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Merkel: „DDR-Vergangenheit brachte mich zu Engagement bezüglich Israel“

Seit 50 Jahren vergibt der Zentralrat der Juden in Deutschland den Leo-Baeck-Preis. In diesem Jahr erhält ihn Bundeskanzlerin Angela Merkel - damit soll ihr "kontinuierliches und glaubwürdiges Engagement" für die Verständigung von Juden und Nichtjuden gewürdigt werden. Im Gespräch mit der Wochenzeitung "Jüdische Allgemeine" legte die CDU-Politikerin dar, wie sie persönlich zu ihrer positiven Einstellung gegenüber Juden und Israel fand.

„Etwas hat mich schon geprägt: Ich bin in der DDR aufgewachsen. Und dieser Staat erkannte Israel nicht an“, sagte Merkel in dem Interview. „Es gab zum Beispiel keinen Postverkehr zwischen beiden Ländern. Wenn ich als Wissenschaftlerin eine Publikation aus Israel haben wollte, habe ich einen Kollegen in den USA gebeten, mir den entsprechenden Aufsatz zu besorgen.“

„Judenverfolgung spielte in DDR untergeordnete Rolle“

Nach der deutschen Einheit habe sie dann den jüdischen Staat kennen lernen und ihr Geschichtsbild vervollständigen können, so die Kanzlerin weiter. „In der DDR wurde zwar auch über den Nationalsozialismus gesprochen. Doch damals standen immer die Kommunisten als Verfolgte des Naziregimes im Vordergrund. Die Verfolgung der Juden spielte nur eine untergeordnete Rolle. Die ganze Verantwortung für den Nationalsozialismus hatte die DDR immer an die Bundesrepublik delegiert. Eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust war so kaum möglich. Die Wiedervereinigung hat uns allen aus der früheren DDR zu diesen Themen dann einen neuen Zugang ermöglicht. Und zu Israel.“

In den deutsch-israelischen Beziehungen, sagte Merkel, gehe es „nicht um Geschichte oder Zukunft, sondern um Geschichte und Zukunft“. Über die historische Verantwortung hinaus seien weitere Pfeiler nötig. „Auf dem Gebiet der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Kultur können die guten Kontakte sicherlich noch intensiviert werden. Israel ist ein sehr vielseitiger Staat. Und das müssen wir hier in Deutschland noch bekannter machen. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass gerade junge Menschen Israel kennen lernen. Dazu gehört aber auch, dass jedem bewusst wird, dass Israel ein Land ist, das tagtäglich um seine Sicherheit kämpfen muss. Ein Lebensgefühl, das wir hier in Deutschland glücklicherweise nicht kennen.“

Annapolis-Gipfel: Hoffnung auf Ergebnisse

Auf die Frage, ob sie vom geplanten Friedensgipfel im amerikanischen Annapolis konkrete Ergebnisse erwarte, antwortete die deutsche Regierungschefin: „Jeder hofft, dass es sie geben wird. Es wird auch mit sehr großer Energie daran gearbeitet. Ich habe regelmäßig Kontakt zu Israels Premier Olmert und Palästinenserpräsident Abbas. Der saudische König Abdullah kommt Anfang November nach Berlin. Wir ermuntern alle Beteiligten, jetzt aufeinander zuzugehen. Aber jeder weiß auch, dass diese Aufgabe sehr kompliziert ist. Ich kann nur sagen: Wo auch immer Deutschland einen Beitrag leisten kann, tun wir alles dafür, dass dieser Prozess erfolgreich ist.“

Merkel sagte weiter, es sei wichtig, die Kräfte in der Region zu stärken, die Frieden wollten. Die Menschen auf beiden Seiten müssten spüren, „dass ein solcher Friedensprozess für sie und ihr persönliches Leben von Vorteil ist. Daraus werden dann die Kräfte wachsen, um eine tragfähige Grundlage für einen Friedensprozess zu schaffen. Und diejenigen, die das nicht wollen, geraten so in eine Minderheitenposition. Deshalb ist es richtig, in einen solchen Friedensprozess mit denen hineinzugehen, die bereit sind, die Existenz Israels anzuerkennen“. Grundsätzlich könne sie „die israelische Seite sehr gut verstehen, die zuallererst darauf besteht, dass die Sicherheit für den jüdischen Staat garantiert sein muss“.

Preisverleihung am 6. November

Die Preisverleihung findet am kommenden Dienstag in Berlin statt. Die Auszeichnung ist nach dem Rabbiner Leo Baeck (1873-1956) benannt, der bereits in der Weimarer Republik christlich-jüdische Gespräche ins Leben rief. 1943 wurde er mit seiner Familie in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Dort versuchte er unermüdlich, den Menschen mit seinen Predigten und Vorträgen in ihrer hoffnungslosen Situation zu helfen. Schwer misshandelt überlebte er schließlich und emigrierte 1945 nach London. Nach dem Krieg wurde er Präsident der Weltunion für Progressives Judentum und setzte sich für Versöhnung und Dialog zwischen Juden und Christen ein.

Frühere Leo-Baeck-Preisträger sind die Bundespräsidenten a.D. Richard von Weizsäcker, Roman Herzog und Johannes Rau. Außerdem wurden Altbundeskanzler Helmut Kohl, die Verlegerin Friede Springer, die Schauspielerin Iris Berben oder der Schriftsteller Ralph Giordano ausgezeichnet.

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