„Nach Sylvester werden alle aus dem Urlaub zurückkommen und die Arbeit wieder aufnehmen“, sagte Ran Peker, ein ehemaliger israelischer Luftwaffenchef, in einer Diskussion mit Rafi Sevron, der ab 1962 die Luftwaffe für den Überraschungsangriff auf Militärflugplätze 1967 zu Beginn des Sechs-Tage-Krieges vorbereitet hatte. Damals hatte Israel auf einen Schlag die ägyptische Luftwaffe in den ersten Minuten des Krieges erfolgreich geschlagen. Innerhalb weniger Tage eroberte es den Sinai, den Gazastreifen, das Westjordanland und die syrischen Golanhöhen.
Neujahr scheint das Zeitfenster zu sein, das Israels Regierung den Militärs gesetzt hat, die Hamas umfassend zu treffen. Jetzt schon ruft die westliche Welt Israel auf, die Offensive gegen den Gazastreifen umgehend zu stoppen. Doch Außenministerin Zipi Livni und zahlreiche für diese Aktion rekrutierte Regierungssprecher beharren noch auf Israels Selbstverteidigungsrecht und auf dem „unerträglichen Zustand“ eines jahrelangen Raketenbeschusses der israelischen Zivilbevölkerung.
Bei der Diskussion der Luftwaffen-Veteranen Sevron und Peker ging es um einen Vergleich der „Operation Gegossenes Blei“ heute mit Kriegen der Vergangenheit. Für sie ist der Krieg von 1967 eher Vorbild als der Libanonkrieg von 2006. Während Israel ab dem 12. Juli 2006 auf eine Attacke der libanesischen Hisbollah aus dem Affekt und ohne gründliche Vorbereitung reagierte, ist der Schlag gegen die Hamas nach monatelanger Aufklärung und dem Aufbau einer Datenbank mit hunderten klar definierten Zielen bestens vorbereitet worden. Es begann mit einem vernichtenden Überraschungsschlag gegen „sämtliche“ Militäreinrichtungen der Hamas, wie die islamistische Organisation schon am Samstag eingestand. Obgleich sich die Trainingszentren, Polizeistationen und Befehlszentralen teilweise inmitten dicht besiedelter Wohngebiete befanden, waren unter den 220 Toten des ersten Tages nach Angaben der Hamas 180 Kämpfer und Sicherheitsleute, die beim Putsch der Hamas im Juni 2007 die Fatah-Leute der Autonomieregierung brutal ermordet und vertrieben hatten.
Am Sonntag absolvierte die israelische Luftwaffe angeblich eine „militärische Glanzleistung“. Mit vierzig Kampfflugzeugen wurden innerhalb von 4 Minuten die Schmugglertunnel unter der Grenze zu Ägypten zerstört. Die ehemalige „Philadelphi-Achse“ ist ein nur 100 Meter breiter Streifen. Die Piloten hatten keinen Spielraum für Abweichungen. Eine einzige fehlgeleitete Bombe auf eine ägyptische Grenzstellung hätte zu diplomatischen Verwicklungen mit unvorhersehbaren Konsequenzen führen können. Getroffen wurde auch ein Depot mit geschmuggeltem Kraftstoff. Zwischendurch wurden die Studios von El Aksa TV, dem Fernsehsender der Hamas, ausgeschaltet. Jetzt sendet die Hamas nur noch Konserven vom Band aus einem Übertragungswagen und Spruchbänder mit Nachrichten.
In der Nacht zum Montag hakte die Luftwaffe die Islamische Universität von ihrer Liste ab, ein hoch symbolisches Ziel, die akademische Hochburg der Hamas. Nach israelischen Angaben seien die Labors der Universität für die Entwicklung von Raketen und Herstellung von Sprengstoffen missbraucht worden. Am frühen Morgen traf es den Amtssitz von Hamas Ministerpräsident Ismail Hanija. Er scheint sich nicht in seinem „schwer beschädigten“ Büro aufgehalten zu haben. Auch die Zerstörung einer Moschee war ein gezielter Treffer gegen eine Ausbildungsstätte der Hamas und ein Waffenlager im Keller. Die Marine nahm derweil den Hafen und Einssatzboote der Hamas entlang der Küste unter Beschuss.
„Wir sollten trotz der Erfolge aus rein militärischer Sicht nicht euphorisch werden“, warnte General a.D. Peker. Trotz aller Vorbereitung und Präzision könnten Fehler gemacht werden. Der unbeabsichtigte Treffer eines Wohnhauses mit vielen zivilen Toten oder der Abschuss eines israelischen Flugzeugs seien nicht auszuschließen. Ebenso besitze die Hamas noch viele Raketen. Verteidigungsminister Ehud Barak hatte mit „zwei bis dreihundert“ Raketen pro Tag gerechnet. Israels Bevölkerung im Umkreis von dreißig Kilometern rund um den Gazastreifen wurde mit Anweisungen der „Heimfront“ zum ständigen Aufenthalt in Luftschutzbunkern und „Sicheren Räumen“ verpflichtet. Massenversammlungen und Schulunterricht wurden ausgesetzt. Fabriken stellten ihre Produktion ein und Bauern dürfen nicht auf ihre Felder.
Minuten später explodierte eine Grad-Rakete in einem Neubau in Aschkelon. „Ich zähle einen Toten und zehn Verletzte“, berichtet wenig später Aschkelons Bürgermeister per Handy live im israelischen Rundfunk. „Ich muss mich hier auf den Boden werfen mangels Schutzraum“, ruft nach einigen Minuten ein Reporter atemlos ins Telefon, während im Hintergrund Sirenen heulten. Mindestens acht Raketen seien von Dugit aus abgeschossen worden, den Ruinen einer 2005 geräumten israelischen Siedlung am Strand im Norden des Gazastreifens.