JERUSALEM (inn) – Mehr als 160 Millionen Euro sind wahrscheinlich auf Konten israelischer Banken deponiert, die ursprünglich Juden aus Europa gehörten. Dies geht aus einem Bericht des Untersuchungsausschusses der Knesset hervor, der am Dienstag veröffentlicht wurde.
Der Ausschuss warf den israelischen Banken „massive Nachlässigkeit“ im Umgang mit den Konten von Holocaust-Opfern vor. Tausende Juden hatten ihr Geld auf etwa 9.000 Konten in Israel deponiert. „Es gab kein ausgeklügeltes System, die Gelder zu verstecken, aber es gab ohne Zweifel Fahrlässigkeit beim Umgang mit den Dokumenten, und die Erben wurden hingehalten und ignoriert“, sagte die Vorsitzende des Ausschusses, Colette Avital (Avoda).
Das Knesset-Komitee untersucht die Konten der Holocaust-Opfer seit fünf Jahren. Die Banken hätten sich nicht ausreichend bemüht, die Erben ausfindig zu machen, so die Abgeordneten laut einem Bericht der Tageszeitung „Ha´aretz“. Es gebe möglicherweise weitere Konten, die noch nicht entdeckt wurden. „In vielen Fällen wurden Dokumente zerstört, wahrscheinlich um Platz zu schaffen für neuere“, heißt es in dem Bericht. Dadurch seien Nachweise auf die Angehörigen der Opfer verlorengegangen.
Der Ausschuss erklärte, die Banken müssten ein Drittel des Geldes an die Erben der Opfer zurückzahlen, falls diese ausfindig gemacht werden könnten; das entspricht etwa 60 Millionen Euro. Für die restlichen zwei Drittel müsse der Staat aufkommen, also etwa 100 Millionen Euro. Denn die Banken hatten das meiste Geld in den 40er und 50er Jahren an das Britische Mandat gezahlt sowie nach 1948 an den Staat Israel.
Die größte Bank in Israel, die Bank Leumi müsste allein etwa 54 Millionen Euro zahlen. Auf die Misrahi Bank entfielen knapp 2,3 Millionen Euro, die Bank Hapoalim wäre zur Zahlung von über 300.000 Millionen Euro verpflichtet, und die Israel Discount Bank zu 95.000 Euro. Der Ausschuss gab jedoch zu verstehen, dass voraussichtlich nur eine kleine Zahl der Erben ausfindig gemacht werden wird, und daher diese Summen nur theoretischer Natur seien. Aufgrund des mangelhaften Umganges der Banken mit den Konten sei nur noch auf etwa 3.500 der 9.000 Konten Geld zu finden.
Der Ausschuss empfahl die Bildung einer öffentlichen Körperschaft, welche die Interessen der Erben vertritt. „Wenn wir mit den Banken und der Schatzkammer keine Einigung erreichen, müssen wir zu Gesetzesmitteln greifen“, hieß es.
Die Banken-Vereinigung und die Bank Leumi dementierten, dass heute noch Anlagepapiere der Holocaust-Überlebenden auf israelischen Banken lägen. Den Vorwurf des Obersten Rechnungsprüfers, Jehuda Barlev, die Bank Leumi unterhalte noch etwa 180 Konten von Holocaustopfern, wies die Bank zurück.
Die Ausschuss-Mitglieder rügten die Banken zudem wegen ihres Gebarens während der Untersuchung. „Wir hatten ernsthafte Auseinandersetzungen mit den Banken, was zu großen Verzögerungen der Arbeit des Ausschusses führte“, sagte Avital.
Der Vorsitzende der Dach-Organisation für die israelischen Holocaust-Überlebenden, Noah Flug, sagte: „Ich hoffe, die Banken, welche die Arbeit des Ausschusse sabotiert haben, haben ihre Lektion gelernt und zeigen nun eine öffentliche und moralische Verantwortung und respektieren die Beschlüsse des Ausschusses und setzen sie um.“