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Urteil zur Beschneidung „verfassungswidrig“

JERUSALEM / KÖLN (inn) – Das Urteil eines Kölner Gerichts, das die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen grundsätzlich als strafbare Körperverletzung bezeichnet hat, wird inzwischen auch in den israelischen Medien verbreitet. „Das Urteil ist verfassungswidrig, weil es der Freiheit der Religionsausübung widerspricht“, wurde Rabbiner Arie Goldberg, Vizegeneraldirektor des „Rabbinical Centre of Europe“, im israelischen Rundfunk zitiert. Noch gibt es keine Reaktionen aus Israel auf diesen Gerichtsbeschluss.
Beschneidung: Für gläubige Juden ein göttliches Gebot

Bei dem Gerichtsverfahren in Köln ging es um einen vierjährigen muslimischen Jungen, der nach der ärztlichen Beschneidung unter Nachblutungen litt. Er war auf Wunsch seiner Eltern beschnitten worden. Infolge der Beschwerden erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Arzt. In der Entscheidung verwiesen die Richter unter anderem darauf, dass „der Körper des Kindes durch die Beschneidung dauerhaft und irreparabel verändert“ werde. „Diese Veränderung läuft dem Interesse des Kindes, später selbst über seine Religionszugehörigkeit zu entscheiden, zuwider.“
Der Strafrechtler Holm Putzke von der Universität Passau sagte gegenüber der „Financial Times Deutschland“: „Das Gericht hat sich – anders als viele Politiker – nicht von der Sorge abschrecken lassen, als antisemitisch und religionsfeindlich kritisiert zu werden.“ Weiter erklärte Putzke: „Diese Entscheidung könnte … im besten Fall auch bei den betroffenen Religionen zu einem Bewusstseinswandel führen, Grundrechte von Kindern zu respektieren.“
Der Zentralrat der Juden in Deutschland bezeichnete das Urteil des Landgerichts Köln als beispiellosen und dramatischen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften. Präsident Dieter Graumann teilte mit: „Diese Rechtsprechung ist ein unerhörter und unsensibler Akt. Die Beschneidung von neugeborenen Jungen ist fester Bestandteil der jüdischen Religion und wird seit Jahrtausenden weltweit praktiziert. In jedem Land der Welt wird dieses religiöse Recht respektiert.“ Der Zentralrat forderte den Deutschen Bundestag als Gesetzgeber auf, Rechtssicherheit zu schaffen und so die Religionsfreiheit vor Angriffen zu schützen.
Wichtiger jüdischer Grundsatz
Nach jüdischer Tradition wird ein Kind männlichen Geschlechts am achten Tag seines Lebens beschnitten. Der Beschneidung (Brit Mila) wird große Bedeutung beigemessen: Dieses Ritual erinnert an den heiligen Bund, den Gott mit dem Stammvater Abraham geschlossen hat. Durch die Beschneidung des männlichen Gliedes wird das Kind in diesen Bund aufgenommen. Man kann die Beschneidung auf einen späteren Termin verschieben, wenn es dafür triftige, zum Beispiel gesundheitliche Gründe gibt. Die Beschneidung wird von einem Arzt oder einem dafür zuständigen Kultusbeamten, dem Mohel, vorgenommen, der medizinische Kompetenz haben muss.
Der römische Kaiser Hadrian verhängte im Jahr 132 ein Beschneidungsverbot, was den jüdischen Bar Kochba-Aufstand gegen die Römer auslöste. Dieser verlorene Aufstand beendete für fast 2.000 Jahre die jüdische Präsenz im Heiligen Land. Im Mittelalter und bis in die Neuzeit hinein wurde aus rein antisemitischen Motiven in San Francisco und in der Sowjetunion versucht, den Juden die Beschneidung zu verbieten.
Betroffen sind neben Moslems auch die Juden, nach deren Auffassung es nicht um die freie Wahl der Religionszugehörigkeit geht, sondern um die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk, in das ein Jude hineingeboren wird.
Bei den Juden entspricht die Beschneidung der christlichen Taufe. Acht Tage nach der Geburt erhält dabei das Kind seinen Namen und wird so in den „Bund Abrahams“ aufgenommen. Die Sitte der Beschneidung gilt als eines der wichtigsten jüdischen Kennzeichen. So wie ein frommer Jude kein Fleisch genießen darf, das nicht von Fachleuten geschächtet worden ist, entspricht die Beschneidung einem geheiligten jüdischen Grundsatz.
Immer wieder passiert es, dass bei der Beschneidung dem Baby „zuviel“ weggeschnitten wird. Gleichwohl käme kaum jemand in Israel auf die Idee, diesen Brauch zu verbieten oder als strafbare Körperverletzung zu ahnden.
Norwegische Initiative gegen Beschneidung
Wie die Schweizer jüdische Zeitschrift „Tachles“ am Freitag berichtete, wollen Abgeordnete der Zentrumspartei in Norwegen die Beschneidung aus religiösen Gründen als „kriminellen Akt“ brandmarken. Das erklärte Jenny Klinge, Sprecherin der Partei. Für Ervin Kohn, Präsident der jüdischen Gemeinde von Oslo, sei die Angelegenheit von „existentieller Wichtigkeit“ für die Gemeinde. „Ein Verbot der Beschneidung käme einer lauten Botschaft an die jüdische Minderheit gleich, dass sie in Norwegen nicht erwünscht sei“, sagte Kohn.
Letztes Jahr habe die Regierung der jüdischen Gemeinde in Oslo einen Kompromiss offeriert, wonach bei der Beschneidungszeremonie medizinisches Personal anwesend sein müsse. Laut Kohn sei das für die Gemeinde akzeptabel. Die Regierung in Oslo hatte begonnen, sich mit dem Thema der Beschneidung zu befassen, nachdem der norwegische Kinder-Ombudsmann vorgeschlagen hatte, das Mindestalter für die rituelle Beschneidung bei Buben auf 15 Jahre festzusetzen und nicht auf acht Tage, wie es die Bibel fordert. In Norwegen ist rituelles Schächten verboten. In dem skandinavischen Land leben rund 700 Juden.
Neben der Beschneidung aus religiösen Gründen muss die Vorhaut im Falle einer Phimose (Vorhautverengung) aus medizinischen Gründen entfernt werden.

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