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Oberstleutnant Schai Brovender erklärt: Die Anatomie des israelischen Sicherheitszauns

„Wir bauen entlang einer Strecke, die unter militärischen Gesichtspunkten sinnvoll ist.“ Kurz und knapp bringt Oberstleutnant Schai Brovender auf den Punkt, was er zu sagen hat. „Die ,grüne Linie‘ – wie die Waffenstillstandslinien von 1949 oder die Grenze von vor 1967 genannt wird – ist eine politische Linie“, begegnet er der erstaunten Feststellung von Journalisten, dass der Zaun ja weitgehend entlang dieser Linie verlaufe. Und zu politischen Fragen will er sich als Militär nicht äußern.

Stacheldrahtverhau, ein Graben, der Fahrzeuge hindert, ein geeggter Streifen, der eigentliche Zaun, ein geeggter Streifen, eine Patrouillenstraße, ein dritter geeggter Streifen und noch ein letzter Stacheldrahtverhau – wenn die örtlichen Gegebenheiten keine Besonderheiten erfordern, sieht der Antiterrorzaun so aus. Wenn er einmal fertiggestellt sein wird, wird er auf eine Länge von ungefähr 700 Kilometern palästinensische und israelische Siedlungsgebiete von einander trennen.

Auf einer Länge von 40 bis 50 Kilometern entsteht eine Mauer, die Scharfschützen daran hindern soll, auf Israelis zu schießen. Zum Bau der Mauer bei Kalkilja, entlang der neuen Trans-Israel-Autobahn wurde beispielsweise das höchste Haus genommen, dann die Reichweite einer automatischen AK-47 (Kalaschnikow) mit 600 Meter berechnet. Die Mauer wurde so gebaut, dass ein Doppeldeckerbus auf der Autobahn nicht getroffen werden kann.

Das palästinensische Kalkilja liegt zehn Minuten zu Fuß vom israelischen Kfar Saba entfernt. Früher sind Israelis dorthin zum Einkaufen gefahren, oder auch zum Zahnarzt, der in der benachbarten Palästinenserstadt nicht schlechter sein muss, aber eindeutig günstiger ist. In den vergangenen Jahren war Kalkilja der Ausgangsort für sechs Terroranschläge, durch die 25 Israelis ums Leben kamen und 113 verletzt worden. Deshalb wurde die Stadt vom so nahe liegenden Israel jetzt hermetisch abgeriegelt.

Mit Laienaugen betrachtet unterscheidet sich Israels Sicherheitszaun nicht von anderen vergleichbaren Grenzanlagen. Erst als Oberstleutnant Brovender seine Journalistengruppe durch das Kommando- und Kontrollzentrum (CC) führt, bekommen wir einen kleinen Eindruck von den technischen Raffinessen der Sicherheitsbarriere – wobei vermutlich das am interessantesten wäre, was Brovender uns vorenthält.

Im CC sitzen wehrdienstleistende Mädchen vor Bildschirmen und bedienen in Vierstundenschichten rund um die Uhr auf Tastendruck modernste Kameras, die für Tag- und Nachtsicht ausgerüstet sind. Die gesamte Sicherheitsbarriere wird so ständig überwacht.

Schon bevor ein Wesen den Zaun erreicht, melden Bewegungsmelder, dass sich jemand nähert. Der Zaun hat insgesamt acht verschiedene Alarmzeichen. Innerhalb weniger Sekunden kann per Kamera festgestellt werden, ob es ein Tier ist, das sich in seinem Weg gestört sieht, ob freche Jungs Steine werfen, Journalisten an einer Zaunstory arbeiten und dafür den Alarm ausgelöst haben, oder ein Terrorist sich nach Israel einschleichen will. Bis der Eindringling in den Bereich des Sicherheitszaunes sich wieder entfernt hat, wird er vom CC aus beobachtet und notfalls eine Patrouille an den Ort entsandt.

Die Soldatinnen im CC stehen in direktem Funkkontakt mit den Patrouillen im Gelände, die dadurch sofort wissen, mit was sie es zu tun haben. Die automatische Alarmanlage des Zauns, die Beobachterinnen im CC, die Kommandozentrale und die Patrouille im Gelände stehen in ständiger Verbindung zu einander und ihre Aktionen werden über Satellit (GPS) koordiniert.

Brovender, der als Batallionskommandeur im Zentralabschnitt maßgeblich den Bau der Sperranlage mitverantwortet, ist sich der humanitären Folgen, die durch den Bau für die palästinensische Bevölkerung entstehen, durchaus bewusst. Zwei Millionen Euro kostet jeder Kilometer des Antiterrorzauns den Staat Israel, Personalkosten und technischen Schnickschnack inklusive.

„16 Prozent des Budgets werden für die Erleichterung der humanitären Lage der Palästinenser verwendet“, erklärt der Oberstleutnant. Den palästinensischen Vorwurf, die „Apartheidsmauer“ sei nur ein neues Mittel der Israelis, um palästinensisches Land zu stehlen, weist Brovender entschieden zurück. Jeder bekommt für Gebiet, das er durch den Zaun verloren hat, eine Entschädigung. Bislang wurden im Auftrag der israelischen Armee 90.000 Olivenbäume nicht nur ausgerissen, wie weltweit berichtet, sondern auch wieder eingepflanzt und teilweise bis zu drei Monate lang zum Anwachsen bewässert. Außerdem haben Palästinenser das Recht, bei ungerechter Behandlung vor dem Obersten Gerichtshof in Israel Klage einzureichen.

Außer fünf großen Terminals gibt es alle paar Kilometer Tore im Zaun, die je nach örtlichen Bedürfnissen genutzt werden. Auf der Fahrt im gepanzerten Bus entlang der Sicherheitsbarriere erklärt Schai Brovender den Journalisten, dass die Tore im Zaun ganz individuell genutzt werden: „Ich selbst bin zum Muchtar von mehr als einem Dorf gegangen und habe ihn gefragt, wann der Durchlass im Zaun geöffnet werden sollte.“ Wenn irgend möglich sollen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der israelischen Sicherheitsmaßnahme für die Palästinenser gemildert werden.

Mancherorts wird ein Tor nur zu bestimmten landwirtschaftlichen Saisonen geöffnet. An vielen Stellen gibt es Sonderregelungen, so beispielsweise für eine Beduinenfamilie, die außerhalb des Zauns wohnt, deren Kinder aber in eine palästinensische Schule gehen. In einem Fall hat ein Palästinenser, dessen Haus auf israelischer Seite steht, selbst einen Schlüssel für das Tor im Zaun, um dadurch zu seinem Dorf gelangen zu können. Selbstverständlich werden die Bewegungen durch das Tor von den Mädchen im CC genau beobachtet.

„Aber natürlich ist es nicht immer möglich, alle wirtschaftlichen Folgen für die Palästinenser durch den Zaun zu vermeiden – und manchmal sind wir daran auch gar nicht interessiert“, meint Oberstleutnant Brovender mit einem Schmunzeln. So geben Autoversicherungen an, dass nach dem Bau des Zauns die Autodiebstähle in den betroffenen Gebieten um 55 bis 60 Prozent zurückgingen. Ähnliches gilt für den Schmuggel von Waffen.

Grundanliegen des zaunbauenden Oberstleutnants ist aber „eine militärische Lösung, die Terroristen daran hindern soll, nach Israel zu kommen“. Und: „Dies ist die beste Möglichkeit, unsere Familien zu schützen.“ Der Erfolg scheint Brovender recht zu geben: „Aus militärischer Sicht ist der Zaun effektiv.“ Die statistischen Untersuchungen, die er vorzuweisen hat, sprechen für sich. Im Wadi Ara, nahe der Grenze zu Samaria, kamen im Jahr 2002 noch 63 Menschen durch Terroranschläge ums Leben. Nach der Errichtung des Zauns wurden im Jahr 2003 nur noch zwei Menschen getötet. Auf die Einwände von seiten der Journalisten, die Palästinenser würden dadurch eingesperrt, meint der Offizier lakonisch: „Wer eine bessere Idee hat, wie wir das Problem des Suizidterrors lösen kann, kann ja die Regierung in Jerusalem anrufen.“

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