Neurologen kritisieren Behandlung Scharons

NEW YORK (inn) – Amerikanische Neurologen haben die Behandlung des kranken israelischen Premiers Ariel Scharon kritisiert. In einem Fachmagazin listen sie Fehler auf, die israelische Ärzte möglicherweise beim berühmten Schlaganfall-Patienten gemacht haben.

Bereits kurz nach seinem zweiten Schlaganfall am 4. Januar hatten israelische Experten die Behandlung Scharons kritisiert. Zu diesem Zeitpunkt war dessen Gesundheitszustand schlechter, als es die Ärzte und seine Berater gegenüber der Öffentlichkeit bekannt gaben. Die Blutgefäße des Premiers waren erkrankt, und der Patient litt zudem an einer zerebralen Amyloid-Angiopathie; sie ist ein Hauptmerkmal der Alzheimer-Krankheit, ist aber auch die Hauptursache für Hirnblutungen im Alter.

Am Tag nach dem Vorfall sprachen auch Ärzte des Hadassah-Krankenhauses ihre Zweifel an der Richtigkeit der Behandlung aus. Sie kritisierten etwa, dass Scharon den Abend vor der Katheter-Behandlung auf seiner Ranch im Negev verbracht hatte.

Vier amerikanische Neurologen stimmten nun in diesen Chor mit ein. In der jüngsten Ausgabe des Fachblattes „Neurology Today“, des offiziellen Magazins der Amerikanischen Akademie für Neurologie, kritisieren sie die behandelnden Ärzte des Hadassah-Krankenhauses in Ein Kerem sowie Scharons persönliche Ärzte an der „Scheba“-Klinik in Tel Haschomer.

In Interviews sagten sie, sie seien mit dem Fall Scharons nicht bis ins Detail vertraut. Doch habe Scharon zunächst nur einen kleineren Schlaganfall erlitten; sein sonstiger Gesundheitszustand sei gut gewesen. „Premierminister Ariel Scharon hatte alle typischen Risikofaktoren für einen größeren Schlaganfall“, so die Experten. „Er war 77 Jahre alt, sehr fettleibig, und 30 Tage zuvor hatte er einen kleineren Schlaganfall erlitten.“

„Ein Punkt, der bei der Geschichte um Scharon auffällt, ist, dass er mit einem Krankenwagen auf eine einstündige Reise in die Notambulanz gebracht wurde“, sagte Stephan A. Mayer, Direktor der neurologischen Intensivstation an der Klinik der Universität von Columbia. Man hätte besser die nächstliegende Notaufnahme angesteuert. Die Behandlung Scharons falle unter das „VIP-Syndrom“, so Mayer: „Man macht mit berühmten Persönlichkeiten Dinge, die man mit normalen Personen nicht machen würde.“

Nach seinem ersten Schlaganfall am 18. Dezember wurde Scharon mit einem starken Blutverdünner behandelt, um die Verstopfung der Gehirn-Aterien zu verhindern. David Greer, Neurologe am „Harvard Massachusetts“-Krankenhaus in Boston, drückte seine Zweifel aus, ob dieser Typus von Medikament in dieser Situation richtig gewesen sei.

Claude Hemphill, Professor für Neurologie und Direktor für die neurologische Abteilung an der Universität von Kalifornien in San Francisco, kritisierte in der Zeitung die Diagnose der israelischen Ärzte: sie hatten ein Loch im Herzen Scharons als Ursache für den Schlaganfall angesehen. Daraufhin wollten sie versuchen, dieses Loch zu schließen. Der kalifornische Arzt bezweifelte, dass dies viel bringe.

Auch Irene Meissner, Neurologin an der Mayo-Klinik in Minnesota, sagte, solch ein Loch im Herzen sei in der Bevölkerung weit verbreitet. Man dürfe diese kleine Störung nicht automatisch für den Schlaganfall verantwortlich machen, betonte sie, „besonders bei älteren Menschen“.

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen