dazu das „Ökumenische Begleitprogramm in Palästina und Israel“ (EAPPI) initiiert. Im Rahmen dieses Projekts waren mittlerweile rund 1.000 Freiwillige aus der westlichen Welt im Konfliktgebiet unterwegs. Dabei konzentrieren sich diese Beobachter fast ausschließlich auf die „Unterdrückung“ der Palästinenser. Israels Sicherheitsbedenken spielen hingegen kaum eine Rolle.
Alltag in der Jerusalemer Altstadt

Wer erinnert sich noch an die so genannte Al-Aksa-Intifada? Israel wird von palästinensischem Terror erschüttert. Heimtückische Anschläge versetzen die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Überall lauert der Tod. Gefährdet sind alle Orte, an denen sich Menschen versammeln. Nicht nur in großen Städten, auch am Bahnsteig von Naharija und an der Kreuzung nach Umm el-Fahm gibt es Attentate. Ziel dieses Terrors, der von Herbst 2000 an fünf Jahre lang Israel heimsucht, ist, möglichst viele Israelis umzubringen. In Bussen, bei Familienfeiern und in Restaurants, in Einkaufszentren und beim Gebet, nirgends herrscht Sicherheit. Deutschlands Botschafter berichtet, es habe in dieser Zeit durchschnittlich alle zehn Tage einen Terroranschlag gegeben.
In diese Situation hinein fühlt sich der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK)[1] zu politischer Aktion gerufen. Seine „Initiative“ kümmert sich jedoch nicht um die Ängste der israelischen Bevölkerung, vielmehr wendet sich das „Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel“ (EAPPI – Ökumenisches Begleitprogramm in Palästina und Israel) gegen die Kontrollen, denen Palästinenser durch die Sicherheitsmaßnahmen Israels ausgesetzt sind.

Die „ökumenischen BegleiterInnen“, kurz „EAs“ genannt, konzentrierten sich von Anfang an ausschließlich auf „Unterdrückung“ und „Unrecht“, die Palästinensern widerfahren. Eine „Einführung in das EAPPI“ behauptet zwar, die EAs stünden „an der Seite Aller, welche in Palästina und Israel Gewalt erfahren“. Doch die allgegenwärtige Bedrohung durch Terrorismus, der die israelische Bevölkerung bis heute ausgesetzt ist, bleibt unbeachtet. Einziges Thema der EAs ist die „Besetzung“. Durch ihre Gegenwart schützen und unterstützen sie Palästinenser, wenn diese an Checkpoints schlecht behandelt oder von Siedlern gewalttätig angegriffen werden. Alles wird notiert, fotografiert und als Rapport an das zentrale EAPPI-Büro in Jerusalem weitergeleitet.
Eine Internet-Ausschreibung vom 30. Januar 2005 konkretisiert die Zielvorgabe des Programms so: „Das EAPPI begleitet Palästinenser und Israelis in gewaltlosen Aktionen und ihrem gemeinsamen Eintreten für eine Beendigung der Besetzung. Unter anderem möchte das Programm: den gewalttätigen Charakter der Besetzung aufzeigen, die Demütigungen, Brutalität und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung beenden sowie ein starkes, weltumspannendes Fürsprache-Netzwerk aufbauen.“
Diese Präzisierung der EAPPI-Ziele spricht für sich. Ehe die Beobachter im Lande sind, wissen sie schon genau, was sie dort erleben werden. Bei Brutalität und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung geht es selbstredend um israelische Übergriffe, nicht um palästinensischen Terror. Der Grundtenor dieses Textes macht jedem und jeder potentiellen EA unmissverständlich klar, dass er oder sie in Israel Feindgebiet betritt.

Lobbyarbeit bei Politikern

Ihre wahre Bedeutung als ökumenische Beobachter erhalten die EAs aber erst nach ihrer Rückkehr in die zivile Gesellschaft ihrer Heimatländer. Die bereits erwähnte „Einführung in das EAPPI“ fährt fort: „…mit den Geschichten, die EAs sowohl von Israelis als auch von PalästinenserInnen hören, werden sie nach ihrer Rückkehr zu Hause wichtige Arbeit leisten.“ Und im Begleitprogramm erklärt die EAPPI-Begutachtung: „Die Arbeit der EAs geht über das hinaus, was sie vor Ort leisten. Sie nehmen die gehörten Geschichten mit sich – schreiben sie auf und dokumentieren sie mediengerecht. In ihren Heimatländern halten ehemalige EAs Vorträge, schreiben für die Medien, organisieren Kampagnen und machen Lobbyarbeit bei RegierungsvertreterInnen, um sie zur Unterstützung eines gerechten Friedens in Nahost aufzufordern.“
Der ÖRK will also weltweit in Zivilgesellschaften Kampagnen für einen „gerechten Frieden in Nahost“ inszenieren. Wie dieser „gerechte Frieden“ auszusehen hat, lässt sich schwer sagen – noch weniger, wie er verwirklicht werden soll. Offenkundig ist nur, dass Israels Politik gegenüber den Palästinensern nicht hingenommen werden darf. Das ist wohl auch das überwältigende Resümee der Berichte, Geschichten und „Besetzungserlebnisse“, die ehemalige EAs nach Hause zurückbringen.
Interessant sind die „Anforderungen“, die an Bewerber für das EAPPI gestellt werden: „Alter: 25-70 Jahre; physische und psychische Belastbarkeit; kommunikative Kompetenzen; Bereitschaft, sich in einem internationalen Team in Absprache mit den Verantwortlichen vor Ort zu bewegen und zu arbeiten…; EAs leben drei Monate lang direkt am Einsatzort.“ Es wird viel verlangt. Nach dem Einsatz vor Ort, der mindestens ein Vierteljahr beträgt, verpflichten sich die EAs noch einmal drei Monate in der Heimat für Öffentlichkeitsarbeit.
Ein EAPPI-Flyer, der auf dem Hamburger Kirchentag auslag, gab Auskunft über die „Leistungen“, die ein Volontär in diesem Programm erwarten kann: „Wir übernehmen die Kosten für Versicherungen, Reise, Taschengeld, Unterkunft und Verpflegung sowie für die Vorbereitungsseminare. Außerdem begleiten wir Sie während und nach dem Einsatz.“ Im Klartext: Das gesamte Programm des EAPPI wird vom ÖRK finanziert. 2005 war dazu im Internet zu erfahren: „Die Kosten für eine Begleitperson belaufen sich auf 1.700 US$ monatlich: 1.200 US$ für Lebensunterhalt und Arbeitsaufwand; 500 US$ gehen an die Programmkoordination.“
In einer Zeit, in der Kirchen unter finanziellem Druck wichtige Arbeitszweige aufgeben, Personalstellen einsparen und Gemeinden zusammenlegen, sei ein Kostenüberschlag für das EAPPI erlaubt. Als Grundlage dienen Angaben, die beteiligte Organisationen selbst zur Verfügung stellen. So berichtet ein Rundschreiben der württembergischen Initiative Pro Oekumene im November 2004: „Das [EAPPI-]Programm hat sich seit seinem Beginn im August 2002 sehr gut entwickelt. Inzwischen haben über 150 Frauen und Männer aus 12 Ländern, darunter auch Südafrika, an dem Programm teilgenommen. Zur Zeit ist eine Gruppe von 28 Begleitpersonen in der Region. Noch im November werden vier Deutsche ausreisen.“
Gehen wir aufgrund dieser Meldung einmal von 180 Freiwilligen aus, die drei Monate im Einsatz sind, lassen Kosten für die Einsatzleitung vor Ort und andere Nebenkosten außer Betracht und setzen für ein Flugticket 600 US$ an, ergeben sich für Flugkosten (180 x 600) 108.000 US$ und für Einsatzkosten im Land (180 x 3 x 1.700) 918.000 US$. In den ersten beiden Jahren hat das EAPPI also bereits mehr als eine Million US-Dollar verschlungen, wobei die tatsächlichen Kosten wahrscheinlich erheblich höher lagen. Mittlerweile haben rund 1.000 Freiwillige am EAPPI teilgenommen. Die Kosten dürften gestiegen sein. Entsprechend wird die Rechnung heute, nach weiteren acht Jahren, ausfallen.
Möglicherweise wurde die Finanzierung des EAPPI mittlerweile dezentralisiert. Doch letztlich kommen die ÖRK-Gliedkirchen für diese Kosten auf. Neben dem Evangelischen Missionswerk Deutschland (EMD), dem Berliner Missionswerk (BMW) und der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS) haben sich Brot für die Welt, der Evangelische Entwicklungsdienst (eed) und die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) zu einem Koordinierungskreis zusammengeschlossen; das EAPPI hat in Deutschland eine solide Basis.

Auftrag der Kirchen?

Wichtiger jedoch als finanzielle sind grundsätzliche Fragen, die eine Klärung fordern: Handelt der ÖRK mit seinem anti-israelischen Programm im Auftrag seiner Gliedkirchen? Ist es Konsens der Ökumene, dass im Konflikt um Israel „Friedens-Überwacher“ an die Front müssen? Vor allem aber: Werden diese kirchlichen Kampagnen, die sich einseitig, vorurteilsgeladen und selbstgerecht gegen den jüdischen Staat Israel richten, eine neue Ära eröffnen? Wird der zunächst religiös, später rassistisch begründeten Feindschaft von Christen gegen das jüdische Volk nun eine politische gegen den Judenstaat folgen?

[1] Der ÖRK, kurz auch „Weltkirchenrat“ genannt, ist eine Dachorganisation, in der sich die großen orthodoxen, protestantischen und anglikanischen Kirchen zusammengeschlossen haben. Nach eigenen Angaben vertritt der ÖRK 550 Millionen Christen weltweit. Die katholische Kirche gehört nicht dazu; hätte m. E. dem EAPPI, das im Folgenden beschrieben wird, auch nicht zugestimmt. „Pax Christi“, eine katholische Friedensbewegung, die aggressiv gegen Israel agiert, ist ein unabhängiger und selbständiger Verein, keine kirchliche Institution. An den Aktionen des ÖRK gegen Israel beteiligen sich vor allem Kirchen aus Europa und den USA.

Die ursprüngliche und ausführliche Version dieses Artikels ist Ende Juni im Rundbrief des Denkendorfer Kreises erschienen und kann bestellt werden bei Hartmut Metzger, Telefon: +49 (7071) 518 17, E-Mail: denkendorfer-kreis@t-online.de

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