JERUSALEM (inn) – Niemals schreit er, immer reagiert er gelassen – Amram Norbert Mitzna, Herausforderer von Premierminister Ariel Sharon, bringt neuen Wind in den Wahlkampf. Seine Parteimitglieder haben für seine ruhige Art wenig Verständnis, sie fordern mehr Emotion von dem „Jecken“.
Der geschäftige Parteivorsitzende sticht durch sein auffällig „deutsches“ Verhalten heraus und auch seine zurückhaltende, ruhige Art scheint der deutschen Kinderstube zu entstammen. Höflich erbittet er das Wort, erhebt nur selten die Stimme und vermeidet jegliche Kraftausdrücke.
Auf die Fragen der Parteimitglieder, warum ihr Vorsitzender niemals schreit, reagiert er mit Gelassenheit. Lediglich ein Schulternzucken ist seine Antwort, denn der Jecke in Mitzna läßt sich einfach nicht verbergen. Sogar der graue Vollbart scheint unweigerlich an sein Herkunftsland zu erinnern.
Seine Kindheit verbrachte der 57jährige im Kibbutz „Ein Gev“ am See Genezareth im Norden des Landes, doch seine Eltern stammen beide aus Deutschland. Sie zogen erst kurz vor Mitznas Geburt ins damalige Palästina. Da seine Mutter Miriam eine Berlinerin war, könnte er zum ranghöchsten „Jecken“ in der politischen Geschichte Israels werden. Der dreifache Vater und Großvater hörte ursprünglich auf den Namen Norbert und erhielt erst einige Zeit, nachdem er das Licht der Welt erblickte, den weiteren, hebräischen Vornamen Amram.
Der Mann, der den Frieden nach Israel bringen will, tauchte wie Phönix aus der Asche auf. Vor einem halben Jahr rechnete noch niemand mit ihm und nun ist er ein heißer Kandidat für das Amt des israelischen Premierministers. Der 57jährige Ex-Armeegeneral, der zum Oslo-Friedensprozeß steht, will die Avoda wieder an die Macht führen.
Er befürwortet eine sofortige Wiederaufnahme von Verhandlungen über einen selbständigen Palästinenserstaat und ist auch zur Teilung Jerusalems bereit, was den Forderungen der Palästinenser nach einer eigenen Hauptstadt entsprechen würde. Auf der anderen Seite fordert Mitzna aber den schnellen Bau eines Trennungszauns entlang der gesamten Grenze zwischen Israel und einem möglichen Palästinenserstaat.
Das Hauptziel des Jecken, der voll und ganz zu seiner Herkunft steht, ist es allerdings, die Avoda wieder auf Kurs zu bringen, denn die Partei leidet nach dem Scheitern der Friedensgespräche noch immer unter inneren Konflikten. Nachdem Yasser Arafat die weitreichenden Angebote des ehemaligen Premiers Ehud Barak abgelehnt hatte, verlor die Arbeitspartei die Mehrheit in der Knesset und bildete unter der Führung des Likud eine Koalition der Nationalen Einheit. Diese zerbrach, als die Minister der Arbeitspartei zurücktraten. Auch zwei Jahre nach dem Rücktritt Baraks gibt es innerhalb der Avoda noch immer Unstimmigkeiten über das gemeinsame Ziel, die es für Mitzna zu klären gilt.