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Noch immer unbezwungen: Ein Jahr Hamastan

"Der Gestankpegel ist im Gazastreifen deutlich angestiegen", erzählt ein Journalist, der sich allen Entführungswarnungen zum Trotz kürzlich in den Gazastreifen wagte, um Bekannte zu besuchen. Die Kloake fließt ungeklärt ins Mittelmeer oder in Abwasserseen, deren Dämme gelegentlich brechen und tödliche Überschwemmungen verursachen, in denen Menschen und Tiere ertrinken.

Der Grund für die Misere liegt bei Israel wie bei der Hamas selber. Denn ohne Strom laufen die Pumpen nicht. Israel lässt auch keine Ersatzteile in den Gazastreifen, wegen des Boykotts, der von der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah und den meisten westlichen Ländern mitgetragen wird. Die Stromausfälle und der Mangel an Dieselöl für die Generatoren sind von der Hamas hausgemacht, wie auch die Schließung der Grenzübergänge. Als vor zwei Wochen die Hamas einen Lastwagen mit vier Tonnen Sprengstoff in Sichtweite des Grenzübergangs Eres sprengte, zersplitterten nicht nur Fensterscheiben in grenznahen israelischen Ortschaften. Es wurde auch eine der Hochspannungsleitungen umgeknickt, über die Israel von dem regelmäßig mit iranischen Grad-Raketen beschossenen Rutenbergkraftwerk rund 60 Prozent des im Gazastreifen benötigten Stroms liefert. Nur über Eres können Diplomaten, Journalisten und andere Privilegierte in den Gazastreifen wechseln. Auf umgekehrtem Weg gelangten in den letzten zwölf Monaten über 7.000 Palästinenser, viele von ihnen krebskrank oder durch Schüsse verletzt, zur Behandlung nach Israel oder Jordanien.

Humanitäre Hilfe aus Israel

Selbst internationale Organisationen bestätigen, dass im Gazastreifen kein Hunger herrsche. Seit dem 15. Juni 2007 seien 24.358 Lastwagen mit 571.852 Tonnen „humanitärer Hilfe“ gerollt. Diese Angaben veröffentlichen übereinstimmend israelische Stellen und eine britische Hilfsorganisation, die namentlich nicht zitiert werden will. Neben Mehl, Zucker und Tee gelangen auch Pulvermilch, Spritzen und Gummihandschuhe sowie Serum gegen die Maul- und Klauenseuche in den Gazastreifen. Diese Hilfsgüter gelangen über die Grenzposten Sufa und Karni zu den Palästinensern, wenn sie nicht gerade wegen Mörserbeschuss zeitweilig geschlossen werden müssen.

Benzin, Dieselöl und Kochgas gelangt über Nahal Os in den Gazastreifen. Doch die Tanks auf der palästinensischen Seite waren zeitweilig bis zum Überlaufen voll, weil die Hamas ein Abholen der Kraftstoffe verhinderte, um künstlichen Mangel zu erzeugen. „Fahren Sie zur Polizeistation, da dürfen Sie volltanken“, wies ein Sicherheitsmann der Hamas den Taxifahrer an, der einen westlichen Journalisten umherfuhr. Die Polizei wird von der Hamas gestellt, ausgestattet mit Waffen, die sie von der Fatah-Polizei übernommen hatte. Wer dem Regime der Hamas genehm ist, erhält auch Benzin.

Israels Regierung unter Druck

Vor einem Jahr putschte die Hamas. Über 300 Menschen starben bei den Kämpfen. Fatah-Leute wurden von Dächern in den Tod gestoßen, in die Knie geschossen oder flohen nach Ramallah. Hunderte sitzen in den Gefängnissen. Derweil hat die Hamas ihre Macht ausgebaut. Mit großem Sicherheitsaufwand unterdrückte sie am ersten Jahrestag jegliche Proteste gegen die Misere.

Mit dem Raketenbeschuss grenznaher israelischer Orte und der Entführung des Soldaten Gilad Schalit gelang es der Hamas, Israels Regierung unter Druck zu setzen. Mit ägyptischer Vermittlung wurde Israel zu Verhandlungen über eine „Tahdija“, einen zeitweiligen Waffenstillstand, gezwungen. Denn die seit über einem Jahr von Jerusalem angedrohte Großoffensive wurde bis heute nicht beschlossen. „Wir haben den Gazastreifen nicht geräumt, um zurückzukehren“, lautet ein israelisches Argument. Die hohe Zahl der zu erwartenden Opfer, unter den eigenen Soldaten wie bei den Palästinensern, bedeutet eine vorprogrammierte moralische Niederlage für Israel. Und zudem fragen sich Israelis: „Angenommen wir gehen rein. Wem sollten wir Gaza übergeben, wenn wir uns wieder zurückziehen?“ Denn die Hamas ist in der palästinensischen Bevölkerung so populär, dass sie auch im Westjordanland die korrupte Fatah-Organisation des Präsidenten Abbas ablösen könnte. So kann es sich die Hamas erlauben, Israel zu provozieren und mangels Gegenmitteln zu demoralisieren, ohne selber eine politische Niederlage befürchten zu müssen. Die eigenen Toten, über 300 seit Jahresbeginn, werden als Märtyrer gefeiert.

Hamas: diszipliniert und brutal

Die radikal-islamistische Hamas, ursprünglich aus den ägyptischen Moslembrüdern hervorgegangen, ist diszipliniert und brutal. Sie zwingt die Männer zum Barttragen und die Frauen zum Verhüllen mit Kopftüchern. Ihre rund 17.000 Männer unter Waffen reisen durch Schmugglertunnel über Ägypten nach Iran und Afghanistan zum Training. Ihnen mangelt es nicht an Geld. Auch beim Sprengstoff gibt es keine Engpässe, wie die Raketen beweisen und bei „Arbeitsunfällen“ explodierte Häuser von Hamas-Kämpfern, wenn die ihre Bomben unsachgemäß mitten in Wohngebieten basteln.

Nichts scheint die Kraft und vor allem die Ideologie der extremistischen Hamas brechen zu können, weder der israelische Boykott, noch die geschlossenen Grenzen, noch die Arbeitslosigkeit unter der Bevölkerung. Auch die Tatsache, dass die Existenz eines Hamastan in Gaza die Chance auf einen palästinensischen Staat zunichte gemacht hat, stört Hamas nicht. Denn sie will langfristig anstelle von Israel ein islamisches Kalifat gründen und keinen von Diplomaten in der UNO vertretenen Staat.

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