NABLUS (inn) – Die Autonomiestadt Nablus ist in den vergangenen Monaten Schauplatz zahlreicher Morde und deren Vergeltungen geworden – rivalisierende Banden liefern sich Straßenkämpfen, es herrscht Gesetzlosigkeit. Die Einwohner haben Angst, ihre Häuser zu verlassen und sind mittlerweile so weit, daß sie vor nicht laufender Kamera die von der israelischen Armee verhängte Ausgangssperre begrüßen.
Die Ausgangssperre hat einen totalen Kollaps der inneren Ordnung und Sicherheit in der Stadt verhindert oder zumindest vertagt, schreibt die israelische Journalistin Amira Hass in einem Bericht der Tageszeitung „Ha´aretz“.
Die Bewohner der größten Stadt im Westjordanland hätten in den vergangenen Tagen wenig Geduld gehabt, für die Auseinandersetzungen innerhalb der Autonomiebehörde. Ihnen sie es egal, ob Yasser Arafat, Mahmoud Abbas, Mohammed Dahlan oder Jibril Rajoub die Macht hat, so lange endlich etwas gegen den Terror unternommen wird, der die Stadt beherrscht, so Hass in ihrem Artikel.
Dieser Terror, sei jedoch nicht durch die israelische Armee verursacht wurden, betonten die Einwohner. Das Problem seien bewaffnete Palästinenser, die angeben, sie gehörten der Fatah-Partei von PLO-Chef Arafat an.
Wie es in dem Bericht weiter heißt, hätten am vergangenen Donnerstag die Einwohner der Autonomiestadt die israelische Armee gebeten, im benachbarten Dorf Salam ebenfalls eine Ausgangssperre zu verhängen. Wegen einer Fehde zwischen zwei Familien war eine Person ermordet worden, dadurch war es zu einer Serie von Vergeltungsmaßnahmen gekommen. 16 Häuser wurden in Brand gesteckt. Die gesamte Familie des mutmaßlichen Mörders floh aus dem Dorf.
Damit palästinensische Vermittler von Nablus nach Salam reisen konnten, um die Bewohner zu beruhigen, öffneten Soldaten eine Straßensperre. Auf Bitte der Dorfbewohner habe die israelische Armee den mutmaßlichen Mörder aufgespürt, ihn festgenommen und in ein Gefängnis nach Nablus gebracht. So dramatisch diese Angelegenheit war, sie war nichts im Vergleich zu dem Tumult der sich in Nablus ereignet, schreibt Hass weiter.
In den vergangenen beiden Wochen wurden zwei Palästinenser von Landsleuten erschossen, der Bürgermeister der Stadt und sein Bruder wurden für einige Stunden entführt und geschlagen, Häuser, Restaurants und Autos wurden in Brand gesteckt. Mehr als zehn Menschen wurden bei Schießereien auf der Straße verletzt. Bewaffnete Männer, einige von ihnen noch Teenager, hätten in der Stadt „Kontrollpunkte“ errichtet. Angeblich wegen der Suche nach einem Mörder, verlangen sie von Passanten, daß diese sich ausweisen.
Es mangele nicht an politisch-soziologischen Erklärungen für die Zustände im früheren biblischen Sichem. Was auch immer der Grund sei, fest stehe, daß die meisten Einwohner in Angst leben und von verschiedenen bewaffneten Palästinensergruppen bedroht werden, so die Journalistin, die selbst in den Autonomiegebieten lebt. Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) scheinen machtlos.
Viele Geschäftsinhaber hätten Nablus verlassen und seien nach Ramallah gezogen. Die Presse sei eingeschüchtert und habe zu viel Angst, über die Geschehnisse in der Autonomiestadt zu berichten.
Wie Hass weiter schreibt, seien die Bewohner krank und müde von der fadenscheinigen Ausrede, die Sicherheitskräfte der PA könnten nichts tun. Die Einwohner glaubten vielmehr, daß es eine Verbindung zwischen den rivalisierenden Banden und den Machtkämpfen innerhalb der PA und der Fatah gebe.