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Netanjahu will sich direkt vom Volk wählen lassen

Der Griff in die Trickkiste ist tief: Die Israelis sollen entscheiden, wer die nächste Regierung führt. So will es der Likud um Premier Netanjahu. Das umstrittene Manöver soll eine fünfte Wahl zu vermeiden.
Premier Netanjahu plädiert für eine einmalige Direktwahl des zukünftigen Regierungschefs

JERUSALEM (inn) – Wer in diesen Tagen auf das politische Jerusalem blickt und nicht verzweifeln will, muss das Augenmerk auf die Lichtblicke legen: Offenbar gibt es noch eine Regierung, die sich als „handlungsfähig“ charakterisieren lässt. Immerhin hat sie dieser Tage erst einen Deal für weitere Impflieferungen im kommenden Jahr geschlossen. Dinge dieser Art scheitern also nicht an der offenen Frage der Regierungsbildung.

Doch das ändert nichts an dem Umstand, dass die Lage nach wie vor zerfahren ist und es an anderer Stelle stockt. So hat Israel seit drei Wochen keinen Justizminister. Avi Nissenkorn (früher Blau-Weiß) war im Dezember zurückgetreten, Ersatzpremier Benny Gantz (Blau-Weiß) hatte zwischenzeitlich übernommen, diese „Amtszeit“ ist Anfang April jedoch abgelaufen. Premier Benjamin Netanjahu (Likud) blockiert eine Ernennung. Kritiker monieren, er wolle damit angesichts seines Korruptionsprozesses die Justiz schwächen. Die Leerstelle hat auch praktische Folgen, so können derzeit in Israel etwa keine neuen Richter ernannt werden.

Direktwahl als Ausweg

Diese Entwicklungen zeigen auf die eigentliche Blockade in Israel, die stockende Regierungsbildung. Am Dienstag gestand Netanjahu zu, dass er auf dem üblichen Weg keine Regierung zustande bringt. Für die verbliebene Frist von zwei Wochen gibt es nun zwei Optionen: Sein Rivale Gideon Sa’ar (Neue Hoffnung) lässt sich auf ihn ein – das ist unwahrscheinlich. Oder die Knesset überlässt den Israelis die Entscheidung, wer Regierungschef werden soll, indem die Abgeordneten ein Gesetz für eine Direktwahl verabschieden.

Die Idee einer Direktwahl wurde bereits Ende vergangener Woche laut. Doch am Montag kam ein neuer Anlass hinzu: Die arabische Ra’am-Partei stimmte gegen den Likud-Vorschlag, als es um die Zusammensetzung eines Ausschusses ging, der die Abläufe in der Knesset festlegt, bis es eine neue Regierung gibt. Damit ist für Netanjahu offensichtlich, dass mit Ra’am keine Regierungsarbeit zu machen ist.

Ein Vorschlag und viele Fragen

Premierminister-Direktwahlen parallel zu den Knesset-Wahlen gab es bereits zwischen 1996 und 2001. Die Idee hierbei war, die Macht kleiner Parteien einzuschränken, die bei knappem Wahlausgang das Zünglein an der Waage für Koalitionsbildungen spielen und damit übermächtig werden. Nun warb Netanjahu erneut mit diesem Gedanken: „Ich will zu dem Punkt kommen, an dem wir eine rechte Regierung bilden, und der Weg dahin, ohne abhängig von der einen oder anderen Fraktion zu sein, ist die Direktwahl.“

Ein entsprechender Gesetzesvorschlag ist nun zwar eingebracht, aber um ihn ranken sich viele Fragen. Abgesehen davon, ob er eine Mehrheit erhält, ist offen, ob es legitim ist, dem eigentlichen Wahl-Ergebnis nachträglich ein weiteres hinzuzufügen; oder mit welchem Recht Wähler ausgeschlossen werden, die seit den Knessetwahlen im März die Volljährigkeit erreicht haben. Und nicht zuletzt, ob damit das Problem der Mehrheitsfindung nicht einfach verschoben wird.

Fortlaufende Ergebnislosigkeit

Allerdings erscheinen die Alternativen nicht heller. Erst am Dienstag wurde innerhalb der Netanjahu-Gegner Kritik an Jair Lapid (Jesch Atid) laut: Er habe bislang noch keine Einigung mit Naftali Bennett (Jamina) erreicht. Die Zeitung „Jerusalem Post“ stellte fest, zwischen den beiden gebe es noch „breite Gräben“ – nicht zuletzt in der Frage, wer eigentlich die Regierung führt, wenn sich beide Parteien und andere zusammentun.

Zuletzt machte der Likud seinem Ärger über Bennett Luft. Am Mittwoch hieß es nach weiteren ergebnislosen Gesprächen, der Jamina-Chef habe mit Blick auf sein Wahlergebnis von sieben Sitzen zu hohe Forderungen. Der politische Stillstand festigt sich dieser Tage also weiter.

Von: df

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